In dem über lange Zeit umstrittenen „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“, das der couragierte Wiener Bürgermeister Helmuth Zilk an einem stark frequentierten Ort Wiens zwischen Staatsoper und Albertina errichten ließ und 1988 enthüllte , wird u.a. ein „kniender und strassenwaschender Jude“ dargestellt.
Ein kniender, den Boden mit einer Zahnbürste reinigender Mensch ist auch in der ersten Radierung des Zyklus „Wie ein Totentanz“ zu sehen , den der Autor des Mahnmals, der in Österreich geborene Bildhauer und Graphiker Alfred Hrdlicka (1928-2009) 1974 innerhalb von nur drei Monaten meisterhaft schuf. Die Szene spielt sich in diesem Falle am Hofe des „aufgeklärten“ Königs Friedrich den Großen, der bei einer Inspektion einen wenig sorgfältigen Soldaten auf diese Weise bestrafen lässt. Dies vor den Augen seines entsetzen Gastes Giacomo Casanova, der kurz danach angewidert Preußen verlässt. Das gleiche Thema zieht sich durch den gesamten Zyklus und wird somit zum Leitmotiv des erschütternden Werkes, das das NS-Dokumentationszentrum bis zum 27. August 2107 als Sonderausstellung präsentiert. Demütigung von Untergebenen und später von Bürgern, die plötzlich und ohne Grund zu Unmenschen deklariert werden, entpuppt sich als erste Form einer Gewalt, die stets an Grausamkeit hinzugewinnt. Gewalt durchleuchtet in ihren unterschiedlichen Facetten, in ihren Ursachen und in ihren Folgen zugleich mit den Mitteln einer radikalen Kunst, die sich auf höchstem Niveau ausdrückt. Im Fokus der mit unterschiedlichen druckgraphischen Techniken realisierten Arbeit, in der sich Hrdlicka an seinem Lehrmeister Goya orientiert, stehen die Ereignisse vom 20. Juli. 1944, nämlich der gescheiterte Versuch von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Hitler mit einem Sprengsatz zu beseitigen und somit das Kriegsende zu beschleunigen. Eine recht späte Initiative, die – hätte sie Erfolg gehabt – sicherlich einen Einfluss auf den Kurs der Geschichte genommen hätte und deutsche Schuld in den Augen der Siegermächte in etwa hätte relativieren können. Hrdlickas polemischer, anklägerischer Blick schlägt aber entschieden eine andere Richtung ein. In den Offizieren, die sich am versuchten Putsch beteiligten, erkennt er nicht unbedingt heldenhafte Gestalten, sondern eher pflichtbewusste Militaristen, die sich vor der Niederlage, vor der bedingungslosen Kapitulation eines grausamen Regimes und somit ihrer eigenen Nation fürchten und notgedrungen beschließen, endlich zu reagieren. Ohne „Stauffenbergs Tat schmälern“ und das „schreckliche Schicksal seiner Mitverschwörer verharmlosen“ zu wollen, hält es Hrdicka rückblickend fast für das Beste, dass „der totale Militarismus einen totalen Krieg ohne Alibi einer Dolchstoßlegende bis zum bitteren durchfechten musste“. Und gegen den Militarismus richten sich seine feurigen Strahlen, seine tiefe Abneigung gegen Faschismen jeder Ausrichtung, eine Wut, die sich in drastischen und sogar karikaturhaften Darstellungen niederschlägt. Die Wut entspringt gewiss seiner eigenen Biografie, als Sohn eines Vaters, der häufig wegen seiner Ideen interniert wurde, und als solcher jede Art von Machtmissbrauch, Zucht und Männlichkeitskult physisch verabscheut. Frontal nimmt er insbesondere den preußischen Militarismus schon zur Zeit von Friedrich dem Großen ins Visier und macht ihn verantwortlich, selbst für die Taten anderer Formen von Gewaltherrschaft wie beispielsweise jene der chilenischen Militärjunta Anfang der Siebziger Jahre. Die 53 Radierungen des namhaften Künstlers, der zunächst Malerei bei Albert Paris Gütersloh und später Bildhauerei bei Fritz Wotruba in Wien studierte, erzählen auf großformatigen Blättern und mit eigenen Kommentaren von Geschehnissen voller Brutalität, wie die Hinrichtung einzelner Verschwörer, die an Fleischerhaken gehängt wurden. Die Ausstellung, die im Willy-Brandt-Haus in Berlin bereits gezeigt wurde, ist eine posthume Würdigung eines äußerst talentierten, mutigen Kunstschaffenden, der wegen seiner unbeugsamem Haltung und radikalen Suche nach Wahrheit auch in der Nachkriegszeit mit Ablehnung und Anfeindung konfrontiert wurde. Der Zyklus, der sich auch gegenüber der gängigen Erinnerungskultur kritisch positioniert, ist eine Warnung vor der verführerischen Anziehungskraft „falscher Leitbilder“, die angesichts wachsender nationaler Populismen von hoher Aktualität bleibt.
Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog mit Texten von Winfried Nerdinger, Dietrich Schubert und Johannes Tuchel erschienen Am 03.07.2017 findet das Kammerkonzert mit Lesung „Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen“ vom Ensemble Opus 45. www.ns-dokuzentrum-muenchen.de
Bildnachweis: Museum Morsbroich, Leverkusen.
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