Wolfgang Kubicki: Meine persönlichen Freedom Days waren die Tage meiner Coronaimpfungen

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FDP-Vize Kubicki redet im Deutschen Bundestag zur Impfpflicht

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine persönlichen Freedom Days waren die Tage meiner Coronaimpfungen. Ich habe mich bewusst für die Impfung und fürs Boostern entschieden, weil ich der festen Überzeugung war und bin, dass sie mich mit großer Wahrscheinlichkeit vor einem schweren Krankheitsverlauf und vor dem Tod durch Corona bewahren. Es war für mich persönlich ein enorm befreiendes Gefühl. Es ist ein großes Geschenk, dass dieser Impfstoff innerhalb so kurzer Zeit entwickelt wurde und dass ich mich außerdem frei entscheiden konnte, diesen Schritt zu gehen. Ich bin froh und dankbar, in einem Gemeinwesen leben zu können, in dem das möglich ist.

Reden wir heute über die Impfpflicht, müssen wir gleichzeitig darüber sprechen, wie der Staat denjenigen gegenübertritt, die sich bisher gegen eine Impfung entschieden haben. Ich erinnere ausdrücklich daran, dass es noch nicht allzu lange her ist, dass es der ausdrückliche Wille der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses war, den Bürgerinnen und Bürgern selbst die Freiheit zur Entscheidung zu überlassen.

Der Gedanke war grundlegend, dass der staatliche Ein- griff ab einem bestimmten Zeitpunkt enden muss, wenn alle ein Impfangebot erhalten haben, und dann jeder das individuelle Lebensrisiko wieder selbst trägt. Setzt die Mehrheit des Hohen Hauses nun aber trotz aller anders lautenden Beteuerungen zuvor die allgemeine Impfpflicht um, hat das Auswirkungen auf das Menschenbild, das dieses Gemeinwesen aussendet. So mag der Tag der Impfung für all jene, die sich freiwillig hierzu entscheiden, der Freedom Day gewesen sein. Wie aber werden diejenigen den Tag nennen, an dem sie gegen ihren erklärten Willen geimpft wurden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist häufig zu hören, dass eine Impfung vernünftig ist und deshalb die staatliche Verpflichtung ein Gebot der gesellschaftlichen Notwendigkeit sei. Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass eine Impfung vernünftig ist. Trotzdem halte ich die Idee, der Staat lege für alle Bürgerinnen und Bürger fest, was vernünftig ist, zumindest für problematisch.

Die individuellen Gründe, sich nicht impfen zu lassen, können vielfältig sein. Wir machen es uns viel zu einfach, wenn wir erklären, hauptsächlich Coronaleugner und Rechtsradikale entschieden sich gegen die Impfung.  Das ist mitnichten so.

Wir müssen respektieren, dass es durchaus bedenkenswerte psychologische oder religiöse Gründe gibt, eine Impfung für sich persönlich abzulehnen. Wer wären wir, wenn wir diese Gründe im Sinne des Allgemeinschutzes als nicht zulässig erachten würden, insbesondere nachdem wir mittlerweile wissen, dass der Fremdschutz durch eine Impfung kaum mehr gegeben ist.

Auch deshalb fällt es mir schwer, bei der Impfung von einem Akt der Solidarität zu sprechen, wie es viele tun. Weil die Impfung keine sterile Immunität liefert, dient sie zuallererst dem Selbstschutz. Wir tun gut daran, die Impfung nicht durch eine moralische Aufladung zu einer Solidaritätspflicht zu machen. Denn damit würden wir sie zwangsläufig politisieren und Menschen, die persönliche Gründe gegen eine Impfung anführen können, stigmatisieren und zu Parias der Gesellschaft machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Kern geht es heute deshalb auch um den Minderheitenschutz, der durch eine Impfpflicht berührt wird. Ich möchte jeden- falls nicht, dass die Mehrheit für die Minderheit festlegt, was man als vernünftig anzusehen hat und was man nach Mehrheitsmeinung tun muss, um solidarisch zu sein. Denn wenn die Minderheit von der Mehrheit in grund- rechtssensiblen Fragen unter Rückgriff auf eine höhere Moral einfach überstimmt wird, dann können wir nur hoffen, dass wir nie in die Verlegenheit kommen werden, Teil einer Minderheit zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt gute Gründe für die Impfung, die für eine Impfpflicht überzeugen mich nicht. Weder droht ein Kollaps des Gesundheitssystems – bei massiv steigenden Infektionszahlen sinken die Behandlungszahlen auf den Intensivstationen –, noch kann eine Impfpflicht noch etwas zur Bewältigung der Omikron-Welle beitragen.

Einen massiven Grundrechtseingriff mit einer möglichen Mutante im Herbst, die wir noch nicht kennen, und einem Impfstoff, den wir noch nicht haben, zu begründen, sozusagen eine Impfpflicht auf Vorrat, halte ich auch aus rechtlicher Sicht für nicht vertretbar.“

Quelle: Protokolle Bundestag

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