Das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern ist vorwiegend ländlich geprägt. Die Industrie, vor allem Schiffbau und Fischerei, kämpfen ums Überleben. Die Arbeitslosigkeit zählt mit 9 Prozent immer noch zu den höchsten in Deutschland. Dass sie zuletzt etwas zurückgegangen ist, liegt zum großen Teil daran, dass immer noch viele junge Leute das Land verlassen, weil sie in den 25 Jahren seit der Wende dort keine Arbeit finden konnten.
Insgesamt hat Mecklenburg-Vorpommern seit der „Wiedervereinigung“ etwa 300.000 Einwohner verloren. Zurückgeblieben sind absterbende Dörfer und Kleinstädte mit einer überalterten Bevölkerung. Die meisten Arbeitsplätze – vor allem im Sommer – bietet der Tourismus. Sie sind überwiegend schlecht bezahlt. Obwohl laut Umfragen die Arbeitslosigkeit für 38 Prozent der Wähler das wichtigste Thema ist, spielt sie im Wahlkampf der Parteien kaum eine Rolle.
Bei den letzten Umfragen lag die SPD mit 28 Prozent in Führung. Bei der letzten Wahl hatten die Sozialdemokraten, die mit Erwin Sellering den Ministerpräsidenten stellen, noch 35,6 Prozent der Stimmen erhalten.
„Volksparteien“ rücken nach rechts
Die derzeit regierenden Parteien SPD und CDU haben die Abwehr von Flüchtlingen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt. Die Konzentration des Wahlkampfs auf die Flüchtlingspolitik ist umso bemerkenswerter, als in dem schwach besiedelten Land nur wenige Flüchtlinge leben und viele es so schnell wie möglich wieder verlassen. Der Deutschlandfunk beziffert die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern lebenden Flüchtlinge mit 11.000. Das entspricht etwa einem halben Prozent der Gesamtbevölkerung von 1,6 Millionen Menschen.
Diese Kampagne gegen Flüchtlinge dient vielmehr dazu, die Wut über Armut und sozialen Niedergang und die Abstiegsängste von Mittelschichten in rechte Kanäle zu lenken. Vor allem der CDU-Spitzenkandidat und amtierende Innenminister Lorenz Caffier (CDU) schürt die Stimmung gegen Flüchtlinge. Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern bisher keine vollverschleierten Frauen gesichtet wurden, wirbt er öffentlich für ein Burka-Verbot. Seine Äußerung: „Man hat das Gefühl, Mekka liegt mitten in Deutschland“, rechtfertigte er mit den Worten: „Ich glaube, dass wir zu gewissen Zeiten gewisse Bildsprachen verwenden. Und insofern habe ich dem da nichts weiter hinzuzufügen.“ Der sicherheitspolitische Sprecher CDU-Landtagsfraktion, Michael Silkeit, wirbt auf einem Flyer mit den einstürzenden Türmen des World Trade Centers von New York. CDU-Landeschef Caffier scheint einer Zusammenarbeit mit der AfD nicht abgeneigt zu sein. Er sagte, sie sei nur „konsequenter und patriotischer“ als die CDU.
Auch SPD-Spitzenkandidat Erwin Sellering setzt auf die Karte der Flüchtlingshetze. In einem Interview mit Spiegel online griff er die Bundeskanzlerin von rechts an. Angela Merkel habe „vergangenen Herbst den Eindruck erweckt, als müssten wir unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, und gleichzeitig so getan, als sei jeder, der Bedenken äußerte, entweder rechtsextrem oder ein Dummkopf“. Die Aufnahme von Geflüchteten habe „zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt“. Außerdem stellte Sellering fest: „Es geht nicht, jeden, der Kritik äußert, in die AfD-Ecke zu stellen. Das verhindert, dass wir uns ernsthaft mit berechtigter Kritik auseinandersetzen.“
Hetze der AfD gegen Flüchtlinge
Die AfD setzt auch ganz offen auf die rassistische Karte auf die verbreitete Wut über die etablierten Parteien. Der Spitzenkandidat der AfD, der ehemalige Radiomoderator Leif-Erik Holm, klopft Sprüche wie: „Die Angst vor der Überfremdung und dem Verlust der deutschen Identität ist nicht irrational, sondern durch Zahlen belegt. Ich persönlich fühle diese Angst, dass wir Deutschen eines Tages kulturell untergehen könnten, so wie es in manchen Stadtteilen schon passiert ist.“ Holger Arppe, der Rostocker AfD-Kandidat, wurde 2015 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte in einem Internetforum einen menschenverachtenden Kommentar gegen Muslime gepostet.
Die AfD verlangt einen sofortigen Stopp der Einwanderung und der Aufnahme von Flüchtlingen. Ergänzt wird dies durch Forderungen wie: Familien soll es besser gehen, mehr Kinder, mehr Sicherheit, mehr Polizei. Die AfD ist außerdem gegen Windkraft und leugnet den Klimawandel.
Unterstützung für die AfD durch die NPD
Viele Vertreter der neonazistischen NPD unterstützen inzwischen die AfD. Die Partei hat zugunsten der AfD sogar auf eigene Direktkandidaten verzichtet. Vor fünf Jahren war die NPD noch auf 6 Prozent der Stimmen gekommen und mit einer eigenen Fraktion in den Landtag eingezogen.
Udo Pastörs, NPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, bedankt sich im Wahlkampf bei einer älteren Frau dafür, dass sie sich die Wiederauferstehung Adolf Hitlers wünscht – diesen Eindruck bekam man durch die kurze Video-Vorschau, die die ARD-Sendung Panorama am Donnerstagmorgen auf Facebook verbreitet hatte.
In dem Videoschnipsel spricht Pastörs mit der Frau zunächst über „Schwarzafrikaner, die mit ihrem Rauschgift die deutsche Jugend verseuchen“. Daraufhin antwortet die Frau: „Deswegen sage ich immer noch öfters: Adolf, steh auf! Du hast lange genug geschlafen. Dass hier endlich mal Ordnung herrscht.“ Daraufhin werden Bild und Ton überlagert, es ist zu lesen: „Und was sagt Udo Pastörs von der NPD dazu?“
Dann läuft das Video weiter und Pastörs sagt: „Ich bedanke mich bei Ihnen vielmals. Das sage ich Ihnen ganz offiziell. Gehen Sie hin, machen Sie ihr Kreuz. Zweistimme NPD. Dann brauchen Sie sich, Sie sind so ungefähr im Alter meiner Mutter, nicht vorzuwerfen, Sie hätten es nicht noch versucht.“ An dieser Stelle endet der Clip. Von der Äußerung der alten Dame distanziert sich Pastörs nicht.
Pastörs, der am 24. August 64 wird, gilt als eine Schlüsselfigur der NPD. Seit ihrem Landtagseinzug 2006 führt er die Fraktion der Neonazis und stieg vorübergehend zum NPD-Bundesvorsitzenden auf. Nach parteiinternem Streit hat er auf Bundesebene keine Führungsämter mehr.
Rechtspopulismus in der Linkspartei
Die Linkspartei liegt in den Umfragen inzwischen bei 13 Prozent, 5 Prozent weniger als bei der letzten Wahl.Der Flüchtlingshetze tritt sie nicht energisch entgegen. Ihr Spitzenkandidat, Helmut Holter, sagte in einem Zeit-Interview über den Aufstieg der AfD: „Die AfD wird nicht nur wegen der Flüchtlinge gewählt, sondern wegen des Frusts und der Wut. Das geht auf die Sozialreformen der Agenda 2010 zurück, auf die Griechenland-Rettung. Viele verstehen hier nicht, dass dafür Geld da ist, für ihre Anliegen aber nicht.“
Auf Bundesebene gibt es innerhalb der Linkspartei seit langem einen rechtspopulistischen Politikansatz, der vor allem mit den Namen Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine verbunden ist. Wenige Tage, nachdem die Große Koalition beschlossen hat, das Asylrecht weiter zu verschärfen, forderte Oskar Lafontaine, die Zahl der Flüchtlinge, denen in der BRD Schutz gewährt wird, durch „feste Kontingente in Europa zu begrenzen und dafür den hier Aufgenommen zu ermöglichen, ihre Ehepartner und Kinder nach zu holen“. In rechtspopulistischer Manier behauptete er, „ein stetig ansteigender Zuzug“ hätte „zwangsläufig zur Folge, dass der Nachzug von Familienmitgliedern begrenzt werden müsste. (…) Eine entsprechende klare Aussage der Bundeskanzlerin Angela Merkel fehlt bisher. Nach Auffassung führender Politiker in Europa ist sie daher mittlerweile mit verantwortlich für die stetig ansteigenden Flüchtlingszahlen und das Erstarken rechter Parteien in Europa.“
Lafontaine startete auch den Versuch, ärmere Deutsche gegen Flüchtlinge auszuspielen: „Die Kosten dürfen nicht diejenigen tragen, die ohnehin schon benachteiligt sind, nämlich die Geringverdiener, Arbeitslosen, Rentner und Familien.“
Sarah Wagenknecht bekräftigte die Aussagen Lafontaines zu „europäischen Kontingenten“ in der Flüchtlingspolitik. In einem Interview am 7. Dezember 2015 stellte sie fest: „Wir können nicht jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen. Deshalb muss Deutschland viel mehr dafür tun, dass nicht mehr so viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die Kriege sind ja die Fluchtursache Nummer eins.“ Weiterhin versuchte sie Teile der Wähler der Linkspartei, die mit den Forderungen von Pegida sympathisieren, vom Vorwurf des Rassismus freizusprechen: „Ich halte es genauso für falsch, jeden, der Probleme anspricht, die wir infolge der Flüchtlingskrise haben, oder der sich Sorgen macht wegen steigender Mieten oder Kürzungen an anderer Stelle, in die Pegida-Ecke zu stellen.“
Erosion der politischen Kultur
Unabhängig vom Wahlergebnis ist schon jetzt der Schaden für die politische Kultur nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern sichtbar. Das Anbiedern von demokratischen Parteien an die Parolen von neonazistischen (NPD) oder deutschnationalen Rattenfängern (AfD) mit fließender Verbindung zum extrem rechten Spektrum, um diese mundtot zu machen, hat noch niemals funktioniert. Die Bevölkerung wählt wahrscheinlich lieber das Original. Rechtssein gehört also schon zur politischen Alltagskultur, die Folgen dieser Entwicklung werden – wie immer- Nichtdeutsche und Flüchtlinge zu spüren bekommen. Dieses Spiel mit dem Feuer kann auch tödlich enden, wie die Zahlen der neonazistisch motivierten Morde nach der Wende eindeutig zeigen.
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