Waffen für die Ukraine: So lange wie nötig und so viel wie möglich?

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Das Versprechen “as long as it takes” ist unter Notenbankern und Politikern beliebt, denn es bleibt gleichzeitig auch immer vage genug, um die Inhalte den Umständen entsprechend dosieren und anpassen zu können. Außenminister Blinken hat gerade noch einmal bestätigt, dass die USA und ihre Verbündeten die Ukraine so lange unterstützen werden wie nötig, oder wenigstens so lange wie die Kämpfe andauern. Ob das ein festes Versprechen einschließt, dass damit auch die Grenzen von 1991 garantiert werden, also auch die Krim, bleibt erst einmal offen. Denn neben den US-Generälen, die sich bisher dazu geäußert haben, dürfte auch unter den amerikanischen Außenpolitikern klar sein, dass die ukrainische Armee das auch mit weiter eskalierender Waffenhilfe nicht so leicht schaffen kann.

Streumunition: Die Ukraine verspricht, sie verantwortungsvoll einzusetzen

Die neuesten Waffenzusagen sind besorgniserregend. Am 7. Juli berichteten die Medien weltweit, dass Präsident Biden entschieden hat, der Ukraine erhebliche Mengen von Streumunition zu liefern, obwohl diese international geächtet ist. Bomben, Granaten und Gefechtsköpfe dieser Art enthalten hunderte von kleinen, Submunition genannten Sprengkörpern, von denen viele nicht explodieren und als Blindgänger noch lange gefährlich bleiben. Den völkerrechtlichen Vertrag zur Ächtung der Streumunition von 2010 haben mehr als 110 Länder unterzeichnet, auch die meisten europäischen NATO-Länder. Nicht dabei sind die USA, Russland, China, Israel, Indien, Pakistan und Brasilien. Von der amerikanischen Lieferung abgeraten haben Spanien und sogar Großbritannien. Die eindringlichste Warnung kommt von Hun Sen, dem Premierminister von Kambodscha. Sein Land hat auch fast 50 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs noch lange nicht alle Reste der von den USA abgeworfenen Streumunition beseitigen können.

Die britische Daily Mail berichtet, dass die USA in jeder größeren Auseinandersetzung seit dem Koreakrieg Streumunition eingesetzt hätten, zuletzt im Irak, dann aber keine neue mehr produziert haben . Human Rights Watch schätzt das US-Arsenal aus entsprechenden Granaten, Bomben und Raketen auf 4,7 Millionen Einheiten mit 500 Millionen der kleinen Sprengkörper. Dazu berichtet die Washington Post am 6. Juli, dass bei dieser Waffenhilfe der Anteil der nicht explodierenden Bomblets wegen der Dringlichkeit der Gegenoffensive unwichtig sei. Schon im März hatten republikanische Kongress-Abgeordnete an Biden geschrieben, dass er die Streumunition schicken solle, um die Waffenlieferungen an die Ukraine zu schützen (sic). Aus dem Pentagon wird betont, dass die zu liefernde Munition von den bereits gelieferten Haubitzen verschossen werden kann, und aus der „Foundation for Defence of Democracies“ in Washington, Think Tank und Lobby zugleich, verlautet, dass die geplante Lieferung viele praktische Vorteile habe, von der schnellen Verfügbarkeit aus alten Beständen bis zu höherer Wirkung und besserer Trefferquote mit weniger Schüssen. Und Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärt, dass die Ukraine schriftlich versichert habe, die Munition vorsichtig einzusetzen, um keine Zivilisten zu gefährden. Die deutsche Bundesregierung hat Verständnis, laut Regierungssprecher Hebestreit ist sich die Bundesregierung sicher, dass sich „unsere amerikanischen Freunde die Entscheidung nicht leicht gemacht haben“. Moralische Bedenken werden beiseitegeschoben. Jake Sullivan gibt zwar zu, dass die Streumunition eine Gefahr für Zivilisten darstellt, ihr Einsatz aber gerechtfertigt sei, weil eine russische Besatzung noch weit schlimmer wäre. Die Streumunition sei ohnehin lediglich als Brückentechnologie geplant, bis die Industrie wieder mehr normale Geschosse liefern könne. Mögliche Kollateralschäden, wie die Blindgänger-Gefahr euphemistisch genannt wird, haben im Übrigen noch keinen Krieg und keine Kriegspartei behindert.

Zufall oder nicht, fast parallel zur Streumunition berichtet Associated Press, dass die USA die Reste ihrer deklarierten (sic) Chemiewaffen zerstört habe. Die Abrüstung gibt es also doch noch weiter.

Eskalation oder weiter wie seit 500 Tagen?

Die ständig steigende Bewaffnung der Ukraine und ihre weitere Annäherung an EU und NATO geht nicht nur aus russischer Perspektive in Richtung Eskalation des Konflikts, Kommentare aus aller Welt sehen das auch so. Wie viele ähnliche begrenzte Konflikte ist auch der Ukrainekrieg ein Experimentierfeld für das Militär und die Waffenindustrie.  Er gibt Aufschluss über die Wirkung neuer westlicher Waffensysteme im direkten Vergleich mit der militärisch-technischen Kapazität Russlands, die sehr unterschiedlich eingeschätzt wird, aber offenbar, wie die neuesten panzerbrechenden Raketen und die zerstörten Leopard Panzer zeigen, nicht völlig ausgereizt ist, von der nuklearen Bedrohung ohnehin abgesehen. Mit den USA trägt auch die EU zur Eskalation bei. Sie will weitere 500 Millionen € einsetzen, um mehr Munition für die Ukraine und die Auffüllung ihrer eigenen Arsenale zu produzieren. Dazu gehören Subventionen für die heimische Waffenindustrie.

Russland hat seine roten Linien seit langem deutlich formuliert, vor allem die Aufnahme der Ukraine in die NATO und die dann mögliche Stationierung von Raketen an der russischen Grenze, rund 500 km vor Moskau. Präsident Selensky fordert dagegen aggressiv den doppelten Beitritt zur NATO und zur EU, getragen von einer Welle westlicher Solidaritätsbekundungen. Vor dem Gipfeltreffen in Vilnius hält sich Washington noch bedeckt, man wolle erst einmal über die Beitrittskriterien sprechen und wie weit sich die Ukraine dafür qualifiziert.

Die „endlosen Kriege“ in der amerikanischen Diskussion

Die Lieferung und der geplante Einsatz der Streumunition lösen in weiten Teilen der Welt Entsetzen aus. Teile der inneramerikanischen Debatte, vor allem in Militärkreisen und dem außenpolitischen Establishment,  klingen dagegen eher zynisch, wenn man moralische Kriterien überhaupt auf Kriege übertragen will. Allerdings wird in den Medien oft  kontroverser diskutiert als in Deutschland, wo Zweifel an der Ukraine und ihrem Kampf für westliche Werte allzu leicht als prorussische Stellungnahme eingeordnet werden. Ein Beispiel gibt die Zeitung „Foreign Affairs“ am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, mit Isaiah Wilson, einem langgedienten Offizier, Professor und Präsident der Joint Special Operations University und Autor des Buches “Thinking Beyond War: Civil-Military Relations and Why America Fails to Win the Peace”. Wilson kritisiert die Kluft zwischen der Armee und der politischen Führung in Washington sowie die fehlende Langzeitplanung für die Zeit nach einem militärischen Sieg, wenn es um die Stabilisierung eines Friedens gehen soll. Das Maximalziel der Ukraine, alle bis jetzt von Russland besetzten Gebiete zurückzugewinnen, dürfte in diese Kategorie fallen. Die New York Times beklagt am 3. Juli am Beispiel Kubas und des Iran, dass sowohl Trump als auch Biden genau die Feinde herangezüchtet haben, durch die sie die Sicherheit ihres Landes gefährdet sehen. Und in einem Bericht vom 1. Juli wird Richard N. Haass zitiert, der Sicherheitsberater von George H.W. Bush und langjähriger Präsident  des „Council on Foreign Relations“ war. Haass sieht die USA als die größte Bedrohung der globalen Sicherheit und gefährlichste Quelle weltweiter Instabilität durch ihre ungelösten internen Probleme. Im April 2022 schrieb der prominente Kolumnist Paul Krugman, dass die USA mit dem Ukrainekrieg einmal wieder, wie schon 1940 mit der Hilfe für das von Deutschland bedrohte Großbritannien zum „Arsenal der Demokratie“ geworden seien. Der Kampf werde die russischen Aggressoren bestrafen und ein weltweites Fanal für die Freiheit aller Nationen sein. Dass alle Kriegsanstrengungen der USA ein Kampf für die Freiheit seien war im Zweiten Weltkrieg bereits ein wichtiger Teil der internen Propaganda. Nicht nur die Soldaten an der Front, auch die Flugzeugbauer, Munitionsarbeiter und die Zeichner von Kriegsanleihen taten dies für die Freiheit. In den deutschen Medien und Ihren Leserbriefspalten wird ähnlich argumentiert; dass die Ukraine für unsere Freiheit kämpft gilt als unbestreitbar.

Laut Statista waren die größten Unterstützer der Ukraine (in Mrd.€ bis Ende Mai) die USA mit 70,7; Deutschland mit 18; Großbritannien mit 10,7; Frankreich mit 7,5; die Niederlande und Japan mit 6,6; Italien und Polen mit 5,7 Milliarden.

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