In Anbetracht der doch wohl gravierenderen Übel in der Welt scheint die Causa Guttenberg wie ein zuhöchst inszeniertes und dazu noch wie ein zuhöchst sekundäres Problem – sieht man auf die derzeitige Weltlage mit ihrem Leid und Tod. All diese Themen waren zwei Wochen fast ausgeblendet, wären nicht Libyen und der wirre Gaddafi dazwischengekommen. Aber auch der Aufstand in Libyen wirkte gegenüber dem Fall Guttenberg wie ein angehängtes Ereignis der Weltgeschichte.
Die Causa Guttenberg war nicht das Thema des sogenannten kleinen Mannes, der gar nicht die Zeit hatte, sich über das Phänomen Guttenberg zu mokieren, weil ihm selbst der Doktortitel so fremd wie eine Reise zum Mond ist, sondern es war die mal mehr, mal weniger gebildete Journalie, allen voran natürlich die findigsten und engagiertesten Jakobiner und Robersspiereanhänger, die diesmal Köpfe rollen sehen wollten. Der kleine Mann hält auch nach dem Fall des Ministers zumindest in Umfragen (85 Prozent) zum Freiherrn. Doch das politische Feuilleton hat gesiegt und kann sich genüßlich zurücklehnen – die Causa Guttenberg ist vorerst erledigt.
Was an dieser so bemerkenswert in den letzten Wochen schien, war der Ingrimm, die Boshaftigkeit und Häme mit der der Verteidigungsminister nach allen Regeln der Kunst bloßgestellt wurde. So ein Engagement in einer Sache hatte es lange nicht in der deutschen Öffentlichkeit gegeben, auch die Inbrunst mit der die politisch-korrekten Entscheidungsträger und Gutmenschen letztendlich zum Autodafé schritten, hatte selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel überrascht.
Sicherlich, Guttenberg hat geirrt und betrogen – nur die Form und das Ausmaß wie dies nun gemessen wird, erschreckt dann doch. Auch der Ton der Häme, der oft das Niveau von Pennälern kaum erreicht hatte, wirft letztendlich auch einen Blick auf unsere neue und schöne Medienwelt. Ist das Urteil gefällt, geht es nur noch um einen raschen Urteilsvollzug, Hauptsache mit viel Lärm und Getöse.
Das viele der Urteilenden es selbst nicht recht mit der Wahrheit halten, ist dabei völlig egal, ist das Opfer erst einmal ausgemacht und eingekreist. Und auch im persönlichen Umfeld werden Stimmen laut, die mit Unlauterkeit Karriere gemacht haben. Zu schnell wird allemal vergessen, daß, wer ohne Sünde ist, den ersten Stein werfen soll (Johannes 8,1-11; Römer 3,23.24). Aber wer ist das schon? Auch die, die das Wort Verzeihen im Munde führen, viel darüber schreiben und sich als Gutmenschen par excellence ausgeben, sind letztendlich die allerschlimmsten Vernichter und fordern rigorose Bestrafung. Etwas hat die Sache Guttenberg in aller Nachdrücklichkeit gezeigt: Ein Fehler wird um keinen Preis verziehen, vielmehr umgekehrt zeigt sich das Tribunal der Gerechten als eine Klasse, vor der man wirklich Angst haben muß, die, so ist es noch nicht, letztendlich vielleicht irgendwann auch physische Gewalt fordern wird. Diesmal war es nicht das Volk, das wie im alten Rom über Gedeih und Verderben entschied, sondern die politische Klasse und ihre feuilletonistischen Kampfhunde, die gezeigt haben welche Kraft in ihnen steckt.
Und Guttenberg wird sich wie der Candide von Voltaire vorkommen, der zwar nicht aus einem Schloß vertrieben wurde, wohl aber um ein Stück weit um sein Selbstbild korrigiert worden ist. Auch ihm wird das Autodafé wie die Vertreibung aus dem Paradies vorkommen und seinem Optimismus von der besten aller möglichen Welten à la Leibniz einen Dolchstoß verpaßt haben. Auch er, der sein Traumland El Dorado verlassen hat, wird ein Reisender werden, der unruhig wandernd die nächsten Jahre an einem möglichen Comeback arbeiten wird, doch bis dahin wird es ihm vielleicht wie Candide ergehen, der vom Schicksal auf die merkwürdigsten Pfade geführt wird. Und wie Candide wird er vorsichtiger und selbstkritischer werden – eine Entwicklung, die dem Persönlichkeitsprofil des immer selbstzentrierten Guttenbergs wohl auch nicht schaden kann, denn die Schuld an seinem Schicksal kann er nur noch an sich selbst delegieren. Und bevor er wieder einen Kommandanten der Gorch Fock absetzen kann, ohne dessen Schuld nachzuweisen, wird er vielleicht zu der bescheidenen Ansicht kommen – ganz wie einst Voltaires Candide – daß man zuerst seinen eigenen Garten pflegen muß („Il faut cultiver notre jardin“).
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