Aus mindestens drei Grünen:
1. Weil die Art und Weise, wie hier Probleme exponiert, mögliche Lösungen gesucht, kritisch geprüft, verworfen oder akzeptiert und schließlich begründet werden, zurecht als vorbildlich gelten. Das heißt nicht, dass man bei Platon, Aristoteles oder Kant keine Denkfehler finden würde, dass sie frei von Irrtümern wären. Ihre Denkfehler und Irrtümer sind aber von der Art, dass man sich aus der Beschäftigung mit ihnen keinen geringen Gewinn erhoffen darf, oft sogar gerade aus ihren Fehlern enorm viel lernen kann.
2. Von einem Klassiker der Philosophie darf ferner erwartet werden, dass er selbst seinem Denken gegenüber nicht naiv bleibt, sondern kritisch die eigenen Voraussetzungen und Grenzen seines Denkens stets mit Reflexion begleitet. Das heißt, er ist nicht blind gegen sich selbst. Das in etwa dürfte Heidegger gemeint haben, als er sagte: „Die Wissenschaft denkt nicht“ (die Religion natürlich noch viel weniger), weil der Einzelwissenschaftler in der Regel seine eigenen Voraussetzungen und Bedingtheiten nicht explizit reflektiert (siehe beispielsweise den Grundlagenstreit der Mathematik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Mathematiker sich erstmals explizit fragten, mit welchen Objekten sie es in ihrer Wissenschaft eigentlich zu tun haben und was genau sie eigentlich tun).
3. Schließlich erwartet man von einem Klassiker, dass seine Philosophie sowohl dem Bereich des Theoretischen (verstehen, um des verstehens willen, erkennen, was ist) als auch dem Bereich des Praktischen (auf das Handeln bezogen), insbesondere der Ethik gerecht zu werden vermag. Ein Klassiker muss also sowohl Antworten geben auf a) die Frage unserer Erkenntnisfähigkeit und der Grenzen unserer Erkenntnis als auch b) auf die Frage nach dem richtigen, dem guten Handeln, dem guten Leben und was einen guten Menschen ausmacht.