Zum Niederknien: Jonas Kaufmann

Jonas Kaufmann

Den Cutaway aus dem Schrank, das lange Schwarze vom Bügel! Am 2. Adventsonntag-Abend galt`s fürs Bayerische Staatsorchester, normal im Graben, nun aber auf der Bühne des Nationaltheaters gebraucht, einer Welt-Größe: dem Münchner Star-Tenor Jonas Kaufmann. Der gewinnende, schöne, als Künstler mitreißende 48-Jährige hatte, assistiert von Sopranistin Ermonela Jaho und Bariton Ludovic Tézier, sein Sonderkonzert unter das Motto „O Paradis“ mit nix als französischer Musik für Herz und Gemüt gestellt: Erlesenes aus „L`Africaine“, „Les contes d`Hoffmann“, „Carmen“, „Don Carlos“, „La Damnation de Faust“ und einer guten Portion Massenet: „Thais“, „Le Cid“, „Manon“.

Womit der insgesamt rasend beklatschte und bepolterte Konzertabend unter der etwas eitlen, aber doch perfekt gesteuerten Stabführung Bertrand de Billys begann, endete er auch: mit einlullenden Klängen des in München lange nicht gehörten Ambroise Thomas. Kaufmann, der seinen bejubelten Zweistunden-Auftritt mit viel Atempause für sich selbst klug aufbaute und erst nach und nach von seiner „Mezza voce“-Manier ab- und mit einigen perfekten hohen, abgedunkelten Tönen voll aus sich herausging, gab sich anfangs verhalten, stimmlich geradezu schüchtern, etwa in der Arie des Wilhelm Meister. Am Ende der zart parfümierten „Nummern“ – sehr gelungen: Rodrigues Arie aus „Le Cid“ „Ah! Tout est bien fini“ – wagte er mit der 3. Zugabe (nach der Des Grieux-Arie aus „Manon“ und der berühmten Entsagung „Werthers“) im Verein mit Jaho und Tézier den Weihnachts-Hit der Franzosen „O hehre Nacht“ von Ambroise Thomas. Er geriet, selbstironisch, zum Aufheizer der zuckrigen Sorte.

Die Albanerin Ermolena Jaho, gerade mit der Partie der Suor Angelica in Puccinis „Trittico“ befasst, fiel Kaufmann im „Manon“-Duett „Toi! Vous! – Oui, c`est moi!“ in lachsfarbener Robe wie von ihm hingerissen zu Füßen und mit einem nassen Kuss um den Hals. Zum Niederknien. Einen ähnlichen Kniefall vor dem Spitzensänger machte 2015, inspiriert von dessen exzeptioneller Stimme, die Französin Cathie Hubert mit ihrem im Opernshop vorrätigen Büchlein „Mon ame a reconnu votre ame“. Ihm, das in der Konzert-Pause reißend wegging, ist das Porträt zu „Werther“ entnommen.

Über Hans Gärtner 498 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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