Wolfram Ellenberger: Geister der Gegenwart.

Lausbergs Buchtipp – Die letzten Jahre der Philosophie und der Beginn einer neuen Aufklärung 1948 – 1984

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Wolfram Ellenberger: Geister der Gegenwart. Die letzten Jahre der Philosophie und der Beginn einer neuen Aufklärung 1948 – 1984, Klett-Cotta, Stuttgart 2024, ISBN: 978-3-608-98665-5, 28 EURO (D)

 

Welche Philosophie kann uns heute noch leiten? Auf den Spuren von Theodor W. Adorno, Susan Sontag, Michel Foucault und Paul K. Feyerabend entwirft »Geister der Gegenwart» ein großes Ideenpanorama der westlichen Nachkriegszeit. Wolfram Eilenberger erzählt mitreißend vom Aufbruch in eine neue Aufklärung, der direkt zu den Bruchlinien unserer Zeit führt.

Winter 1949: Theodor W. Adorno kehrt aus den USA ins zerstörte Frankfurt zurück, Paul K. Feyerabend kriegsversehrt nach Wien. Wunderkind Susan Sontag besucht Thomas Mann in Los Angeles. Der junge Michel Foucault begeht in Paris einen weiteren Selbstmordversuch. Als Folge der Weltkriegskatastrophe suchen diese vier Selbstdenker ihren Weg in ein neues Philosophieren. Über die kommenden Jahrzehnte revolutionieren sie die Art und Weise, wie wir über unsere Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft nachdenken.

Wolfram Eilenberger legt erneut ein erzählerisches Meisterwerk vor, das am Beispiel dieser vier mutigen Geister von der Kraft der Philosophie kündet, einen Ausgang aus den Engen der Gegenwart zu finden.

Der Ausgang in eine bessere Zukunft inmitten der Trümmerlandschaften, materiell und geistig, werden Adorno, Horkheimer, Benjamin, die Begegnungen mit Thomas Mann, Foucault, Sartre, Feyerabend in ihrem Bemühen um eine neue Aufklärung in der Zeit zwischen 1948 und 1950 werden im ersten Abschnitt skizziert.

Danach werden die beiden Jahre 1957/1958 beleuchtet: Die Weiterentwicklungen Foucaults in seiner Zeit in Schweden, seine eigene „Dialektik der Aufklärung“, Feyerabends Zeit in England, seine Beziehung mit Popper, Susan Sontag und ihre Beziehung zu Freud, die Frankfurter Dialektik, Adorno/Horkheimer und der Nationalsozialismus und Adorno als Systemkritiker.

 

Theorie und Praxis und das rebellische Jahr 1968 mit zeitgenössichem Hintergrund wird dann behandelt: Sontag und ihre Beschäftigung mit Foucault, Zeitdiagnosen, die sich anbahnende Protestwelle und Studentenbewegung in der BRD und anderswo in der Welt, Adornos Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, Kritik an seiner Person, Foucault und seine wechselnden Lebensmittelpunkte, sein Werk „Die Ordnung der Dinge“, der Strukturalismus, Foucaults Selbstgespräch, Pariser Barrikaden, Feyerabend als Wissenschaftstheoretiker, Anarchismus,

Die Ereignisse und neuen Perspektiven 1969 kommen dann zur Sprache: Sontag in Vietnam, Foucault und Glucksmann, das Spartakus-Seminar, Adorno im Spiegel-Interview und die Phänomenologie der Gewalt.

Das Ende dieses Zeitalters 1984 schließt die Kapitel ab: Die Beisetzung Adornos mit viel Prominenz, Habermas und sein Nachruf, Sontag und  die Fotografie, Foucaults Einsicht, ganz neu anzufangen mit einer Diagnose der gegenwärtigen Gesellschaft, Aufklärung als mutiger Gang an die Grenzen der je eigenen Gegenwart mit dem Ziel, diese auf ihre befreiende Überschreitung hin auszuloten, der Tod Foucaults und Feyerabend über Aufklärung und sein Tod.

Im Nachwort wird die Auswahl der Leitgestalten dieses Buch (Foucault, Sontag, Adorno und Feyerabend) damit begründet, das sie „beispielhafte Verkörperungen eines Lebens im Sinne der Aufklärung“ gewesen seien und damit zeitlose Vorlagen für künftige Generationen waren.

 

Wie in seinen früheren Büchern auch verbindet eine Grundhaltung die vier ausgewählten Leitgestalten. Dabei gibt es auch immer wieder Verbindungslinien zwischen ihnen, falls vorhanden. Das Buch bietet einen guten Einstieg in die Situation und das Denken, stellt Leben und Werk vor und wechselt zwischen Fließtext und Zitaten aus prägenden Werken.

 

 

 

 

Über Michael Lausberg 587 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.