Wer ist eigentlich Annegret Kramp-Karrenbauer?

Annegret Kramp-Karrenbauer, Foto: Peter Kerkrath

Es gibt in Deutschland Politiker, die spürt man kaum. Sie sind die leisen Regenten, die im Hintergrund die Fäden ziehen und große Politik betreiben. Zu dieser Gattung Mensch zählt die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Der Name ist ein wenig sperrig, doch die Person, die dahintersteht, ist aus der bundesdeutschen Politikszene nicht mehr wegzudenken. Während viele Politiker fast sklavisch nach medialer Aufmerksamkeit gieren und sich geschickt in jeder Medienwelle inszenieren, pflegt man im Saarland eine gewisse Bescheidenheit. Die Zeiten, in denen der rote Oskar Lafontaine das Land pompös und in absolutistischer Manier regierte, sind passé.

Die weise Regentin

Vom Populismus eines Lafontaine ist die derzeitige amtierende Ministerpräsidentin des zweikleinsten Bundeslandes, Kramp-Karenbauer, denkbar weit entfernt. Während Lafontaine in der Opposition weiter Politik mit dem Hammer betreibt und poltert, regiert die studierte Rechts- und Politikwissenschaftlerin ihr Land mit geradezu weiblicher Vorausschau und weiser Hand, ja mit viel Geschick und dem nötigen Gespür für Bodenhaftung. Kramp-Karrenbauer ist eine Politikerin vom alten Schlag, die ihre Hausaufgaben macht, die bei sachpolitischen Themen sattelfest ist und dem gesunden Menschenverstand folgt. Derzeit hat sie ihrem Land eine rigide Sparpolitik verordnet. Kramp-Karrenbauer ist uneitel und pragmatisch, eine junge Angela Merkel – nur eben westdeutsch sozialisiert und darüber hinaus einen konservativ-katholischen Milieu entstammend. Vom Lärm, Selbstinszenierungswahn und einem damit verbundenen Herrschaftskult wie in Bayern hält sie wenig.

„Wahlkampf bei allen Windverhältnissen“

Lange Zeit war die Ministerpräsidentin aus dem beschaulichen Völklingen eine Art Mauerblümchen am Rande der Republik. Ihr fehlte die Stahlkraft einer Julia Klöckner. Die Medien hatten sie kaum auf dem Schirm, für die höheren Weihen war sie zu unsichtbar und zu bescheiden. Und für die Berliner Republik war sie ein graues und unbeschriebenes Blatt. Kramp-Karrenbauer ist der Typ von Frau, der immer unterschätzt wird, hier Merkel nicht unähnlich. Doch Kramp-Karrenbauer kann auch anders – auch gegen Merkel, sie ist mutiger als die Kanzlerin, hat mehr Chupze. Spätestens 2012 war ihre Stunde gekommen und ihr Name in aller Munde. Gegen Merkels Rat hatte sie die Jamaika-Koalition an der Saar mit einem Federstrich aufgelöst und gegen eine Große Koalition ersetzt. Und die Nachfolgerin von Peter Müller ist seitdem aus der CDU nicht mehr wegzudenken. Kramp-Karrenbauer macht „Wahlkampf bei allen Windverhältnissen“.

Die Netzwerkerin

2016 wurde sie als Merkel-Nachfolgerin und als neue Bundespräsidentin gehandelt. In ihrer Partei gilt sie als einflussreich und als gute Netzwerkerin. Sie genießt das höchste Vertrauen der Kanzlerin, die ihre politischen Tugenden schätzt, ihre Zielstrebigkeit und Gelassenheit. Kramp-Karrenbauer zählt zum linken, progressiven Flügel ihrer Partei und kann sich auf den Arbeitnehmerflügel verlassen. Das macht sie auch für SPD und Grüne wählbar. Darüberhinaus genießt sie eine hohe Reputation in der Frauen-Union und unter den deutschen Katholiken. Seit Jahren ist sie Mitglied des Zentralkomitees und setzt sich dort verstärkt für eine Lockerung des Zölibates, für die Weihung weiblicher Diakone und für die Verteidigung der klassischen Ehe ein. Dafür musste sie sich den Vorwurf von SPD und Grünen gefallen lassen, dass sie Homo-Ehe mit Inzest und Polygamie vergleiche. Doch Kramp-Karrenbauer ist weder homophob oder gar reaktionär. Eine Ehe für alle geht ihr aber deutlich zu weit.

Die Vita von AKK, wie sie auch genannt wird, liest sich wie eine zielstrebige Karriereplanung: mit 19 Jahren CDU-Mitglied, später Stadträtin, mit 36 Jahren Bundestagsabgeordnete, dann Landtagsmitglied und Ministerin. Dabei hatte sie ihre Karriere keineswegs geplant. Hebamme oder Lehrerin waren damals die Alternativen. Doch nach dem Marsch durch die politischen Institutionen, von der Lokal- in die Landespolitik, blickt das politische Talent auf eine traumhafte Karriere zurück, gekrönt mit dem Amt der Ministerpräsidentin 2011.

Die Getreue der Kanzlerin

Beim Poker um das mögliche Kanzleramt ist Kramp-Karrenbauer eine weitere Prinzessin im Karussell, mit der mit der zu rechnen ist. Das mussten auch Kronprinzessinnen wie Ursula von der Leyen oder Julia Klöckner mittlerweile anerkennen. Und das weiß auch die Kanzlerin, die sich der Loyalität Kramp-Karrenbauers sicher ist. Die Saarländerin hielt Merkel in der Flüchtlingskrise unverbrüchlich die Treue hielt, bezeichnete Sigmar Gabriels Kritik an Merkel Flüchtlingspolitik als perfide und attackierte den bayerischen Ministerpräsident und dessen notorischen Verbalattacken gegen Berlin. Statt destruktivem Dissens klagt Kramp-Karrenbauer mehr Harmonie von der Schwester ein, die „CSU ist eine Partei, die gerne mal lautere Töne anschlägt“, bemerkt sie lakonisch.

Fair-Play als Kerntugend

Kramp-Karrenbauer ist eine Fair-Play-Spielerin, es geht ihr um das Ganze, um die Geschlossenheit der Großen Koalition. Was 2017 auf dem Spiel steht, ist ihr bewusst, denn es geht um nichts anderes als um die Zukunft ihrer Union, um das Erbe der Adenauer-Partei. Eine Niederlage würde die „erhebliche Schwächung sowohl der CDU als auch der CSU“ nach sich ziehen.

Deshalb gibt sich Kramp-Karrenbauer mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 und der anstehenden Landtagswahl am 26. März im Saarland besonders kämpferisch. Ihr Credo glasklar: eine rot-rot-grüne Bundesregierung muss mit allen Mitteln verhindert werden. „Wir müssen als CDU/CSU darum kämpfen, so stark zu werden, dass Rot-Rot-Grün keine Option ist.“ „Bei der Bundestagswahl geht es um eine Richtungsentscheidung. Die Alternative lautet Rot-Rot-Grün – mit erheblichen Folgen nicht nur für die Sicherheits-, sondern auch für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.“ Und: „Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es ernsthafte Bemühungen, eine rot-rot-grüne Bundesregierung zu bilden. Dies müssen wir verhindern, sonst werden CDU und CSU ihrer historischen Verantwortung nicht gerecht.“

Rot-Rot-Grün und AfD sind keine Alternativen

Weder Rot-Rot-Grün noch der AfD traut die Saarländerin zu, konstruktive und tragfähige Vorschläge für die Zukunft Deutschlands zu machen. Doch im Kampf gegen eine nach oben aufstrebende AfD rät die Ministerpräsidentin zu mehr Gelassenheit. In einem Interview mit der „WAZ“ betont sie: „Ich rate dazu, mit der AfD umzugehen wie mit jeder anderen Partei auch. Sie ist in ihren Forderungen populistisch, aber das ist nichts Neues. Bei uns im Saarland gibt es die Linkspartei mit Oskar Lafontaine an der Spitze, da kennt man sich mit Populismus aus. Manche Forderungen von AfD und Linkspartei sind sich auch verblüffend ähnlich.“ Den populistischen Drive der Petry-Partei gelte es nicht zu imitieren, sondern als populistisches Gedankengut zu entlarven, so Kramp-Karrenbauer.

Schicksalsjahr 2017?

Dieses Jahr geht es politisch um das Ganze. Nicht nur die Wahl des Bundespräsidenten und die Bundestagswahl steht vor der Tür – auch in drei Landtagen wird gewählt. Die Chefin der saarländischen CDU regiert derzeit in einer stabilen Großen Koalition und will diese auch in die nächste Legislaturperiode retten. Zwar sei diese „kein Allheilmittel“, aber sie bedeutet auch nicht „den Untergang der Demokratie.“ Kramp-Karrenbauer sieht das dann auch ganz pragmatisch, denn „Bündnisse zwischen Union und SPD machen Sinn, wenn es gelingt, sich auf große Projekte zu verständigen.“

Laut Umfragen liegt die CDU derzeit bei 37 Prozent, die SPD bei 26, die LINKE kommt 15, die Grünen auf 6 Prozent. Eine rot-rot-grüne Koalition wäre demnach rechnerisch möglich und die Linke im Westen Deutschlands damit koalitionsfähig. Oskar Lafontaine, der als Spitzenkandidat wieder in die Schlacht zieht und derzeit auf Kuschelkurs mit der SPD und Sigmar Gabriel ist, wird alles dafür tun, um ein Linksbündnis durchzupeitschen.

Kramp-Karrenbauer, die in der Flüchtlingspolitik hinter der Bundeskanzlerin steht, setzt im Wahlkampf nicht auf Hysterie, Angst ist ein schlechter Stimmungsmacher. Aber das Thema Sicherheit steht an der Saar mit an erster Stelle. Kramp-Karrenbauer geht es um die „Zukunftsfähigkeit“ des Landes, um ein stabiles Wirtschaftswachstum, um eine solide Finanzierung des Hochschuletats, um eine Entspannung am Arbeitsmarkt sowie um die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Digitalisierung und Elektromobilität. „Deutschland muss an der Spitze des Wandels stehen,“ so ihre Maxime.

Bei der Maut wird sie der CSU keine Zugeständnisse machen. Hier fordert sie Sonderregelungen und Ausnahmen. Davon wird es „abhängen, ob das Saarland die Pkw-Maut unterstützt.“ Es wäre nicht das erste Mal, dass sie kritisch mit der Seehofer-Partei ins Gericht geht. Bei der Maut wie bei der Flüchtlingsfrage gilt: „Erst aufklären, dann sachlich diskutieren und erst am Ende, falls erforderlich, Gesetze ändern.“

Die Wahl im Saarland wird das erste Stimmungsbarometer für die Merkel-CDU im Superwahljahr. Gewinnt Kramp-Karrenbauer wird sie weiter als Angela Merkels Nachfolgerin gehandelt. Verliert sie, wird die CDU einen weiteren Ministerpräsident verlieren. Dann stellte die Partei nur noch drei (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen) von 16 Ministerpräsidenten.

Am 20. Januar verleiht die Ministerpräsidentin des Saarlandes Reinhard Kardinal Marx den „Freiheitspreis der Medien“ in Rottach-Egern. Der Preis wird von der WEIMER MEDIA GROUP und den Verlegern Frau Goetz-Weimer und Dr. Wolfram Weimer verliehen.

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2155 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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