Warum so viel Hass?

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Der rechtsradikale Mordanschlag von Hanau am 19. Februar 2020 hat der ganzen Nation wieder einmal die destruktive Kraft des Hasses vor Augen geführt: Fremdenhass, Rassismus, Ausländerhass, Hass auf Muslime. Ein 43-jähriger Deutscher hat neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen, danach seine Mutter und schließlich sich selbst. Die elf Toten sind ein Mahnmal gegen die ungeheure Zerstörungskraft des Hasses. Die Bürger Deutschlands sind dadurch aufgeschreckt, dass dies bereits der dritte rechtsradikale Mordanschlag in wenigen Monaten war: Im Juni 2019 wurde der Regierungspräsident Walter Lübcke in Kassel durch einen Kopfschuss ermordet. Und am 9. Oktober 2019 erfolgte in Halle ein Anschlag auf die dortige Synagoge, bei dem zwei Passanten getötet wurden.

„Hass ist Gift“ (Angela Merkel) und ein „vergiftetes gesellschaftliches Klima“ (Wolfgang Schäuble).

 Nach dem Massenmord von Hanau zeigten zu Recht führende Politiker der Republik ihre Erschütterung und Empörung. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel gebrauchte die treffende Formulierung „Hass ist Gift“. Und der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sprach von einem „vergifteten gesellschaftlichen Klima“. Ähnliche Formulierungen waren von anderen Politikern oder von Gewalt- und Terrorexperten zu hören.

Doch woher kommt dieser Hass? Und warum gibt es gerade in jüngster Zeit so viel Hass? Jeder politische Extremismus oder Terror bedient sich des Hasses: Hass schüren und Hetzkampagnen sind Benzin für das Feuer des Hasses, das nur allzu oft zu Gewalt und Terror führt. Darin haben alle Extremismus-Formen eine wesentliche Gemeinsamkeit, der rechtsradikale ebenso wie der linksradikale oder der islamistische Extremismus. Das extremistische Gedankengut ist der Nährboden für jene Personen, die in sich selbst genügend Hass und Tötungsbereitschaft haben, um dann solche Taten auszuführen. Dass diese Gewalt- und Tötungsbereitschaft so radikal zunimmt, ist in der Tat alarmierend.

Wer sind die Giftmischer? Wie läuft der Prozess der Radikalisierung?

Die Metaphern vom „Hass als Gift“ und vom „vergifteten gesellschaftlichen Klima“ werfen die Frage auf, wer dieses Gift erzeugt und wie es in die Köpfe von gewaltbereiten Menschen kommt. Den Massenmord von Hanau als die Einzeltat eines Wahnsinnigen, eines psychisch Kranken oder Extrempsychopathen abzutun, wäre sicherlich zu kurz gegriffen. Der Prozess der Radikalisierung des Täters bis hin zur Ausführung des Massenmordes ist meistens ein langer und auch geplanter Weg. Auf diesem Weg spielen Einflüsse durch radikale Gruppierungen eine wichtige Rolle. Zahlreiche Politikwissenschaftler und Soziologen betonen den Einfluss rechtsextremer Gruppierungen wie Pegida oder der Partei AfD. Deren Parolen können einzelne anfällige Personen darin bekräftigen, dass sie mit ihren Ideen nicht alleine sind, sondern Teil einer größeren Bewegung. Die Gewaltbereiten unter ihnen finden dann die Vorstellung reizvoll, zum Vollstrecker dieser Ideen zu werden. Eine wichtige Rolle im Konzept der Radikalisierung spielt der Austausch mit Gleichgesinnten im Internet. Bemerkenswert ist, dass die bekanntesten politisch motivierten Massenmörder der letzten Jahre den pathologischen Narzissmus hatten, ein eigenes Manifest zu verfassen, um auch die ganze Welt mit ihrer Gesinnung vertraut zu machen. Der norwegische Massenmörder Anders Breivik hat ein umfangreiches Manifest verfasst, ebenso der neuseeländische Massenmörder von Christ Church Brenton Tarrant. Der Hanauer Massenmörder Tobias R. hat ebenfalls ein Manifest verfasst und ins Internet gestellt. Zusätzlich hatte er ein englischsprachiges Video auf Youtube verbreitet, in dem er sich an amerikanische Bürger wendete. Diese rechtsradikalen Mordanschläge sind keine Kurzschlusshandlungen und keine Affekt- oder Impulstaten, sie sind lange geplant und von tiefem Hass durchtränkt. Insofern hat Angela Merkels Postulat „Hass ist Gift“ durchaus ins Schwarze getroffen.

Das Ressentiment: Vom Feindbild zum Hassobjekt

Im Zusammenhang mit dem politischen Extremismus und den daraus folgenden Terror- oder Gewalttaten taucht immer wieder der Begriff des Ressentiments auf. Dieses Wort stammt ursprünglich aus dem Französischen und wurde von Friedrich Nietzsche in die deutsche Sprache eingeführt. Im 21. Jahrhundert wurde der Begriff zunehmend in der Analyse von politischem Extremismus und Terror eingeführt. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat bereits im Jahr 2015 die Ressentiment-Analyse von Friedrich Nietzsche für die aktuelle Politik sehr treffend ausgelegt. Er definiert Ressentiment wie folgt: „Aktuelle Anfälle von Rachegefühlen, Hass, Bosheit, Neid, Missgunst und Häme verdichten sich im Ressentiment zu einem Syndrom.“ (Leggewie 2015). In der aktuellen politischen Situation sieht er diese negativen und zerstörerischen Gefühle vor allem durch die politische Bewegung der Pegida und der Partei AfD in destruktiver Weise eingesetzt. Eine ähnliche Analyse verfolgte Reinhard Olschanski in seinem Buch „Ressentiment“ (2015). Er deutet die schädliche Wirkung des Ressentiments als „die Vergiftung des europäischen Geistes“. In einem Folgebeitrag in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ vertritt er die These, dass Hass, Wut und Ressentiment in ganz Europa einen erbitterten Kulturkampf angezettelt haben (Olschanski 2016). Dieser richte sich vor allem gegen den Islam und Muslime und er sei zugespitzt durch die Migrantenströme im Jahr 2015. Auch Orlschanski sieht – wie Claus Leggewie – Pegida und AfD als die Gruppierungen, die sehr destruktiv Ressentiments im politischen Kampf einsetzen (Olschanski 2016). Die luziden Analysen von Claus Leggewie und Reinhard Olschanski wurden vor mehr als fünf Jahren verfasst. Durch die schrecklichen rechtsradikalen Morde der vergangenen Jahre ist aus den wagemutigen Prophezeiungen bittere Realität geworden.

Literatur:

Leggewie, Claus (2015) Das blanke Nein. Pegida und Ressentiment. taz vom 16.8.2019

Olschanski, Claus (2015) Ressentiment. Über die Vergiftung des europäischen Geistes. Wilhelm Fink Verlag

Olschanski, Claus (2016) Die Politik des Ressentiments. Blätter für deutsche und internationale Politik vom 16.8.2019

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Professor Dr. med. H. Csef     

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

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E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Über Herbert Csef 153 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.