Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) ist ein deutsches Leitmedium. Wie kaum eine andere Zeitung in diesem Land steht sie für Qualitätsjournalismus. Zu ihrem 70. Geburtstag hat nun der Würzburger Historiker Peter Hoeres ein von kritischer Sympathie geprägtes Porträt der Zeitung vorgelegt. Für jeden, der die FAZ täglich ausführlich liest, aber auch für Journalisten und Wissenschaftler ist die Lektüre dieses 600 Seiten starken Buches ein Muss.
Historisches Vorbild für die publizistische Neugründung im Jahr 1949 war die liberale „Frankfurter Zeitung“ (FZ). Die maßgeblichen Kultur- und Literaturredakteure Karl Korn und Friedrich Sieburg stammten beispielsweise aus alten FZ-Zeiten.
„Die Gründung der FAZ kam spät“, schreibt der Autor. In der Tat gab es auf dem überregionalen Zeitungsmarkt längst Blätter wie „Die Welt“, die „Süddeutsche Zeitung“ oder die „Frankfurter Rundschau“. Woran lag es, dass eine Bleiwüste mit damals nicht unbedingt populärer marktwirtschaftlicher Ausrichtung und einem Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Außenpolitik so erfolgreich werden sollte?
Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. In den vergangenen 70 Jahren haben herausragende Persönlichkeiten für die FAZ geschrieben. Der langjährige Mitherausgeber Joachim Fest hat wie kaum ein anderer unseren Blick auf das „Dritte Reich“ geprägt. Friedrich Sieburg und Marcel Reich-Ranicki waren die „Literaturpäpste“ ihrer Zeit. Auch linke Intellektuelle publizierten immer wieder vor allem im Feuilleton der Zeitung. Bei der als insgesamt konservativer geltenden „Welt“ aus dem Hause Springer hatten sie größere Berührungsängste.
Schon unter Korns und Fests Leitung hat der Kulturteil der FAZ große Kontroversen angeregt (man denke nur an den Historikerstreit und den Literaturstreit um die DDR-Schriftstellerin Christa Wolf). Der umtriebige, von Hoeres aber zurecht auch sehr kritisch gezeichnete, früh verstorbene Frank Schirrmacher hat das so genannten „Debattenfeuilleton“ dann zu voller Blüte geführt, aber auch dafür gesorgt, dass zahlreiche Edelfedern der FAZ zur „Welt“ oder zur „Süddeutschen Zeitung“ abgewandert sind.
Eine große Stärke der FAZ war auch lange Zeit, dass der Leser quasi drei Zeitungen in der Hand hatte: einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil.
Ein wichtiges Erfolgsgeheimnis waren aber sicher der spezifische FAZ-Stil und die Liberalität des Hauses. Hoeres weist darauf hin, dass gerade linksliberale FAZ-Intellektuelle wie Gustav Seibt und Ulrich Raulff, „die auch in anderen Häusern gearbeitet haben, empfanden, dass die innere Freiheit im konservativen Milieu größer sei als im linken oder linksliberalen“.
Wird es die FAZ weitere 70 Jahre geben? Das weiß keiner. Die Chancen für einen abgewogenen, fairen und nicht moralisierenden Journalismus müssten eigentlich groß sein. Auf Papier wird es sie dann wahrscheinlich eher nicht mehr geben. In letzter Zeit ist zum Beispiel die „Neue Zürcher Zeitung“ bei vielen eher konservativ-liberalen Lesern zu einer echten Alternative der FAZ geworden. Ausschließlich konservativ war die FAZ ja nie, aber manche Leser haben den Eindruck, die Zeitung sei in den vergangenen Jahren doch etwas linker oder „mittiger“ geworden. Das Dilemma bringt Hoeres folgendermaßen auf den Punkt: „Die FAZ holt sich ihre Redakteure heute gern von der taz, wohingegen ihre Pensionäre in der Jungen Freiheit schreiben.“ Dies ist natürlich zugespitzt, enthält aber sicher ein Körnchen Wahrheit.
Kurzum: Die Lektüre der FAZ und vor allem die Lektüre von Hoeres flott geschriebenem Buch (ja, auch Geisteswissenschaftler können eine klare Prosa schreiben) lohnen sich auf jeden Fall.
Peter Hoeres: Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ. Benevento Verlag: Salzburg 2019. ISBN 9783710900808. 600 Seiten. 28,00 Euro.