Am 10. November 2010 lasen die Traunsteiner in ihrem Tagblatt meine enthusiastische Kritik der damals neuen Nationaltheater-Produktion von Antonin Dvoraks Märchenoper „Rusalka“, einstudiert und dirigiert von Tomas Hanus, inszeniert vom „Resi“-Hausherrn Martin Kusej. 7 Jahre sind seither verstrichen, „Rusalka“ alterte nicht. Bei ihrem erneuten Auftauchen im Staatsopernspielplan – mit Blick auf die Münchner Opernfestspiele 2017 – gewann sie, im Gegenteil, wesentlich hinzu, vor allem in musikalischer Hinsicht. Kristin Opolais, 38-jährige Inhaberin der Titelpartie, nahm ihren Ehemann Andris Nelsons mit, und beide feierten einen Triumph ihres eklatanten künstlerischen Könnens: sie als intensive, die innere Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der sich nach menschlicher Liebe verzehrenden – und daran zugrunde gehenden – Wasserjungfrau bis zum Äußersten in Gesang und Gestik kleidend, er als feinfühlender Durchleuchter der berückenden Partitur des großen böhmischen Spätromantikers, das Bayerische Staatsorchester zu einer Sternstunde seines Ausdrucks- und instrumentalen Gestaltungsvermögens führend.
An der Premieren-Besetzung von 2010 änderte sich einiges. Statt Klaus Florian Vogt sang Dmytro Popov – sehr angenehm und glaubwürdig – den Prinzen, als Jezibaba war nicht mehr Janina Baechle, sondern Helena Zubanovich am Werk (das sie mit Hintergründigkeit und Verschlagenheit versah), und von den ursprünglichen drei Waldnymphen blieb, gottlob, Evgeniya Sotnikova, die im 3. Akt die traurigen Töne der in die Isolation geschickten „Schwestern“ herzzerreißend schön anstimmte. Die Freude war groß, als Wassermann erneut dem derzeit angesagtesten Bassisten, Günther Groissböck, zu begegnen, der dieser Rolle in ihrer ganzen Abgefeimtheit und düsteren Schwärze einen nachhaltig wirkenden Charakter aufdrückte. Schauer jagten dem Zuhörer seine „Wehe-, Wehe!“-Rufe, auch noch die aus dem Off, über den Rücken. Inzwischen ist Groissböck nicht nur „der“ Wassermann, sondern auch „der“ Ochs von Lerchenau schlechthin – und gerade rüstet er sich für seinen Pogner in Barrie Koskys Bayreuther „Meistersingern“.
Von der alten Meinung über die (auch heute nicht unumstrittene) Kusej-„Lesart“ der grandiosen Münchner „Rusalka“ wird nichts zurückgenommen: Über allem liegt noch immer „eine Spannung, die Kusej, der Könner und tiefgründige Interpret, bis zum Zerreißen hält. Bei den Menschen findet Rusalka weder Liebe noch Halt. Dumm und widerlich pfauenhaft aufgeputzt zeigt sie Kusej in Gestalt des Staatsopernchors und ergänzt ihn mit einem Androgynen-Ballett ganz in Hochzeitsweiß, vorgeführt mit einem gehäuteten Reh im Arm, das am Ende des furiosen Tanzes auszunehmen ist. Die klinische Kälte (Ende 3. Akt) … spielt in einem Grau ohne Gras und Grün: Totenreich. Es machte frösteln, sängen da nicht mit Rusalka allerliebste Weißhemdchen himmlische Dvorak-Lieder. Der im 1. Akt von der unglücklichen Nixe beschworene `liebe Mond`, der als Kugelleuchte, die zu Boden fiel, zerschellte, breitete sein fahles Licht über das frösteln machende Geschehen …“
Zu den Münchner Opernfestspielen (24. Juni bis 31. Juli, die auch „Rusalka“ im Programm haben) ist ein opulentes „Max Joseph“-Magazin erschienen: 236 stark bebilderte, großartig getextete Seiten. Ein Ausschnitt daraus (Foto) kann als Suchbild dienen: Wo sind die beiden wichtigsten „Rusalka“-Mitwirkenden? Verraten sei nur dies: Beide sind aus Lettland und sind verheiratet.
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