Was Goethe und Schiller an der englischen Gartenkunst missfiel

Goethe, die Gartenkunst und die übergeordneten Gattungen

Die Kunst ist „lange bildend, eh’ sie schön ist, und doch so wahre, große Kunst, ja oft wahrer und größer als die schöne. Denn in dem Menschen ist eine bildende Natur, die gleich sich tätig beweist […].“[1] Diese Maxime aus Goethes Aufsatz Von deutscher Baukunst aus dem Jahre 1772 steht für einen Kunstbegriff, der hier bereits zu einer Zeit formuliert wird, in der Goethe noch im Bann des Sturm und Drang steht, der aber schon auf seinen späteren Klassizismus vorbereitet.
Bereits sechs Jahre später wird er im vierten Akt seines Triumph(s) der Empfindsamkeit eine erste kritische Sicht an der englischen Gartenkunst und ihren „Spielereien“ formulieren – im Hintergrund dabei der distanzierte Blick auf das wirkungsästhetische Paradigma der Gartenkunst.[2] Goethes Kritik an der jungen aufstrebenden Gattung, die zu diesem Zeitpunkt durch eine Vielzahl ästhetischer Schriften von Autoritäten wie Christian Cay Lorenz Hirschfeld, Gottlob Heinrich von Rapp, Johann Christian August Grohmann und Wilhelm Gottlieb Becker den Legitimierungsversuch unternimmt einen festen Platz innerhalb der Gattungshierarchie zu erlangen, zeigt, dass sich Goethe schon vor seiner Italienreise, den Versuch einer Einordnung der Gartenkunst in die Hierarchie der „Bildenden Künste“ und die damit einhergehende Nobilitierung als Primärgattung ver-sagt.
Dem korrespondiert, dass der Frankfurter Jurist nie den Versuch unternommen hat, die Gattung der Gartenkunst theoretisch zu legitimieren. Wenngleich sie im dichterischen Werk immer wieder eine bedeutende Rolle spielt, bleiben es die „etablierten“ Kunstgattungen, die sein ästhetisches und naturphilosophisches Interesse wecken.
Weshalb, so ließe sich fragen, hat Goethe die Gartenkunst aus seiner Theorie ausgeklammert? Der Grund für diese Absage ist nicht das Resultat seiner praktischen Beschäftigung mit der Gartenkunst – mit der englischen „Gartenrevolution“ war er eingehend vertraut, ab 1776 verstand er sich selbst sogar als Gartengestalter –, sondern ist in seiner Gehaltsästhetik zu suchen.
Die schwärmerische Verklärung, die der junge Goethe bei Besuchen englischer Gartenanlagen äußert, weicht schnell der Kritik, denn in der Idealisierung einer Landschaft, die ihre Schönheit nicht durch sich selbst, sondern durch künstliche Überformung erlangt, sieht er eine schlechte Nachahmung. Bereits hier resümiert er, dass sich die Natur nicht verschönern lässt, wenn man nicht in ihr innerstes Organon eindringt. Unter Natur versteht Goethe daher nicht mehr das Material, das dem Gartengestalter vorgegeben ist, sondern eine Kraft, die sich selbst erschafft – mitsamt ihren immanenten Wirk- und Zweckprinzipien. Damit ist eine Gartengestaltung durch Nachahmung – im Sinne einer schlechten Mimesis – zumindest aus der Sicht dieser Naturvorstellung unmöglich. Der Naturbegriff des jungen Goethe wird durch seine frühen Landschaftserfahrungen und das Erlebnis der undomestizierten Natur noch verstärkt. Jetzt ist es das ewig schaffende Gesetz der Natur, das ihn fasziniert und ihm den willkürlichen Gartengestaltungen entfremdet. Nach den Schweizreisen bleibt die Feststellung, dass man überall mit Monumenten und Urnen spielt. Die ideale Landschaft ist die Natur selbst, und die wahre Kunst muss ein Gesetz aufweisen, einen objektiven Geltungsanspruch, der sich in all ihren Produktionen zeigt und mit dem sie sich vom Naturschönen abhebt. Regulative Ästhetik wird so zum Ideal, von dem alle Kunst ihren Ausgang zu nehmen hat.
Goethe selbst weiß, dass „er nicht in die friedliche Zeit von Hirschfeld und andren Gartenfreunden gekommen sey, wo ein tiefer Friede den Menschen Mittel und Muße gab, mit ihrer Umgebung zu spielen“,[3] und er unterstreicht dies auch mit seinem kritischen Befund der zeitgenössischen Kunst. Im Rückblick auf die Kunstausstellung von 1803 kritisiert er den allgemeinen Hang zum „Sentimental = Unbedeutenden und zum Platt = Natürlichen“.[4] Der Versuch, durch Preisaufgaben den Künstler zu einer sorgfältigen Auswahl günstiger Gegenstände zu führen, korrespondiert mit der kurz zuvor erschienenen Einleitung in die Propyläen. Hier formuliert Goethe allgemeine Kunstmaximen. Neben der größten „Einfachheit“ und „Ökonomie der Darstellung“ kommen als ästhetische Kategorien die „Notwendigkeit“, das „Schickliche“, die Hervorbringung eines „geistige Organischen“ und „Wesentlichen“ oder „Charakteristischen“, die „Kunstwahrheit“ und die „Erfindung“ zum Tragen. Diese Suche nach dem allgemein Verbindlich-Charakteristischen führt erst dort zu einer gelungenen Behandlung des Stoffs, wo das „Wichtigste“ und „Bedeutende“ dargestellt und in seiner Besonderheit berücksichtigt wird. „Echte Kunst“ hat einen „idealen Ursprung und eine ideale Richtung“; sie hat ein reales Fundament, ist aber nicht realistisch.
Wo die Idee fehlt, wie in der Gartenkunst und in der „neu = deutsche(n)“ und „religiös = patriotische(n)“ Kunst, da ist es auch mit der Kunst nicht weit her. Eine Kunst, die sich auf Neigung, Sentimentalität und blinde Religiosität reduziert, führt zwar zu religiöser Begeisterung, nicht aber zu den Gesetzen der Kunst.
Die Aufgabe aller wahrhaften Kunst beschreibt Goethe als ein Vorgehen vom „Formlosen zur Gestalt überzugehen“.[5] Dieser Versuch wird spätestens nach der Italienreise zum zentralen Denk- und Leitmotiv. Doch nach Arkadien, dies weiß er gemeinsam mit Schiller, kann die Kunst nicht mehr zurück, der Weg in die Antike bleibt verstellt, die Differenz zur Welt der Alten unüberwindbar.
Diese Differenzerfahrung war es dann auch, die Goethe seinen Studien zur Bildenden Kunst voranstellte, um nach jenen Prämissen zu suchen, an die sich zeitgenössische Künstler anlehnen könnten. Das Ziel jeder Kunst, so die Kunstmaxime, muss es sein, von der sinnlich faßbaren Natur ausgehend, ein Werk hervorzubringen, „das, indem es das sinnliche Anschauen befriedigt, den Geist in seine höchsten Regionen erhebt“,[6] denn wer nicht rein zu den „Sinnen“ spricht, der spricht auch nicht rein zum Gemüt. Diejenige Kunst, die dies vermag, steht dann innerhalb der Gattungshierarchie dem Rang nach höher.
Für Goethe ist es die Landschaftsmalerei. Sie siedelt innerhalb der gattungsspezifischen Verortung über der Gartenkunst und der Architektur, aber unter der Plastik oder Bildhauerei. Während die Gartenkunst lediglich zur „Naturwirklichkeit“ strebt, gelangt die Malerei zum „höchsten Gipfel“. Wahrhafte Kunst bleibt, im Gegensatz zur regellosen Willkür der Gartenkunst, an „Grundsätze“ verwiesen.[7]
Das Geniale einer Kunst besteht demgemäß darin, das unmittelbar Wahrgenommene so abzubilden, dass es dem Original entspricht und dennoch Ausdruck dessen ist, was der Künstler als allgemein-kategoriale Bestimmung mit dazugibt. Dies heißt nichts anderes, als die Gegenstände so darzustellen, dass der Gegenstand dabei zugleich idealisiert wird. Während der Gartenkünstler für den Schein arbeitet, operiert der Landschaftsmaler gemäß der „Erfindung“.
Die von Goethe immer wieder formulierte Kritik an der Regellosigkeit des Dilettantismus und damit an der Gartenkunst unterstreicht er in Über strenge Urtheile, denn dem Dilettanten fehlt es an festen Grundsätzen und der strengen Anwendung derselben, das Produkt dieser Künstler bleibt eine „Nullität“. Schon hier wird deutlich, dass innerhalb der Gattungsspezifik die Gartenkunst für Goethe nicht, wie einst bei Hirschfeld, in den Adelsrang erhoben werden kann. Diesen Legitimierungsversuch zu führen, ist aus der Sicht der Gehaltsästhetik absurd. Letztendlich bleibt die Gartenkunst eine, die auf halben Weg siedelt.
In der zweiten Schrift zur Architektur, der Baukunst von 1795, nobilitiert Goethe diese, sofern sie mit „Zwecken“ oder nach denselben arbeitet, wobei der höchste Zweck die Darstellung des „Sinnlich-Harmonischen“ sei. Sie ist demnach keine bloß nachahmende Kunst, sondern eine schöpferische Tätigkeit, die sich am bestimmten Begriff der Schönheit abarbeitet. 1823 wendet sich Goethe in Von deutscher Baukunst erneut der Thematik zu. Hier spricht der reife Goethe, der nach Proportion und Regel sucht – doch weiterhin gilt: Fehlt der Kunst die Regel, siedelt sie qualitativ auf einer niederen Stufe.
Intensiver als mit der Frage nach der Architektur hat sich Goethe mit der Gattung der Landschaftsmalerei beschäftigt. 1813 ist der Adressat einer erneuten Auseinandersetzung der holländische Maler Jacob van Ruysdael (1628–1682). Die heroische Landschaftsmalerei Ruysdaels begreift er im strengen Sinn als Landschaftsdichtung – Ruysdael als Dichter. Was die Landschaftsmalerei auszeichnet, ist die Anwendung der Kategorie der „Erfindung“, durch die sich das Objektive der Kunst, ihr Begriff, ausspricht. Im „Punkt“, wo Produktionskraft und Verstand zusammentreffen, zeigt sich die produktive Kraft der „Erfindung“, ihr eigentliches Moment, das für die Synthese von Natur- und Kunstschönheit, für die Vereinigung von objektiver Darstellung und subjektivem Erleben steht. Was an Ruysdael fasziniert, ist, dass dieser eine „vollkommene Symbolik“ erreicht, die die Gesundheit des äußeren und inneren Sinnes befriedigt.[8]
Im Gespräch mit Eckermann am 18. April 1827 greift Goethe seine Prinzipien wahrhafter Kunst am Beispiel Rubens wieder auf und verdeutlicht sein Kunstideal.[9] Gerade in Rubens zeigt sich die Kategorie der „Erfindung“ in reiner Form, wenn er über die reale Landschaft hinausgeht, als freier Geist über der Natur steht und diese seinen höheren Zwecken gemäß gestaltet. Diese Distanznahme zur Natur und der Versuch, diese Differenz zu überwinden, machen seine Genialität aus.
Diejenige Kunst aber, die Goethe an die Spitze der Hierarchie der Künste stellt, ist die Plastik, denn eine Marmorbüste ist mehr als alles Architektonische wert. Es ist die Laokoon-Gruppe, die für Goethe zum Ideal der plastischen Kunst, ja, zum Lehrgebäude der Bildhauerei überhaupt wird, weil sie alle kategorialen Bestimmtheiten der Ästhetik in Vollkommenheit repräsentiert. Hier sind nicht nur die Grundsätze der Kunst miteinander vereint, sondern auch das Anmutige und das Schöne, das Sinnliche und das Geistige. Und was sie darüber hinausgehend über alle Künste stellt, ist das Moment der Entzeitlichung und geschichtlichen Personifizierung. Der bewusste Verzicht auf allegorische Verweise macht die Gruppe für Goethe zu keinem geschichtlichen Werk, sondern zu einer „tragischen Idylle“. Hier zeigt die griechische Kunst nochmals ihre ästhetischen Paradigmen, orientiert sie sich doch am Nächsten, Wahren und Wirklichen. Der Mensch und das Menschliche werden am „werthesten“ geachtet und dargestellt.

Friedrich Schiller, die Kritik an der Gartenkunst und die Schaubühne

Geschichtlich gesehen siedeln die ästhetischen Schriften Friedrich Schillers in einer Zeit, in der die Gartenkunst ihre Vorrangstellung innerhalb der Hierarchie der Künste bereits verloren hatte, die große Revolution als „liberaler Weltentwurf“[10] war vorbei. Trotzdem greift Schiller noch einmal in die Debatte ein, wenn er nach dem Stellenwert der Gattung fragt.
Er, der in seiner Jenaer Zeit selbst Gartenbesitzer war, hat sich nicht so intensiv – wie Hirschfeld, Rapp, Grohmann und andere – mit der Gartenkunst beschäftigt, aber auch er hat unter anderem in der mit Goethe und Meyer herausgegebenen Schrift Über den Dilettantismus zur neuen Mode Stellung bezogen. Während, so das Diktum Schillers, der Künstler sich „selbst Gesetze“ auferlegt, folgt der Dilettant der Mode der Zeit. Er orientiert sich nicht an objektiven Kunstgesetzen, sondern lediglich an den Wirkungen der Kunst auf das empfindsame Subjekt. Statt auf das Gesetz der Kunst zu rekurrieren, das subjektiver und dennoch allgemeinverbindlicher (objektiver) Natur sein sollte, partizipiert der Dilettant nur an der letzten Wirkung „aller poetischen Organisation“, ohne „den Aufwand der ganzen Kunst“[11] selbst vorauszusetzen. Was den Dilettanten fehlt, ist die Architektonik im höchsten Sinne.
In seiner Rezension im Journal Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795 wird Schiller dann die lange Abhängigkeit der Gartenkunst von der Architektur kritisieren, das „steife Joch mathematischer Formen“, unter die alles gepresst wird.[12] Anstelle des barocken Weltbildes mittels der mathematischen Methode more geometrico setzt Schiller seine Idee vom Organischen und distanziert sich zugleich von französischen Gestaltungsprinzipien, die der der Natur immanenten Freiheit widersprechen. Einem Garten, der die Natur determiniert, kann er nichts abgewinnen, denn zu sehr verlangt Schiller nach dem Ideal der Freiheit und nach der Einbettung derselben in die sinnliche Wirklichkeit.
Vor diesem Hintergrund erweist sich sowohl die rein französische als auch die rein englisch-sentimentalische Gartengestaltung in ihrer Einseitigkeit als ungenügend. Denn: Entweder überwiegt – wie im französischen Barockgarten – ein Gestaltungselement, das von der Idee reiner Notwendigkeit und damit von einer radikalen Vorherbestimmtheit ausgeht, oder es herrscht ein Gestaltungsprinzip – wie im englischen Garten – vor, dem es an jeder Formbestimmtheit fehlt.
Für Schiller folgt die englische Gartengestaltung nicht den Regularien des Verstandes, sondern endet in der Formlosigkeit, wenn sie von einer formellen Ordnung als Kompositionsprinzip abrückt und nur der reinen Assoziations- und Einbildungskraft Spielraum verschafft. Eine rein nachahmende Rekonstruktion, ein reines Nachbuchstabieren der Natur lässt sich zwar mit der Idee des Naiven vereinen, genügt jedoch nicht dem Anspruch des sentimentalischen Künstlers. Die naive Kunst – die nach der verlorenen Idylle sucht und diese im sentimentalisch-englischen Garten zu finden glaubt – geht von einem Ideal aus, das die Einheit von Natur, Mensch und Kunst anstrebt. Diese Suche entspricht aber nun nicht mehr dem ästhetischen Diktum der von Schiller so genannten „sentimentalen“ Kunst. Während diese modern ist und mit der reinen Gefühlsästhetik bricht, ist die sentimentalisch-englische Gartenkunst antiquiert. Daraus folgt für Schiller, dass die Gartenkunst im Kanon der Künste an einer untergeordneten Stelle zu verorten sei.
Einerseits sieht Schiller zwischen Gartenkunst und Architektur Parallelen, da „die Gartenkunst unter Einer Kategorie mit der Baukunst stehet“,[13] andererseits moniert er, dass die Übertragung von Architekturstilen auf die Gartenkunst dieser geschadet habe. Zwar entsprechen beide Künste „in ihrem ersten Ursprunge einem physischen Bedürfnis, welches zunächst ihre Formen bestimmt, bis das entwickelte Schönheitsgefühl auf Freiheit dieser Formen drang und zugleich mit dem Verstande der Geschmack seine Forderungen machte“,[14] er betont aber zugleich, dass es nur der sinnliche Gestaltungsaspekt war, der die Künstler zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik bewogen hat. Schiller ist der festen Überzeugung, dass schöne Kunst, auch die Gartenkunst, nur möglich wird, wenn sich Sinnlichkeit und sittliches Ideal miteinander vereinigen. Eine sensualistische Wirkungsästhetik sowie eine rein vernünftige Begründung des Schönen, wie sie Christian Wolff, Alexander Gottlieb Baumgarten und Johann Georg Sulzer vor Augen haben, lehnt Schiller daher ab, da das Wesen der Kunst auf ein synthetisches Ereignis zurückgeht, das den Dualismus von Sinnlichkeit und Sittlichkeit zwar voraussetzt, diesen aber zu überwinden sucht. Kunst lässt sich nicht auf Nachahmung reduzieren, da es die Aufgabe der Kunst sei, über „die formale Ähnlichkeit des Materialverschiedenen“ hinauszugehen – im bloß „Nachgeahmten“ verdrängt der Stoff den Inhalt.[15]
Der Mensch des 18. und des 19. Jahrhunderts kann nicht, wie einst der Gartenkünstler glaubte, von einer synthetischen Einheit zwischen Sinnlichkeit und Sittlichkeit ausgehen, sondern muss versuchen, diese Synthese allererst neu zu stiften. Die Realisierung dieser Aufgabe schreibt Schiller aber nicht mehr der Gartenkunst zu, sondern der idyllischen Dichtkunst, der es allein gelingt, die Entfremdung des Menschen von sich und von der Natur aufzuheben, indem sie die „Hirtenunschuld auch in den Subjekten der Kultur“ darstellt und so nicht zurück nach Arkadien, sondern nach Elysium führt. Für Schiller verbietet sich damit der Rückzug in die geschichtlich-arkadische Welt der Antike, weil man diese Idylle (naive Kunst) überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann.
Auch Schiller wird wie Goethe die Landschaftsmalerei über die Gartenkunst stellen. Beiden Künsten ermangelt es an Inhalt oder Gehalt, denn dieser wird in ihnen nicht zugrunde gelegt, sondern diesen aufzusuchen, überlassen sie dem Betrachter, der dann nichts aus der Kunst lernt, für den diese bloß angenehm ist, weil sie anstatt zum Propädeutikum zu werden, nur das Gemüt und nicht die Vernunft affiziert.
Aus Sicht des Gehaltsästhetikers kann die Landschaftsmalerei vor dem Richterstuhl der ästhetischen Vernunft und des regulierenden Verstandes nicht genügen. Der Gattung, der Schiller letztendlich ein Prä einräumt, ist aber keine der „Bildenden Kunst“, sondern eine der darstellenden Kunst – die „Schaubühne“.
Der Schaubühne als moralischer Anstalt ist es nicht nur möglich, Sinnlichkeit und produktive Einbildungskraft zu beflügeln, die unteren Begehrungsvermögen, sondern sie vermag auch das Moment der Glückseligkeit beim Zuschauer hervorzurufen. Zu dieser Glückseligkeit hinzuführen bleibt für Schiller der höchste Zweck aller Kunst. Glückseligkeit und Glückswürdigkeit – sie auf eine Einheit, auf die kantische Einheit hinzuführen, ist die ausgezeichnete Aufgabe der Schaubühne, sie vermag die beiden Herzen in des Menschen Brust in einen „mittleren Zustand“ zu vereinigen. Damit steht die Schaubühne als „Schule der praktischen Weisheit“ – neben Dichtung und Lyrik – über allen Gattungen der „Bildenden Kunst“.

[1] Johann Wolfgang von Goethe: Hamburger Ausgabe in 14 Bde., hg. von Erich Trunz. München 1998, hier Bd. 12, S. 12.
[2] Vgl. Stefan Groß: Die Weimarer Klassik und die Gartenkunst. Über den Gattungsdiskurs und die „Bildenden Künste“ in den theoretischen Schriften von Goethe, Schiller und Krause. Frankfurt am Main/Berlin 2009.
[3] Goethes Werke, hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. ND Weimar 1999, Abgekürzt: WA III, 13, S. 10.
[4] WA I, 48, S. 65.
[5] WA I, 49, S. 20.
[6] WA I, 47, S. 21.
[7] WA I, 47, S. 21.
[8] WA I, 48, S. 168.
[9] Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Hg. v. Adolf Bartels, Bd. 2, Jena 4-60001905, S. 308.
[10] Vgl. Adrian von Buttlar: Der englische Landsitz 1715–1760. Symbol eines liberalen Weltentwurfs. Mittenwald 1982; ders.: Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. Köln 1989.
[11] Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Johann Heinrich Meyer: Über den Dilettantismus, in: Goethes Werke, Sanssouci-Ausgabe, Bd. 10, Potsdam 1925, S. 203.
[12] Friedrich Schiller: Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795, in: Schillers Werke, hg. von Julius Petersen und Hermann Schneider. Vermischte Schriften, Bd. 12. Weimar 1958, S. 285.
[13] Schiller 1958, S. 287.
[14] Ebd.
[15] Friedrich Schiller: Kallias oder über die Schönheit, Fragmente aus dem Briefwechsel zwischen Schiller und Körner, hg. v. K. L. Berghahn, Stuttgart 1999, S. 58.

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2159 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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