Von Wolfgang Schimank
Es war der 10. Mai 2023, ein sonniger Vormittag, als ich gut gelaunt in Neuruppin zum Reisebüro ging, um meine Madeira-Reise zu buchen. Ich passierte den Schulplatz, einen großen Platz im Zentrum Neuruppins. Dort war eine Bühne mit Sitzplätzen aufgebaut, wo Schulkinder einem Vortrag zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung lauschten. Bereits in den Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens sowie in den Zeitungen war an dieses geschichtliche Ereignis erinnert worden. Auch im Deutschen Bundestag gedachten die Abgeordneten dieses Geschehens. Allerdings fand weder in den Mainstream-Medien noch in der Politik eine Selbstreflexion statt, was in Deutschland bezüglich der freien Meinungsäußerung immer mehr schief läuft, wie diese ausgehebelt wird. Ehemalige DDR-Bürgerrechtler, Autoren von Büchern und Texten in den sozialen Medien sowie politisch aufgeweckte Menschen, die die Politik und die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland kritisch beobachten, dürften dieses Unbehagen mit mir teilen. Am liebsten hätte ich den Kindern zugerufen, dass es eine moderne Bücherverbrennung gibt. Gewiss, es werden keine Bücher mehr öffentlich verbrannt. Es gehen auch keine Menschen mehr wegen gesellschaftlich unliebsamer Bücher ins Gefängnis (soweit deren Inhalte nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen). Das Ganze findet viel subtiler und oftmals abseits der Öffentlichkeit statt. Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali sagte einmal im Fernsehen schnippisch, Meinungsfreiheit habe halt ihren Preis. Allerdings verschwieg sie, dass die Konsequenzen für diejenigen, die gedankenlos die Ansichten der Mainstream-Medien nachplappern oder teilweise oder gänzlich anderer Meinung sind, gravierend sein können. Hierauf komme ich noch zu sprechen.
Leider glauben noch heute viele Menschen, „im besten Deutschland“ zu leben, „das es je gegeben hat“ (Aussage von Bundespräsident Steinmeier). Seit jenem Erlebnis am 10. Mai 2023 ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen, ob und wie ich es den einfachen Menschen begreiflich machen könnte, wie die Meinungsfreiheit und damit auch die Freiheit, ein kritisches Buch schreiben zu können, eingeengt wird. Ich möchte hier an das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erinnern, das „die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen“ als das „Lebenselement“ einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung bezeichnet. (Der ausführliche Text ist im zweiten Band meines Buches „Der Ostdeutsche, das unbekannte Wesen“ auf Seite 425 abgedruckt.) Ich vermisse spannende Rededuelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, wo sich der Zuhörer bzw. der Zuschauer anhand der Argumente selbst ein Urteil bilden kann. Stattdessen finden laue Diskussionen statt, wo die Meinungen minimal von dem vorgegebenen Meinungskorsett abweichen. Sollte einmal eine Person eingeladen werden, die eine gänzlich andere Meinung hat als der Mainstream, so stehen diesem Gast viele Vertreter ebendieser Denkrichtung gegenüber, die ihm dann die Leviten lesen und ihn kaum zu Wort kommen lassen.
Den Begriff „moderne Bücherverbrennung“ möchte ich etwas weiter und abstrakter fassen: Es geht nicht nur darum, darzulegen, wie schwierig es ist, in Deutschland ein gesellschaftskritisches Buch zu schreiben und es der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Ich verstehe darunter auch die Art und Weise, wie kritische Gedanken in den sozialen Medien zum Schweigen gebracht werden sollen.
Wo sind die Dichter, Denker und charismatischen Politiker von morgen?
Bereits in der Schule findet eine zunehmende Indoktrination durch den Staat statt. Es geht nicht darum, aus den Schülern mündige Staatsbürger, sondern staatsgläubige und politisch korrekt denkende Menschen zu machen. Freiheitliches Denken und Widerspruch sind daher verpönt. Immer weniger wird den Schülern beigebracht:
-die deutsche Geschichte und Kultur,
-die Liebe zum eigenen Land,
-eine fundierte Allgemeinbildung,
-wie eine Wirtschaft funktioniert,
-wie man eigenverantwortlich finanziell wirtschaftet,
-wie ein Streitgespräch stattfindet und
-der Respekt gegenüber Andersdenkenden.
Laut einer IGLU-Studie von 2021 kann jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen.[1] Und im „IQB-Bildungstrend 2022“ wurde bemängelt, dass „jeder dritte die Mindeststandards im Lese- und Hörverständnis im Fach Deutsch“ verfehlt.[2] Dieser Trend wird unter anderem auch dadurch verstärkt, dass aufgrund der unkontrollierten Einwanderung der Ausländeranteil an deutschen Schulen zunimmt. Immer öfter sehen sich Lehrer und Schulleiter genötigt, hinter vorgehaltener Hand den Eltern deutscher Schüler zu empfehlen, ihre Kinder an anderen Schulen unterzubringen. Als ich Anfang der 2000er-Jahre eine Anstellung in Berlin bekam, stand ich auch vor der Entscheidung, ob ich das meinen Kindern zumuten sollte. Stattdessen ließ ich sie lieber in meiner bisherigen Heimatstadt zur Schule gehen und nahm in Kauf, täglich vier Stunden mit dem Zug zu fahren …
Aufgrund des Lehrermangels fallen viele Unterrichtsstunden aus. Allerdings halte ich es für keine gute Idee, den Mangel und die immer älter werdende Lehrerschaft durch den Einsatz von Quereinsteigern auszugleichen. Denn was nützen „Fachidioten“, wenn sie keine Ahnung von Psychologie und Pädagogik haben und nicht verstehen, wie sie das Wissen den Kindern vermitteln sollen? Sicherlich gibt es da auch positive Ausnahmen.
Handwerksmeister beklagen, dass ein großer Teil der Bewerber weder handwerkliche Vorkenntnisse habe noch die vier Grundrechenarten beherrsche. Sie seien auch nicht in der Lage, offizielle Schreiben zu verfassen. Jüngst berichtete mir eine Ausbilderin im medizinischen Bereich erschüttert, wie ein Mädchen vor einer analogen Uhr gestanden und sie gefragt habe, wie spät es sei. Es stellte sich heraus, dass dieser Lehrling, verwöhnt durch das Mobiltelefon und den Computer, nicht in der Lage war, die Zeit von einer normalen Uhr abzulesen. Das ist unfassbar, aber leider wahr.
Es hat den Anschein, dass in der Schule Dinge wie Sexualpraktiken, sexuelle Identität, selbstbewusstes Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit und Sozialneid immer wichtiger werden. Zudem wird den Schülern links-grünes Schubladendenken gegenüber Andersdenkenden und das Aufteilen der Welt in Schwarz und Weiß beigebracht. Dabei weiß jeder Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht, dass die Welt um uns herum in den verschiedensten Facetten erscheint … –Vor ein paar Jahren besuchte ich wissbegierig einen literarischen Wettbewerb zwischen mehreren Klassen aus Berlin und Brandenburg, einen sogenannten „Poetry-Slam“. Ein Schüler bezeichnete in seinem poetischen Kurzvortrag alle, die gegen die Aufstellung von Windrädern sind, als „Rechte“. Dafür erhielt er von den Zuschauern großen Beifall. Zu meinem Entsetzen zog sich diese ideologische Ausrichtung durch sehr viele dieser literarischen Kurzvorträge …
Annalena Baerbock, die immer wieder bei ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit durch mangelnde Allgemeinbildung auffällt, ist ein typisches Produkt dieses katastrophalen Bildungswesens. Erinnert sei daran, dass sie nicht weiß, was das chemische Element Kobalt ist, was eine 360°-Wende bedeutet, wie viele Tage das Jahr hat, wie weit (ungefähr) das entfernteste Land von Deutschland ist und dass es im 19. Jahrhundert noch keine Panzer gab. Wenn aus dem deutschen Bildungssystem trotz der geschilderten Missstände auch hervorragende Persönlichkeiten entspringen, dann liegt es daran, dass es Ausnahmeschüler und engagierte Lehrer und Eltern gibt, die sich nicht ideologisch vereinnahmen lassen und ihrem Bildungsauftrag mit viel Herzblut nachkommen. Ansonsten sieht es eher düster aus für Deutschlands Dichter, Denker und charismatische Politiker der Zukunft.
Warum bekämpfen die Leitmedien und die Politik die sozialen Medien?
Als Ende der 1990er-/Anfang der 2000er-Jahre die sozialen Medien aufkamen, wurden sie besonders von den Jugendlichen genutzt. Es schossen wie Pilze viele Internetportale aus dem Boden. Diese besetzten Themen aus allen Bereichen des Lebens. Die Internetvorträge reichten von seriös bis unseriös, von moralisch bis unmoralisch. Medienkompetenz wäre da gefragt. Diese wurde (und wird) in den Schulen aber nicht beigebracht. Problematisch war, dass die Kommentatoren sich hinter Tarnnamen verstecken konnten und dadurch die Hemmschwelle sehr niedrig war, um vom Leder zu ziehen. Der Trend, dass sich Schüler im Internet das Leben schwer machten und es mitunter Selbstmorde gab, verstärkte sich zusehends.
Doch das kümmerte die Politiker sehr wenig. Erst als sie selbst Zielscheibe von Kritik, Häme und Verleumdung wurden, begannen sie, die sozialen Medien ernst zu nehmen und sie zu fürchten. Das betrifft vor allem die Linken, die Sozialdemokraten und die Grünen. Das hat damit zu tun, dass diese von den Mainstream-Medien wenig Kritik zu erwarten hatten, zumal der größte Teil der deutschen Medien eher links-grün oder linksliberal ausgerichtet war (und ist). Und über die sozialen Medien kamen Nachrichten/Berichte innerhalb kürzester Zeit, nachdem die Ereignisse stattgefunden hatten, und erreichten ein Millionenpublikum. Waren bisher die Mainstream-Medien die Blockwarte, die die Ereignisse aus ideologischer Sicht filterten und sie dann zeitverzögert herausgaben, so wurden die Leitmedien beim Informationsfluss nun durch die sozialen Medien umgangen … Sowohl Konservative als auch Liberale kannten die Kritik an ihrer Politik, die von den Mainstream-Medien kam, zur Genüge. Erinnert sei daran, wie Helmut Kohl in den letzten Jahren seiner Regierungszeit deshalb die Medien möglichst mied … Als die CDU durch Angela Merkel immer mehr nach links driftete, ihre Wahlversprechen nicht mehr einlöste und sich bei der Eurokrise sowie bei der NSA-Affäre sehr seltsam verhielt, wurde auch sie in den sozialen Medien zum Ziel heftiger Kritik. Diese steigerte sich noch mit der Flüchtlingskrise seit September 2015 und mit der Coronakrise.
Die Auflage der Zeitungen in Papierform nimmt seit Jahren dramatisch ab. Mit einiger Zeitverzögerung begannen die Zeitungsverlage, sich Internetseiten zuzulegen. Darauf konnte jeder Leser kostenlos zugreifen. Mittlerweile hat die Internetausgabe mindestens die gleiche Bedeutung wie eine Ausgabe der Zeitung in Papierform. Allerdings registriere ich, dass viele interessante Artikel aus der Vergangenheit und von heute bei der Internetausgabe immer mehr hinter einer Bezahlschranke verschwinden.
Sowohl die Mainstream-Medien als auch die Politiker der etablierten Parteien sind auf die sozialen Medien nicht gut zu sprechen. Die Gründe sind klar: Die Leitmedien wollen ihre Vormachtstellung im Informationsfluss wiederhaben, und die Politik mag es nicht gern, ihre Fehler unter die Nase gerieben zu bekommen und ihr Handeln rechtfertigen zu müssen. Zudem soll das Volk nicht merken, dass es sich um eine extrem kleine Minderheit handelt, die sich anmaßt, ihm vorzuschreiben, was es gefälligst zu denken hat und was und wie es öffentlich Dinge aussprechen darf. Daher gibt es ein gemeinsames Interesse, den Einfluss der sozialen Medien auf „das Volk, den großen Lümmel“ (Heinrich Heine) zurückzudrängen.
Welche Methoden werden zur Einengung der Meinungsfreiheit angewendet?
Wenn ich auf die Geschichte bis zur deutschen Wiedervereinigung zurückblicke, dann war die Zeit ab ungefähr 2010 bis heute von besonders vielen Konflikten/Krisen gekennzeichnet: die Eurokrise, die Ukrainekrise, die NSA-Abhörkrise, die Flüchtlingskrise, die Coronakrise, die Inflation und die Energiekrise.
Die Politik machte bei allen dieser Themen keine gute Figur und erntete über Bücher und die sozialen Medien massive Kritik. In seltsamer Einigkeit gingen die etablierten Parteien und Leitmedien massiv gegen die Kritiker vor: Um heikle Themen wurde ein rhetorisches Minenfeld gelegt. Plötzlich waren Andersdenkende irgendwelche „…-Versteher“, „…-Leugner“, „Schwurbler“, „…-Feinde“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Angela Merkel bezeichnete ein Buch von Thilo Sarrazin, ohne es je gelesen zu haben, als „nicht hilfreich“. Auch die Kontaktschuld erlebt nach Zeiten des Nationalsozialismus und der DDR wieder eine Renaissance. Damit soll eine freiwillige Selbstzensur, eine innere Immigration, eine Verächtlichmachung und/oder ein Ausschließen des Kritikers aus der Gesellschaft erreicht werden.
In den Medien und auf der Buchmesse bekommen die Kritiker so gut wie keine Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge einem breiten Publikum darzulegen. Wenn ein gesellschaftskritischer Autor bei einem Buchverlag sein Manuskript an den Mann bringen will, so hat er, wenn er nicht den Bekanntheitsgrad eines Thilo Sarrazin hat, kaum eine Chance.
Um in der Bevölkerung für eine sprachliche Hygiene im Sinne der links-grünen Agenda zu sorgen, gibt es eine Organisation, die jährlich das „Unwort des Jahres“ kürt. Zudem ist eine Redaktion namens „Correctiv“ aktiv, die Aussagen in den sozialen Medien überprüft und aus ihrer Sicht richtigstellt. Auffallend ist nur, dass sowohl beim „Unwort des Jahres“ als auch bei „Correctiv“ linke Autoren verschont bleiben. Da gäbe es genug richtigzustellen …
Die Sozialdemokraten erlebten in der langen Geschichte ihres Bestehens mehrere Phasen der massiven Unterdrückung, unter anderem durch das von Bismarck erlassene Sozialistengesetz, das von 1878 bis 1890 galt. Insofern ist es schon verwunderlich, dass die SPD an vorderster Front steht, wenn es um die Einschränkung der Meinungsfreiheit geht. Anscheinend kennen die führenden Köpfe der SPD nicht ihre eigene Parteigeschichte. Eine ihrer größeren Sünden ist die Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) am 1. September 2017 durch den damaligen Justizminister Heiko Maas. Damit soll erreicht werden, dass die Betreiber der sozialen Medien darauf achten, Beiträge, die „Hass und Hetze“ zum Inhalt haben, nicht zu veröffentlichen. Ansonsten drohen staatliche Strafen in Millionenhöhe. Jedoch was ist unter „Hass und Hetze“ zu verstehen? Hier gibt es einen großen Spielraum. Problematisch ist, dass jetzt in erster Instanz die Betreiber, nicht die Gerichte, das entscheiden sollen. Aus Angst vor Restriktionen finden bei den Betreibern eine vorauseilende und oft auch eine übertriebene Selbstzensur statt. Zudem wirken auf diese die staatlich geförderten Denkfabriken wie die Amadeu Antonio Stiftung, deren Gründerin eine sehr fragwürdige Vergangenheit hat, ein. Mit der Einführung dieses Gesetzes wird die Gewaltenteilung zugunsten der Legislative verschoben. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde, welch ein „Zufall“, kurz vor der Bundestagswahl und kurz vor der geplanten Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes durch den Bundestag verabschiedet. Der Druck auf kritische Stimmen in den sozialen Medien ist enorm gestiegen. Er geht von Verwarnungen über Shadowban bis zur vollkommenen Sperrung des Internetportals. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, wenn Banken aufgrund politischen Drucks die Konten kritischer Blogger und Schriftsteller kündigen.
Die jetzige Innenministerin Nancy Faeser, ebenfalls Mitglied der SPD, bastelt unverdrossen an weiteren Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die immer mehr an Methoden aus der DDR erinnern. Hierzu mehr im nächsten Abschnitt. – Neben der SPD ist besonders die FDP eine große Enttäuschung, die doch vorgibt, eine freiheitsliebende Partei zu sein …
Für die Arbeit der Journalisten ist es von großem Vorteil, die Informationen direkt von den Vertretern der Bundesregierung zu erhalten. Die Bundespressekonferenz gibt hierzu die Gelegenheit. Allerdings müssen die Vertreter von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen sowie freie Journalisten eine Akkreditierung beantragen. Nicht jeder bekommt diese. Hier hat die Bundesregierung einen Hebel, missliebige Journalisten auszuschließen, um unangenehmen Anfragen von vornherein aus dem Wege zu gehen. Markus Gärtner († 25.06.2022), Henryk Broder und Roland Tichy wurde beispielsweise die Akkreditierung verweigert. Spätestens seit dem Jahr 2015, als Angela Merkel die Medienvertreter ins Kanzleramt einlud, nahmen die Mainstream-Medien ihre Funktion als vierte Säule der Macht nicht mehr wahr. Auf der Bundespressekonferenz feierten sie sich und die Flüchtlingspolitik. Auch in der Zeit der Coronakrise und der grassierenden Inflation gab es seitens der Leitmedien kaum kritische Fragen. Boris Reitschuster war einer der wenigen Journalisten, die mit ihren Fragen die Vertreter der Bundesregierung in Verlegenheit brachten und die Kollegen der Mainstream-Medien beschämten, weil sie nicht ihrer ureigensten Aufgabe nachkamen. Boris Reitschuster machte es öffentlich, wie sehr die Leitmedien mit der Politik verbandelt waren (und sind). Dafür erntete er bei diesen versteckte und offene Feindschaft. Er wurde verleumdet und mit Klagen überzogen. Es gab polizeiliche Hausdurchsuchungen, die zwar ergebnislos verliefen, wohl aber zumindest der Einschüchterung dienen sollten. In einem Bandenspiel zwischen Mainstream-Medien und Politik wurde er letztendlich aus der Bundespressekonferenz ausgeschlossen. Es gab nur wenige Kollegen wie Helmut Markwort, Roger Köppel und Vera Lengsfeld, die ihm beistanden und dieses unwürdige Spiel verurteilten. Mittlerweile hat Boris Reitschuster Deutschland verlassen. In seinem jüngst erschienenen Buch „Meine Vertreibung“ schildert er sehr ausführlich seine Erlebnisse und rechnet mit den politischen Verhältnissen in Deutschland ab.
„Sag mir, wo du stehst und welchen Weg du gehst!“
Die Überschrift ist der Titel eines FDJ-Liedes, das oft im Staatsbürgerkunde-Unterricht gespielt wurde. Es ging darum, dass die Schüler einen gefestigten Klassenstandpunkt haben sollten. Heutzutage nennt man das „Haltung“.[3]
Links-grüne Kräfte haben es geschafft, dass die Mainstream-Medien und die etablierten Parteien heutzutage folgende Agenda vorgeben, wenn es um die politische Zuordnung von Personen geht: Diejenigen, die sich zu den Linken, zur SPD und zu den Grünen bekennen, sind die „Guten“. Christdemokraten und Liberale werden unter bestimmten Auflagen gerade noch toleriert. Konservative sind „Rechte“, sind „reaktionär“. Sobald Konservative und Liberale vorzugsweise an das eigene Volk denken, sind sie „Nazis“. Damit findet eine Verharmlosung des Nationalsozialismus statt. Es offenbart die Geschichtsunkenntnis dieser Ideologen!
In der DDR gab es die „Nationale Front“. Über diesen Trick sicherte sich die SED bei Wahlen ihre Vormachtstellung. Im jetzigen Deutschland gibt es die „demokratischen Parteien“. Die AfD wird als „nichtdemokratische“ Partei definiert. Allerdings gibt es bei dieser links-grünen Betrachtungsweise zwei Schönheitsfehler: Die AfD ist auf demokratischem Wege gewählt worden. Zudem will sie im Gegensatz zu den anderen Parteien die direkte Demokratie. – In dem Moment, in dem bei Koalitionsgesprächen die AfD ausgeschlossen wird, wird ein großer Teil der bürgerlich-konservativen Wählerschaft vollkommen ignoriert. Der große Gewinner dieses Konstrukts sind die Grünen. Es ist eine Art von Perpetuum mobile der Machterhaltung, denn: Egal, welche Fehler die etablierten Parteien machen, sie bleiben trotzdem irgendwie an der Macht. Ähnlich wie in der DDR wird auch hier mit dem zelebrierten „Antifaschismus“ von den eigenen Fehlern abgelenkt. Die vorherrschende links-grüne Ideologie ist mehr oder weniger zu einer Religion verkommen. Denn diese zu hinterfragen und eine offene Auseinandersetzung zu führen, ist nicht erwünscht.
Nancy Faeser, die Innenministerin, denkt sich immer neue Sachen aus, um die Meinungsfreiheit einzuengen. Allerdings dürften viele Methoden aus der DDR stammen. Denn als die DDR am 1. August 1975 das Abschlussdokument der KSZE unterschrieb, erkannte sie auch die Menschenrechte und Grundfreiheiten an. Deshalb verfeinerte der SED-geführte Sicherheitsapparat die Methoden, um oppositionelle Kräfte niederzuhalten. Die jetzige „Cancel Culture“ erinnert mich an damalige Zersetzungs- und Zermürbungsmethoden inklusive Berufsverbot. Und wenn bei Nancy Faeser Worte wie „Kontaktschuld“, „Zusammenrottung“ und „Delegitimierung des Staates“ fallen, dann zucke ich als ehemaliger DDR-Bürger innerlich immer zusammen. „Wehret den Anfängen!“ heißt es doch immer, hier anscheinend nicht! Die Linken, die Sozialdemokraten und die Grünen sind stramm auf sozialistischen und internationalistischen Pfaden unterwegs. Das eigene Volk interessiert sie nicht. Es soll lediglich als Finanzier ihrer Traumschlösser dienen. In Deutschland herrschen der inquisitorische Furor, der Reißwolf der politischen Korrektheit und der Stechschritt der Einförmigkeit sowie eine unglaubliche Doppelmoral. Es ist wahrlich keine gute Zeit für Freigeister des Wortes und der Schrift! ‒ Vielleicht hat Thomas Gottschalk vielen einfachen Menschen die Augen geöffnet, als er seinen Abschied von der Sendung „Wetten, dass?“ damit begründete, dass er beim ZDF nicht mehr das Gleiche sagen könne, was er zu Hause sage …
Als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler frage ich provokant, wann es wieder Parteisekretäre in Schulen, Betrieben und öffentlichen Einrichtungen geben wird und wann sich die DDR-Bürger entschuldigen müssen, das sozialistische System gestürzt zu haben.
„Wenn die Entscheidung zwischen Freiheit und Zwang als eine Zweckmäßigkeit behandelt wird, die in jedem Einzelfall besonders zu entscheiden ist, wird die Freiheit fast immer den kürzeren ziehen. … Sobald also die Freiheit als Zweckmäßigkeitsfrage abgehandelt wird, ist ihre fortschreitende Untergrabung und schließlich Zerstörung unvermeidlich.“ (Friedrich August von Hayek)
[1] Deutschlandradio (Hrsg.) (17.05.2023): IGLU-Studie: 2021Viertklässler in Deutschland können immer schlechter lesen, abrufbar unter https://www.deutschlandfunk.de/iglu-studie-2021-lesekompetenz-kinder-100.html (abgerufen am 12.12.2023).
[2] Norddeutscher Rundfunk (tagesschau.de) (13.10.2023): QB-Bildungstrend 2022: Schlecht in Deutsch – gut in Englisch, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/bildungstrend-schulen-100.html (abgerufen am 12.12.2023).
[3] Hartmut König textete und komponierte dieses Agitationslied der DDR-Singbewegung. Es kann unter https://www.youtube.com/watch?v=tyShCNbsplI angehört werden.
Quelle: Vera Lengsfeld