Sie kann in der Tat stolz sein: Als Erste spielte sie 2015 das Werk eines 1761 geborenen Böhmen auf CD ein. Die Rede ist von der 20-jährigen Geigerin Veriko Tchumburidze und dem Komponisten Anton Wranitzky. Den Solopart seines 3-sätzigen Violinkonzerts in C-Dur op. 11 legte der renommierte Dirigent Howard Griffith in die Hände der jungen Türkin aus Adana. In ihrem Alter, so die Geigerin, sei es „ein außerordentliches Privileg, ein noch nie aufgenommenes Konzert aufzuzeichnen“. Veriko Tchumburidze hatte also keinerlei Vorbilder, auf die sie hätte zurückgreifen, an denen sie sich hätte orientieren können. Sie versetzte sich in den „seinerzeit umjubelten Violinvirtuosen Wranitzky“ und fragte sich, wie er wohl sein eigenes Meisterwerk aufgeführt hätte. Der besonderen Herausforderung stellte Tchumburidze sich mit jugendlicher Verve und großer Einfühlungsgabe. Dem Adagio-Satz mit der Bezeichnung „Romanza cantabile“ gewinnt sie mehr Strenge als Süße ab, was diesem gefühlvoll angelegten Mittelsatz sehr gut bekommt. Der aus Zürich stammenden 24-jährigen herausragenden Cellistin Chiara Enderle ist es – wie vielen Hörerinnen und Hörern der CD, ja so manchem der Musikerinnen und Musiker des formidablen Münchener Kammerorchesters, das von Howard Griffith angeleitet wird, vermutlich auch – so ergangen: Sie hatte noch nie etwas von dem Komponisten gehört, dessen Werk, das 3-sätzige Cellokonzert in C-Dur op. 27, ihr als Solistin anvertraut wurde: Paul Wranitzky. Er war der Halbbruder von Anton Wranitzky und lebte von 1756 bis 1808. Anton überlebte den um fünf Jahre jüngeren Halbbruder um zwölf Jahre. Beide waren Metzgerssöhne aus dem böhmischen Neureich (Nova Rise). Sie avancierten zu bedeutenden, gleichviel heute beinahe in Vergessenheit geratenenMusikerpersönlichkeiten im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Im Cellokonzert, das die bewundernswert leichte und hochkonzentrierte Chiara Enderle zusammen mit dem Münchener Kammerorchester zum Blühen bringt, verrät Paul Wranitzky sich – wie schon sein Bruderherz im Violinkonzert des gleichen „hellen“ Tongeschlechts – als Mozart-/Haydn-/Albrechtsberger nahestehende klassische Tonschöpfer. Paul war Antons erster Geigenlehrer und wurde, bevor er nach Wien (eigentlich zum Theologiestudium) ging, in Olmütz zu einem herausragenden Violinisten. Auch Anton fand über Umwege zur Musik. Er oblag zunächst Studien der Philosophie und Juristerei, bevor er, unter anderem auch bei Joseph Haydn und Wolfgang AmadeusMozart, zum Musiker heranreifte. Das Booklet unterrichtet bis ins Detail über die Karrieren der beiden böhmischen Brüder Wranitzky.
Von den schätzungsweise 50 Symphonien Paul Wranitzkys – nur knapp die Hälfte wurde bislang publiziert – entschied sich der kräftig zupackende Brite Howard Griffith für die früh entstandene in D-Dur op. 16 Nr. 3 aus dem Jahr 1792. Mit nur drei Sätzen blieb sie ohne Menuett – ähnlich der „Prager“ von Mozart, die sechs Jahre zuvor datiert wird. Frische und Furioso kennzeichnen den Stil dieser Symphonie von 19 Minuten Länge.
Die junge Talente fördernde „Orpheum“-Stiftung darf zu dieser Edition beglückwünscht werden, selbstverständlich auch der Dirigent, vor allem die beide Solistinnen. Sie hatten zu Recht das Glück, in das Fördermodell aufgenommen worden zu sein und die zum 25-jährigen Jubiläum neu gestartete CD-Reihe als Solistinnen eröffnen zu dürfen. Laut Ausschreibung genossen die beiden jungen Instrumentalistinnen den Vorzug, primäre Erfahrungen in einem Aufnahmestudio gemacht zu haben – und dies unter niveauvollen Bedingungen. Unterstützung erfuhr „Orpheum“ durch Urs Grunder („Etor Charity Foundation“), die „Minerva Kunststiftung“ und die Stiftung „eppur si muove“.
Anton & Paul Wranitzky: “Violin Concerto op. 11, Cello Concerto op. 27, Symphony op. 16/3”. Ausführende: Veriko Tchumburidze, Violine, Chiara Enderle, Violoncello, Münchener Kammerorchester unter Howard Griffiths. Dauer: 66.40 Minuten. Erschienen bei Sony Classical 2015/16, 16,99 Euro
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