Ein Großteil derer, die sich im Laufe der Jahrzehnte festgelegt haben, die Atomenergie abzulehnen, kennen die ursprünglichen Bedingungen nicht, unter denen ein Atomausstieg diskutiert wurde. Das Grundlagenwerk der Energiewende des Öko-Instituts von 1980 („Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“) sah einen Atomausstieg vor, indem man insbesondere auf die vorhandenen Kohlekraftwerks-Kapazitäten verwies. Zahlreiche darauffolgende Studien sicherten ebenfalls stets ab, dass die verbleibenden Kraftwerke Versorgungssicherheit und Wohlstand weiterhin gerantieren würden. Später sollten an die Stelle von Kohlekraftwerken verstärkt Langzeitspeicher (z.B. Wasserstoff) für Wind- und Solarstrom den Atomausstieg absichern. Heute müssen wir feststellen, dass Langzeitspeicher nicht vorhanden sind. Das bedeutet nach aller Logik im Umkehrschluss, dass ein gleichzeitiger Atom- und Kohleausstieg selbstverständlich nicht möglich ist , ohne die Versorgungssicherheit grob fahrlässig aufs Spiel zu setzen.
Wer sich im heutigen Deutschland seines Verstandes bedient, schlichtweg nur die Logik bemüht, sieht sich mehr und mehr ideologischen Abwehrkämpfen ausgesetzt. Dabei geht es doch auch anders: einfach mal die Glaubensbekenntnisse und Selbstgewissheiten für einen kleinen Moment zurückstellen ..
.. und nüchtern feststellen:
1. Langzeitspeicher wie Wasserstoff gibt es nicht, die Produktion ist extrem teuer, die Wirkungsgrade bis hin zur Wiederstromung – übrigens in Gaskraftwerken – ist grotten-schlecht, so dass das alles absehbar kaum zielführend ist – wie übrigens die letzten vier Jahrzehnte schon, seitdem dieser Pfad propagiert wird.
2. Gaskraftwerke sollen es nicht sein, da wir nun auf russisches Erdgas verzichten wollen bzw. müssen. Ohnehin wäre es sehr schwierig, neue Gaskraftwerke so schnell zu bauen, wie man nach den Atomkraftwerken auch noch Kohlekraftwerke stilllegen wollte. Und selbst wenn man sie baut, wäre der Strom, je nach Erdgasquelle und Betriebsweise sehr teuer.
3. Kohlekraftwerke sollen es nicht sein, wegen des Klimaschutzes, wobei nun selbst der Klima- und Wirtschaftsminister verstanden hat, dass die Versorgungssicherheit kein vernachlässigbares Ziel der Energiepolitik ist, und die Reaktivierung von Kohlekraftwerken ins Spiel gebracht hat.
4. Wenn all das vorstehende nicht vorhanden ist oder abgelehnt wird, dann bleibt nur der Verzicht auf eine zuverlässige Energieversorgung. Eine frühere grüne Bundestagsabgeordnete fand das gut und nannte es „angebots-orientierte Energieversorgung“, wenn es Strom, Wärme, Mobilität und Industrieproduktion nur dann noch in ausreichender Menge gibt, wenn die Sonne über die Mittagsstunden kräftig scheint und der Wind kräftig weht. Eine solche Rationierung von Energie, eine „StromMangelWirtschaft“ wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren bereits intensiv geplant und vorbereitet, doch nun kam der Realitätsschock und ur-plötzlich denkt man selbst in Deutschland wieder unkonventionell und vielleicht sogar mit etwas mehr Logik:
5. Zaghaft und zerknirscht stellt man nun fest, dass am Ende neben Kohlekraftwerken nur noch die Atomenergie bleibt, als Option, will man im kommenden Winter nicht frieren und im Dunkeln sitzen. Der Weltklimarat IPCC hatte auch schon die Kernenergie empfohlen, für den „Klimaschutz“.
Um es nochmal sehr klar zu sagen: In den 1980er Jahren und in den Jahrzehnten danach stand der Atomausstieg stets unter dem Vorbehalt, dass die Versorgungssicherheit entweder durch einen anderen Backup-Kraftwerkspark und/oder durch Langzeitspeicher garantiert ist. Im Umkehrschluss wäre man vor etlichen Jahren, „damals“, als politische Entscheidungen noch mit etwas mehr Logik und Verstand und weniger nur aus dem Bauch heraus angegangen wurden, selbstverständlich zum Ergebnis gekommen, dass bei fehlenden Speichern und Kohlekraftwerken ein Atomaustieg „nicht machbar“ ist.
Für einen solchen Gedankengang sind Emotionen und Ideologien eher hinderlich. Vorstehende Schlussfolgerung ergibt sich rein logisch aus der Sache heraus.
Wir bemühen uns gerade in Deutschland um mehr Realpolitik und wollen zum Gebrauch unseres Verstandes zurückkehren. Vielleicht ist das Zeitalter der Aufklärung doch noch nicht ganz verloren.
Es liegt nun an jenen, die gerne den Atom-, den Kohle- und den Gasausstieg und einen Klimaschutz hätten, sich zu bewegen. Denn die Quadratur des Kreises hat noch nie besonders gut funktioniert.
In den vergangenen Jahren hat die Politik allen Zielgruppen gegenüber den Eindruck vermittelt, als gehe es um ein Wunschkonzert. Es wurde versprochen, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen sollten. Deutschland, sei ein reiches Land, da sei mit Hilfe der Gelddruckmaschine der Zentralbank alles möglich.
Nun stellen wir fest, dass wir in der harten Realität angekommen sind. Wir stellen fest, erbarmungslos mit der Physik konfrontiert zu werden, mit einer bröckelnden Infrastruktur, mit den Folgen der Corona-Politik, mit einer Inflation, mit einem Krieg und mit einem weit überdehnten Währungssystem.
Es wäre gut, auch jene Teile der Gesellschaft, die sich noch im Modus „Wünsch dir was“ befinden, würden sich einen Ruck geben, und einen neuen energiepolitischen Konsens ermöglichen, der aus der aktuellen Misere heraushilft. An Laufzeitverlängerungen bzw. einer Reaktivierung der letzten sechs Atomkraftwerke führt bei nüchterner Betrachtung kein Weg vorbei.
Quelle: www.akademie-bergstrasse.de