Eine gespannte Erwartung des Besuchs von Benedikt XVI. will in Deutschland nicht aufkommen – schon gar nicht jetzt, wo ein Bundesland nach dem anderen in die faule Ferienzeit hineingleitet. Da gab es lange Zeit keine Klarheit, wo die Bundeskanzlerin den Gast empfangen soll. Die Zahl der zu erwartenden Teilnehmer beim Gottesdienst in Berlin klettert langsam nach oben. Hier eine Stimme, dort eine Stimme, was man sich vom Papst erwartet oder wünscht. Aber die große
Mehrheit der Deutschen hat derzeit wohl andere Sorgen (oder Freuden). Dabei wird es vielleicht das letzte Mal sein, dass Benedikt seine Landsleute aufsucht.
Doch wenn es dann soweit ist, wird es vielen wieder einfallen, dass es ausgerechnet das Land Luthers ist, und das Land, das zur Zeit des jungen Joseph Ratzinger den schlimmsten Eroberungskrieg aller Zeiten führte, das nun wieder den Nachfolger Petri stellen darf. Bevor das alles im kommenden Heft zu thematisieren ist, soll diese Ausgabe ganz grundsätzlich fragen, wer denn eigentlich dieser Petrus ist, um den sich in Rom so vieles dreht – und über dessen Grab man die größte Basilika der Welt errichtet hat. Für die „Welt“ ist der Papst ein Medienereignis, eine – wenn es gut geht – „moralische Autorität“. Wenn es schlecht geht, ein Relikt aus vormodernen Zeiten. Sicherlich hat der Vatikan ein großes Interesse daran, den Papst vor den Augen der Öffentlichkeit gut dastehen zu lassen. Aber Benedikt XVI. weiß auch, dass er sich im Letzten nicht vor der Welt zu verantworten hat. Der inzwischen 84 Jahre alte Pontifex folgt schon längst nicht mehr dem öffentlichen Druck. Er geht seinen Weg – aus gutem Grund. Denn das ist ein Grundgesetz, nennen wir es einmal „das Gesetz der Gleichschaltung“: Bischöfe oder Kirchenverantwortliche, die zu sehr auf die Medien, die Öffentlichkeit, die Politik und die Resonanz der Meinungsführer schauen, verwandeln sich in das, was diese haben wollen. Wer gut ankommen will, verhält sich am Ende so, wie die Lautesten und die Macht dieser Welt es sich wünschen. Davon ist Papst Benedikt Lichtjahre entfernt.
Die katholische Kirche in Deutschland steckt in einer Krise, und es kommt nicht das „Medienereignis Papst“ zu ihr, sondern Petrus, dessen Aufgabe es ist, seine Brüder im Glauben zu stärken. Die Kirche in Deutschland nach den beschämenden Erfahrungen der Missbrauchskrise wieder aufzurichten, heißt, ihren Glauben zu erneuern, einen Glauben, der sich nicht nach Meinungsumfragen und gesellschaftlichen Trends richtet, sondern in der Inkarnation, in den Geschehnissen zur Zeit Jesu und der Apostel seinen festen Grund hat. Ein fester Grund, ein Felsen: Petrus erinnert daran, dass sich gläubige Katholiken nicht im Durchzug irgendwelcher religiöser Ideen bewegen, die besonders spirituelle Denker je nach Laune und Erfordernissen der Zeit auch „umdenken“ könnten, sondern in einem Strom der Geschichte, die begann, als sich Gott seinem Volk offenbarte und schließlich seinen Sohn, den Erlöser, schickte. Zu einer ganz bestimmten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort, wo es dann der Fischer Simon war, der das erste öffentliche Bekenntnis zum Messias, zu Gottes Sohn ablegte.
Das ist die erste Aufgabe des Petrus – und es wird auch die erste Aufgabe Papst Benedikts in Deutschland sein. Schlimm wäre es, wenn der Papst darin von seinen eigenen Leuten nicht verstanden würde. Das wäre dann ein Armutszeugnis vor einer Öffentlichkeit, die derzeit alles Kirchliche mir Argusaugen betrachtet. Stattdessen ist zu hoffen, dass die deutschen Katholiken mit ihrem Papst, mit Petrus, ein gemeinsames Zeugnis dafür ablegen, worauf sie ihre Hoffnung setzen. Denn das war schon zu Zeiten des heiligen Petrus klar: Nicht der Mensch, nicht sein Wille und seine Kraft bringen das Heil, sondern nur der, der den Tod überwunden hat und die Seinen nie mehr verlässt.
Guido Horst ist Chefredakteur des „Vatican-Magazin“ (www.vatican-magazin.de)
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