Matthäus 6,13: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen.
Dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium ist einer der bedeutendsten, wenn nicht der bedeutendste des Christentums, denn er ist Teil des „Vaterunser“. Daraus lässt sich schließen, dass für die Religion der Christen das Böse real existiert oder zumindest früher real existent gewesen ist.
Wer oder was ist das Böse? Welcher Christ ist jemals dem Bösen begegnet und hat es erkannt? Viele Menschen sind vom Bösen überzeugt, ohne es jemals angetroffen zu haben. Für viele Christen ist das Böse weiterhin der Jude, denn das Böse muss vernichtet werden und überlebt dennoch.
Die Worte der Überschrift soll ein sächsischer AfD-Landtagsabgeordneter ausgesprochen haben. Da für viele Bundesbürger die AfD das Böse ist, zumindest politisch korrekt sein soll, ist es angebracht, sich mit dem gesprochenen Satz auseinander zu setzen. Der Fragende in der Überschrift verdient nicht unser Interesse.
Zunächst müssen wir klären, ob es sich bei der Frage um eine rhetorische oder um eine nicht-rhetorische Frage handelt. Die Antwort auf eine rhetorische Frage steht von vorneherein fest, die Antwort auf eine nicht-rhetorische Frage ist offen. Rhetorische Fragen dienen und führen gewöhnlich zu keinem Erkenntnisgewinn, weshalb sie gerne von Politkern und Verkäufern unnützer und überteuerter Dinge gebraucht werden. Nur in der Philosophie genießen rhetorische Fragen einen wichtigen Platz.
Gehen wir zunächst davon aus, dass es sich bei der Frage der Überschrift um keine rhetorische Frage handelt.
Wer nicht den Ablauf der Geschehnisse in Halle (Saale) am Jom Kippur 5780 (09.10.2019) kennt, wird die Frage nicht beantworten können. Wer die Umstände des Todes der beiden Nichtjuden kennt, wird ehrlicherweise antworten, dass der Tod beider deutscher Nichtjuden auf dem erfolglosen Angriff auf Juden – dargestellt als beschädigte Synagogentür – beruht. Der Mörder rächt sich an zwei zufälligen Nichtjuden, da es ihm nicht gelingt, Juden zu morden. Hätte die Synagogentür den dilettantischen Zerstörungsversuchen des Mörders nicht standgehalten, dann hätte der Mörder ausreichend Juden in der Synagoge morden können und hätte wahrscheinlich die beiden zufälligen Nichtjuden in Ruhe gelassen – oder auch nicht. Kein Mensch ist in der Lage, vor dem Ereignis zu wissen, dass das Ereignis nicht passieren wird.
Zudem kennen wir nicht die exakte Zahlen der deutschen Juden, der deutschen Nichtjuden, der nichtdeutschen Juden und der nichtdeutschen Nichtjuden, die sich zur Tatzeit in der Synagoge aufhalten. Wenn der Mörder erfolgreich mit der Zerstörung der Tür gewesen wäre, um in die Synagoge einzudringen, dann wäre die Synagogentür ebenfalls beschädigt gewesen. Die beschädigte Synagogentür ist somit unabhängig von der Zahl der toten Juden.
Da zudem nicht bekannt ist, wie viele der in der Synagoge Betenden deutsche Staatsbürger gewesen sind, besteht der zwingender Schluss, dass es sich wegen dem zweiten Teil der Überschriftfrage (… oder zwei getötete Deutsche?) insgesamt um eine rhetorische Frage handelt, die, da ein Politiker sie stellt, zudem sinnlos sein wird.
Die Sinnlosigkeit bezieht sich jedoch nur auf den Versuch der Beantwortung der Frage, nicht auf politische Überlegungen, die sich hinter der Frage verstecken. Die versteckten Überlegungen können wir nur erahnen. Wir dürfen annehmen, dass sie der AfD-Parteilinie nicht widersprechen.
Doch dieser Artikel dient nicht dazu, der AfD eine Lösung ihrer Personalprobleme zu liefern.
Dafür an dieser Stelle die Erklärung, welche Bewandtnis eine Synagogentür im Judentum hat, die den Mörder von seinem bösen Tun abgehalten hat.
Hätte die Synagogentür den Mörder nicht davon abgehalten, die Synagoge am Jom Kippur zu betreten, so wären sehr viele Juden gestorben oder schwer verletzt worden. Doch die Synagogentür hat standgehalten und ihre Aufgabe ausgezeichnet erfüllt. Die Aufgabe einer Synagogentür besteht im Schutz der Juden und der Nichtjuden, die sich in der Synagoge befinden.
Mesusa. An jedem Türpfosten eines Raumes, wo Juden wohnen, arbeiten oder beten, hängt eine Kapsel aus Holz oder Metall, genannt „Mesusa“. In dieser Kapsel befinden sich verschiedene winzige Schriftrollen aus der Thora, die das Gebot der Mesusa erklären. Die Mesusa ist ein göttlicher Türhüter, der die Juden beschützen soll. Der Türhüter heißt deshalb „Shomer Dlatot Jisrael“, was übersetzt „Hüter der Tore Israels“ bedeutet, dessen Akronym eines der Namen Gottes ist.
Somit hat die Mesusa am Jom Kippur dafür gesorgt, dass auch ohne Polizei keinem Betendem ein Leid zugefügt worden ist. Warum Gott die toten und verletzten Nichtjuden in Halle außerhalb der Synagoge zugelassen hat, weiß ich nicht zu beantworten. Für die Juden ist der misslungene Anschlag auf sie ein Wunder, welches nach Ende des Jom Kippur gefeiert worden ist.
Somit wird für viele Christen das Böse weiterhin der Jude samt ihres Hüters der Tore Israels sein.