Wer Bayern und das Bayerische liebt und noch kein Hans – Kratzer – Fan ist, der sollte es werden. Punkt.
Denn in der längsten Burg der Welt erlebt man mit ihm als Autor und Redner zum Thema Zeitenwandel einen Taumel der Gefühle, die einem ergreifen und nicht mehr loslassen werden. So mancher Mensch liest die Süddeutsche Zeitung – man höre und staune – wegen Hans Kratzer und seiner Artikel. Das erfährt man von einem Besucher, der nach der Führung auf ihn persönlich zugeht und ihm innig dankt. Passiert am Samstag in Burghausen, das die Ausstellung „Zeitlang“ der beiden SZ Redakteuere Sebastian Beck und Hans Kratzer mit
63 teils großformatigen Bildern am Eingang zur Burg präsentiert.
Was hat es nun mit diesem Titel „Zeitlang“ auf sich? Wir wissen oder wollen es wissen, wie es es sich anfühlt, wenn man verliebt ist und einem die unstillbare Sehnsucht überkommt. Sollten wir das vergessen haben, dann erleben wir eine Renaissance solcher Leidenschaften und was die mit uns anstellen. Es kann mit „Zeitlang“ auch Langeweile gemeint sein, so Hans Kratzer, aber auch dies kann zu kreativen Schüben führen.
Dramen haben sich nicht zuletzt in den bayerischen Wirtshäusern abgespielt. Heute schmelzen sie dahin wie Schnee an der Sonne. Hans Kratzer durchstreift die heimatlichen Gefilde, wie er sie aus der Kindheit und Jugend kennt, selbst aufgewachsen in einem Wirtshaus, macht sich Gedanken zu den starken Frauen, die solch ein 400 Jahre altes Wirtshaus wie die Resi 60 Jahre lang mit Inbrunst geführt haben oder über jemand, der in einem Bauwagen lebt und mit Vögeln Gespräche führt. Einfühlsam-intuitiv, mit Liebe zur Natur und Schöpfung, beschreibt Hans Kratzer vor Ort die faszinierenden Bilder, die solche Charaktere zeigen. Sie haben nicht studiert, haben gleichwohl ein unglaubliches Wissen und eine Art von Weisheit, die mehr sagt als 1000 Worte. Und wenn Anton zu seiner eigenen Lesung zwei Stunden schwimmt – mit Begleitboot – dann evoziert er examparische Vorbilder, die uns am gegenwärtigen Leben teilhaben lassen, kalt, aber anheimelnd, mit all den Schattenseiten, die auf einem Bankerl einem Aussätzigen passieren können. Auf solche Grenzerfahrungen sich einzulassen, kontemplative Situationen in der Ambivalenz von Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe nachzuempfinden und adäquat dem Publikum zu vermitteln, das gelingt Hans Kratzer meisterhaft. Er erklärt, wie Darsteller der Landshuter Hochzeit im Rembrandt-Stil fotografiert wurden, wie die selbstgemachten bayerischen Gerichte damals geschmeckt haben ( keine Packerlsuppen!) und eine Nachtwanderung im Böhmerwald unvergesslich bleibt. Kraftorte übertragen ihre magisch-mystische Substanz, wenn nicht nur Texte, sondern die Aufnahmen einem in ihren Bann ziehen. Zum Beispiel: Altötting, berühmtester Wallfahrtsort in Deutschland, offenbart lauter Geheimnisse, die man spürt, wenn man dem Redner, wie alle Anwesenden, aufmerksam lauscht. 16 Mal waren sie in Altötting um Aufnahmen zu machen. Und die alte Frau, die andere mit einem Stockerl vertreibt, wenn sie sich auf ihren Stammplatz setzen, spricht Bände. „Die Bayern haften an ihrer Scholle, 80 Prozent“, erfahren wir. Und so sind Brauchtum und die vielen Sprachen, die sich in Bayern historisch belegen lassen, unwiderbringlich verschwunden, wenn sie nicht durch engagierte Projekte wie „Zeitlang“ zumindest dokumentiert und
Originale im Gedächntnis weiter getragen werden. Die Buttnmandl in Bischofswiesen wollten gar keine Zuschauer/innen. Aber nun sind sie in der Ausstellung anwesend und werden in ferne Zeiten und Länder weiter getragen.
Freilich wäre zu wünschen, diese unvergleichbaren Juwelen aus der Schatztruhe dieser Burg in die Welt zu streamen. Denn ob Kratzer-Fan oder noch nicht, man sollte überall die Gelegenheit haben, mit einem click solchen Werken näher zu kommen, auch wenn man nicht mehr in Bayern oder Deutschland lebt. Denn was mit diesen Bildern und Texten an Werten zu vermitteln ist, dürfte einzigartig sein. Hier ist eine wirkungsvolle und natürliche Keimzelle der Biodiversität, die in der heutigen Zeit unsere besondere Prägung, von den Wurzeln angefangen – auch digital – neu vermittelt: das Zusammenspiel von Mensch, Natur und Schöpfung, in allen Lebensbereichen. Die längste Burg der Welt zeigt uns also einen Kosmos en miniature, der mit dieser Ausstellung und ihrem schönen Titel „Zeitlang“ ein wegweisendes Spektrum über Bayern hinaus offenbart.
Wegen des großen Publikumsinteresses ist die Ausstellung „Zeitlang – Erkundigungen im unbekannten Bayern“ in Burghausen bis Sonntag, 1. September 2019 verlängert worden. Die Ausstellung ist (außer Montags) von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Das Dr.-Robert-Gerlich-Museum mit den Ausstellungsräumen liegt unmittelbar am Eingang der Burg. Am Sonntag, 11. August 2019 um 11.00 Uhr führt Sebastian Beck durch die Ausstellung. Am Donnerstag, 29. August, lädt das Haus der Fotografie um 19.30 Uhr zur Finissage.