Über das geschichtliche Ereignis der Machtergreifung Hitlers, muss die Frage gestellt werden: Wieso war es möglich, dass dieser Mann, der die Abschaffung der demokratischen, freiheitlichen Verfassung in Deutschland zum Programm erhoben hatte, an die Spitze einer deutschen Regierung gelangen konnte?
Die Aufzählung der Gründe füllt Bibliotheken – doch kaum beachtet wird ein Umstand, der viel einfacher zu erklären ist: Reichskanzler konnte nur werden, wer Deutscher war, und Hitler war Österreicher beziehungsweise staatenlos. Das heißt, hätte man Hitler nicht die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen, wäre Deutschland und der Welt viel Leid erspart geblieben.
Da diese Tatsache kaum Beachtung findet und auch die entsprechende historische Literatur dazu sehr wenig aussagt, sei hier erzählt, wie Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte – ein formaljuristisches Ereignis von enormer historischer Tragweite. Dieser Vorgang sollte heute bei der Diskussion um die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Millionen Migranten beachtet werden.
Voraussetzung für die Übernahme eines Mandats im Reichstag oder in einem Landesparlament war die deutsche Staatsbürgerschaft.
Hitler, der Österreicher, musste also erst einmal eingebürgert werden, bevor er als Abgeordneter oder als Regierungsmitglied politisch handeln konnte. Hitler musste also zunächst aus der österreichischen Staatsbürgerschaft entlassen werden. Im März 1925 reichte er beim österreichischen Generalkonsulat in München einen entsprechenden Antrag ein. „Ich bitte um meine Entlassung aus der österreichischen Staatsbürgerschaft. Gründe: Ich befinde mich seit dem Jahre 1912 in Deutschland, habe nahezu 6 Jahre im deutschen Heere gedient, darunter 4½ Jahre an der Front und beabsichtige nunmehr die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben.“ Bereits am 30. April 1925 wurde dieser von der österreichischen Regierung genehmigt. Die NSDAP-Zeitung berichtete mit folgenden Sätzen: „Auf Hitlers Ersuchen ist dieser nunmehr aus dem österreichischen Staatsverband entlassen worden. Somit ist Hitler heute staatenlos.“
Als Staatenlosem waren Hitler aber genauso alle politischen Ämter verwehrt wie als Österreicher. Er musste sich deshalb bemühen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Doch hier gab es Probleme, denn nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 konnte ein entsprechender Antrag abgelehnt werden, wenn das Wohl des Landes oder des Reiches gefährdet werde.
Die agitatorische Tätigkeit Hitlers, sein Umsturzversuch im Jahr 1923 ließen Zweifel an seiner demokratischen, rechtsstaatlichen Gesinnung aufkommen, wie das Protokoll des bayerischen Ministerrats, der über die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Hitler am 21.12.1929 zu befinden hatte, berichtet: „Ministerpräsident Dr. Held ist der Auffassung, dass die im Jahre 1924 erfolgte Verurteilung Hitlers wegen Hochverrats eine positive Stellungnahme zu einem etwaigen Einbürgerungsgesuch unmöglich erscheinen lasse. Staatsminister Gürtler weist darauf hin, dass das etwaige Einbürgerungsgesuch Hitlers den Regierungen der übrigen deutschen Länder zugeleitet werden müsse. Bei der Durchführung des Umfrageverfahrens sei sicher mit dem Widerstand anderer Länder zu rechnen, so dass es nicht zur Einbürgerung kommen werde.“
Damit war Hitler der übliche Weg der Einbürgerung verwehrt. Doch es gab noch die Möglichkeit, die der § 14 des entsprechenden Gesetzes bot: Einbürgerung war möglich durch Anstellung im Reichsdienst, im Staatsdienst eines Landes, im Dienst einer Gemeinde. Hitler musste sich also umschauen, wer ihm einen solchen Job verschaffen konnte. Zu dieser Zeit stellte seine Partei bereits Minister in mehreren deutschen Teilstaaten. Vergeblich versuchte er sechsmal in den Besitz eines deutschen Passes zu kommen. Sechs weitere Male versuchte er, in den Besitz des deutschen Passes zu kommen.
Der Versuch des der NSDAP zugehörigen Innenministers von Thüringen, Frick, Hitler im Jahr 1930 als Gendarmeriekommissar von Hildburghausen einzustellen, scheiterte aus heute nicht mehr klar ersichtlichen Gründen. Die Zeitung „Tempo“ meinte dazu am 3. Februar: „Seit gestern lacht Europa über Adolf Hitler“. Das „Berliner Tageblatt schrieb“ „Die Witzblätter der ganzen Welt sind für geraume Zeit mit Stoff versorgt“. Dann schlug der Ministerpräsident des Landes Braunschweig,vor, Hitler zum Bürgermeister von Stadtoldendorf, ein kleines Dorf im Freistaat, zu ernennen. Das Unterfangen scheiterte aufgrund der Weigerung einiger Landtagsparteien.
Daraufhin versuchte der Innenminister des Landes Braunschweig, Klagges, ebenfalls ein Parteifreund Hitlers, diesem eine Stelle eines Hochschullehrers zu verschaffen.
Goebbels, der spätere Propagandaminister des Dritten Reiches, schreibt am 4.2.1932 in sein Tagebuch: „Es ist geplant, den Führer zum außerordentlichen Professor an der Technischen Hochschule in Braunschweig zu ernennen“. Zeitungen der Nationalsozialisten befürworteten die kritischen Kommentare u.a. mit dem Hinweis: „… Was ist das für ein Staat, der einen verdienten Frontkämpfer des 1. Weltkrieges die Staatsangehörigkeit vorenthält”?
Klagges bemühte sich für Hitler um eine Planstelle an der Hochschule: „Die Studenten der Technischen Hochschule Braunschweig sollen Gelegenheit erhalten, im Rahmen der Hochschule über die Grundfragen der Nationalpolitik, die über die künftige Schicksalsgestaltung unseres Volkes entscheidet, zu unterrichten. Daher beabsichtige ich seit längerer Zeit eine Persönlichkeit, die sich theoretisch und in einer führenden politischen Aufgabe bewährt hat, an die hiesige Technische Hochschule zu berufen und ihr einen Lehrauftrag für Organische Gesellschaftslehre und Politik zu erteilen.“ Er beurteilt Hitlers Qualifikation dahingehend: „Da Herr Hitler nicht nur als Führer einer großen politischen
Volksbewegung, sondern ebenfalls durch sein grundsätzliches politisches Werk „Mein Kampf“ als wissenschaftlicher Schriftsteller hervorgetreten ist, würde ich die Verwirklichung dieser Möglichkeit lebhaft begrüßen.“ Den deutschen Hochschulprofessoren blieb es erspart, den „Wissenschaftler“ Hitler ,als Kollegen begrüßen zu müssen, denn Klagges fand für sein Vorhaben nicht die Zustimmung seiner Kabinettskollegen, die der deutschnationalen Volkspartei, der Deutschen Volkspartei und der Volksnationalen Reichsvereinigung angehörten. Allerdings blieb man nicht lange standhaft. Der Abgeordnete der Deutschnationalen Volkspartei, Wessel, hatte die für Deutschland so verhängnisvolle Idee, Hitler zum Regierungsrat in der Vertretung Braunschweig in Berlin zu ernennen. Dieser Vorschlag wurde dann aus zweierlei Gründen gebilligt. Hitler brauchte nicht in das Land Braunschweig zu reisen, denn dies war der Regierung nicht recht, da man Unruhen der Linksparteien befürchtete. Da man außerdem plante, die Landesvertretung aus finanziellen Gründen bald aufzugeben, war man Hitler bald wieder los. So dachte man jedenfalls. Hitler erhielt am 25. 2. 1932 folgendes Telegramm:
„Das Braunschweigische Staatsministerium hat beschlossen, Sie mit Wirkung vom heutigen Tage im Braunschweigischen Staatsdienste unter Ernennung zum Regierungsangestellten anzustellen und Sie zugleich mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Sachbearbeiters bei der Braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin zu beauftragen.“ Die Ernennungsurkunde kam mit gleicher Post, die Hitler beantwortete: „Ernennungsurkunde erhalten, nehme an. Adolf Hitler.“ Den Eid, den er als Beamter zu leisten hatte, sprach Hitler am 26. 2. 1932 im Gesandtschaftsgebäude in Berlin, Lützow-Straße11: „Ich schwöre Treue der Reichs- und Landesverfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten.“
Hitler war am Ziel. Er hatte in seiner Eigenschaft als Landesbediensteter gleichzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Nur zwei Tage nach seiner Vereidigung, am 28. Februar 1932, beantragte Hitler Urlaub, um am Wahlkampf zur Reichspräsidentenwahl teilnehmen zu können. Hitler scheiterte, da die Sozialdemokraten die erneute Wahl des amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg unterstützten, doch ein halbes Jahr später wurde der „Führer“ mit den Stimmen der Liberalen und Nationalen Sozialisten zum Kanzler des Deutschen Reiches gewählt.