Deutschland schickt sich wieder an, Jahrestage zu feiern, in allen Gazetten tönt es, wird die friedliche Revolution vor zwanzig Jahren besungen. Fast klingt es wie eine vielbeschworene Verheißung von einst glücklichen Tagen, als Deutschland tatsächlich eins war. Quizshows jagen sich wechselseitig die Besucherquoten ab, immer vor dem Hintergrund und strikt analysierend, ob der Ossi letztendlich nicht doch dümmer als der Wessi sei, weil er nicht umsonst so lange hinter dem Eisernen Vorhang verharrte; einem Bundesbürger wäre derartige Pein nie passiert.
Gepriesen werden all jene immer wieder, von den Fernsehkameras vortrefflich ins Bild gerückt, die vorzeitig der DDR den Rücken kehrten, die also nicht so geistig bescheiden wie der Rest der DDR-Bevölkerung waren und im Land blieben.
Zwanzig Jahre nach der Wende feiert der Westen die friedliche Revolution, während der Osten und seine Bürger zu den damaligen Ereignissen schweigen. Die friedliche Revolution im Osten bleibt ein Medienereignis des Westens, das auch vielen Bundesbürgern so egal ist, wie sich viele von ihnen nicht befleißigen, die östliche Geographie wahrzunehmen, geschweige denn zu studieren. Der Osten bleibt der rote Part, der von den Linken geführte Arbeiterstaat, das ungeliebte Anhängsel, an das man unnötig Steuern abzuführen habe.
Während also viele Westdeutsche noch der Zeit vor der Wende nachtrauern, frustet der östliche Teil. Zwar will auch hier keiner mehr in den engen Stacheldrahtgrenzen, von einem senilen Politbüro geführt, leben, doch Lebensfreude will sich auch nicht einstellen, der Osten resigniert, vielerorts nichts als der starre Zustand der Depression und das Gefühl in Gesamtdeutschland immer noch zu einer Minderheit zu gehören.
So sehr aber auch die Lage im Osten von Arbeitslosigkeit, Armut, Hartz IV gekennzeichnet ist, man sollte sich dennoch freuen, ein Stück Geschichte geschrieben zu haben, als man sich vor zwanzig Jahren anschickte, einen Unrechtsstaat zu beseitigen.
Wichtiger als alle die repräsentativen Feiern und Selbstinszenierungen von Pastoren und Politikern ist und bleibt es heute, die Differenzen endlich zu begraben, denn nie, so scheint es wenigstens, waren sich die beiden Teile Deutschlands so fremd wie in diesen Tagen. Der Riß will sich nicht glätten, wird es auch die nächsten Jahre nicht. Aber nicht, weil es viele nicht wollen, sondern weil ihnen ein – von den Medien vermitteltes – geteiltes Deutschland immer wieder vor Augen geführt wird. Der ewigwährende Blick auf das Jahr 89 bleibt ein Ereignis von Gestern, das erinnert werden soll, daß man aber auch nicht überinszenieren sollte.
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