Wenn sich in diesem Lande in den Unternehmen immer häufiger perverse Verhaltensweisen bemerkbar machen, dann dürfte es daran liegen, dass sich die Werteverhältnisse aufgrund des Zeitgeistes, welcher vom Neoliberalismus geprägt wird, verschoben haben. Es lässt sich nicht verheimlichen, dass diese Gesellschaft förmlich zum Egotrip einlädt. Der zunehmende wirtschaftliche Zynismus fördert narzisstische Verhaltensweisen, und somit die seelische Gewalt gegenüber den vermeintlich Schwächeren dieser Gesellschaft.
Diese Gesellschaft wird immer oberflächlicher. Es zählt ausschließlich Geld, Erfolg und ein makelloser Lebenslauf. Die Menschen haben im beruflichen und persönlichen Bereich Angst davor, nicht mehr mithalten zu können. Nur der Schein zählt. Man muss auf Nummer sicher gehen und den Schein erfüllen, um zu den Besten zu gehören. In dieser Gesellschaft, wo die Lüge regiert, versucht jeder sich entsprechend einzurichten. Ein Versagen kann den totalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Absturz zur Folge haben.
Das Schlimme ist, dass wir dieses System akzeptieren. Mit der Zeit wird dieses zur Norm, und keiner hat mehr ein schlechtes Gewissen.
Von Nutzen sind Einstellung, Kompetenz nur dann, wenn wir medienwirksam sind, also dem gängigen Schönheitsbild der Medien entsprechen. Es genügt nicht mehr, ein seriöser Wissenschaftler oder Firmenchef zu sein, man muss sich auch präsentieren und verkaufen können. In diesem Zusammenhang hat niemand mehr ein schlechtes Gewissen, wenn er dass eine sagt oder das andere tut und sein Wort nicht hält, zumal ja Vorbilder vorhanden sind, die Lügen ohne „Wimpernzucken“ in der Öffentlichkeit von sich geben.
Opfer von seelischer Gewalt haben ihre Illusionen über die Arbeitswelt und diese Gesellschaft verloren. All diese individuellen Enttäuschungen summieren sich, und bewirken einen regel- rechten Stimmungsumschwung. Es dürfte bereits zur Norm geworden sein, dass jeder jedem misstraut. Es ist eine Gesellschaft am entstehen, in der jeder jeden als potentiellen Feind betrachtet, da dieser als Konkurrent anzusehen ist, der den Platz als solches oder den Arbeitsplatz, abspenstig macht. Das in der Bundesrepublik vorhandene Sozialgesetzbuch II dürfte ein Garant dafür sein, dass sich die negative Entwicklung weiter fortsetzen wird.
Um der Gewalt Herr zu werden, muss man diese im Kontext betrachten. Es ist festzustellen, dass eine gewalttätige und verächtliche Gesellschaft gewaltätige und verächtliche Individuen hervorbringt. Deshalb entsteht eine latente Gefahr dahingehend, dass aus psychischer Gewalt letztendlich physische entsteht.
Als Folge dieser Entwicklung können wir beobachten, dass sich zweifellos ein Kommunikationswandel vollzogen hat, der unmerklich auch die Beziehungen der Beschäftig- ten zueinander verändert hat: Sowohl im verbalen Austausch wie in den E-Mails spricht man schnell, kommt sofort zum Wesentlichen, schränkt Höflichkeitsfloskeln ein, nimmt sich keine Zeit mehr für ein richtiges Gespräch. Es entstehen immer, unter dem Einfluss der neuen Technologien, Formulierungen, die sich vom allgemeinen Sprachgebrauch unterscheiden. Man muss den Jargon beherrschen, sich einer kodierten Sprache bedienen, die Nicht-Eingeweihte ausschließt.
Stefan Zweig schrieb einmal:
„Da die Gewalt in jeder Epoche in anderer Gestalt wiederkehrt, muss man ihr unentwegt den Kampf ansagen.“
Um eine Veränderung zum Positiven in dieser Gesellschaft herbeiführen zu können, hätte jedes Individuum, was an ihr teilhat, sich infrage zu stellen und sich um Veränderung zu bemühen..
Literaturhinweis: Marie-France Hirigoyen, „Wenn der Job zur Hölle wird“, Seelische Gewalt am Arbeitsplatz
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