Der Verfasser hat in seinen Kommentaren mehrfach darauf hingewiesen, dass Binsenweisheiten einer ständigen Wiederholung bedürfen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Allerdings muss sich derjenige, welcher diese Wahrheit beherzigt, oftmals den Vorwurf gefallen lassen, sich umgangssprachlich ausgedrückt zu haben, und einen akademischen Standard nicht zu beachten (restringierter Code). Den Verfasser erstaunt es immer wieder, wie selbsternannte Politiker, Ökonomen und Politologen ihre Verwunderung darüber ausdrücken, warum die Mitbürger sich immer weniger für die Politik interessieren, und Diskussionen, welche in diese Richtung gehen, für unschicklich erachten. Die Anzahl der Nichtwähler dürfte ein untrügliches Zeichen für diese Tatsache sein. Der Grund für dieses Bedauern über diesen Umstand dürfte aber darin liegen, dass es gefährlich erscheint, dass sich offenbar eine schweigende Mehrheit bildet, deren Reaktion unter Umständen irgendwann unberechenbar wird (Chaos-Theorie).
Elisabeth Noelle-Neumann (19. Dezember 1916 – 25. März 2010) gilt als Pionierin der Demoskopie in Deutschland und war Gründerin des Instituts für Demoskopie in Allensbach.
In Noelle-Neumanns Werk „Die Entdeckung der Schweigespirale“ wird besonders mittels geschichtlicher Nachforschung über Descartes, Rousseau, Hegel, Homer, Platon, David Hume, John Locke, Edmund Burke und andere Personen der Literatur, Politik und Philosophie der Zusammenhang zwischen der sozialen Natur des Menschen und der so genannten Schweigespirale untersucht.
Eine ihrer Kernaussagen dieser Veröffentlichung wird wie nachstehend wieder- gegeben:
„Die negative Haltung zu einem herrschenden System wächst dadurch, mathematisch beweisbar, lawinenartig an, dass u. a. sich die Anhänger des Systems immer mehr selbst isolieren, schweigen und damit dem System ihre Unterstützung, teils unabsichtlich, teils absichtlich, versagen. Was zunächst nur Ansicht eines Teils der Bevölkerung war, schien für die Machthaber oder Regierenden nunmehr die Meinung aller zu sein.“
In ihrem Werk die „Schweigespirale“ stellte Frau Noelle-Neumann u. a. fest, dass es in der sozialen Natur des Menschen liege, dass er eine „Isolationsfurcht“ empfindet, und nichts mehr fürchtet als sozial isoliert zu sein. Dieses bedeutet im Prinzip, dass sich viele Menschen aus Furcht vor der sozialen Isolierung einer Meinung anschließen, die nicht der eigenen entspricht. Anders ausgedrückt, es möchte sich keiner gerne einer vermeintlichen Minderheit oder Verlierern anschließen.
In der von Alexis de Tocqueville veröffentlichten Geschichte der Französischen Revolution schilderte dieser den Niedergang der französischen Kirche Mitte des 18. Jahrhunderts. Er erklärte das Phänomen mit folgenden Worten, was in der heutigen Zeit wohl als brandaktuell bezeichnet werden kann:
„Leute, die noch am Glauben festhielten, fürchteten, die einzigen zu sein, die ihm treu blieben, und da sie die Absonderung mehr als den Irrtum fürchteten, gesellten sie sich zu einer Menge, ohne wie diese zu denken.“
Wenn wir uns nun dem Thema zuwenden, welches die Ursachen sind, die den Bürger dazu veranlassen, sich von der Politik als solches abzuwenden, dann ist festzustellen, dass diese über Jahrzehnte die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit und Kontinuität geradezu schmerzlich vermissen lassen. Für die Bürger haben die Politiker offensichtlich ein anderes Verhältnis zur Wahrheit. Politiker stellen sich für die Mitbürger so dar, dass dieses zur Annahme berechtigt, dass es für diese mehrere Wahrheiten gibt. Ein derartiges Verhalten wird von den Mitbürgern mit Unverständnis honoriert. Zusätzlich wird immer deutlicher, dass Politiker immer häufiger nur einen Teil dessen erwähnen, was Sachverhalte angeht, um „Schönfärberei“ zu betreiben. Um sich eine „Hintertür“ offen zu lassen, lassen diese es permanent an der Klarheit ihrer Aussagen fehlen. In den letzten Jahren ist es sogar nicht unüblich, Dinge für nicht vorhanden oder unwahr zu erklären, wenn diese nicht ins politische Konzept passen.
Was die Kontinuität der Politik betrifft, so gehen die Mitbürger fälschlicherweise davon aus, dass ein Konzept oder eine entsprechende Zielsetzung immer vorhanden sein muss, und fühlen sich oft betrogen, da sich dann plötzlich herausstellt, dass eine erwartete politische Vorstellung sich nicht mit dem deckt, was tatsächliches Ziel der Entscheidungsträger zum Inhalt hatte. Die Äußerung von der Bundeskanzlerin, dass sie erst dann politisch handeln wird, wenn sich auch eine Notwendigkeit ergibt, ist dazu geeignet, den Bürgern das Gefühl der Ziellosigkeit zu vermitteln.
Allerdings ist hierzu festzustellen, dass die Politiker oftmals nicht bereit sind, Maßnahmen oder Entscheidungen mit einem Ziel in Verbindung zu bringen. Erfahren die potentiellen Wähler was das eigentliche Ziel gewisser Veranstaltungen ist, kann es dazu führen, dass sich ein Sturm der Entrüstung einstellt. Aus diesem Grunde wird das endgültige Ziel oftmals verheimlicht, und nur Teilziele definiert. Man vertraut darauf, dass sich die Bürger schon an gewisse „Neuerungen“ gewöhnen werden. Allerdings kann man so was nur „scheibchenweise“ bewerkstelligen. Wie anders kann u. a. die Durchsetzung des Lissabon-Vertrages auf dem Umweg einer parlamentarischen Vorgehensweise interpretiert werden? (1)
Ein nicht unerheblicher Anteil der Bürger vertritt nicht zu Unrecht die Meinung, dass die derzeitige Politik als „schmutziges Geschäft“ zu bezeichnen ist, und das politische Geschehen von Lüge und Betrug mitbestimmt wird.
So ist es dem SPD-Mitglied Franz Müntefering offensichtlich nie bewusst geworden, dass er diese Meinung damit bestätigte, dass er sich zu der Behauptung verstieg, das es „unfair“ wäre, wenn Wähler die Politiker nach der Wahl daran erinnern würden, was diese vor der Wahl versprochen hätten. Die Liste der offenbar „abgehobenen“ Politiker ließe sich beliebig erweitern.
Eine Tatsache ist es, dass den meisten Mitbürgern die Ziele der Agenda 2010 in keiner Weise bewusst geworden sind. Erinnern tun diese sich nur an das „Krebsge- schwür“ ALG II. Diese Gesetzgebung, welche auch als Hartz IV bezeichnet wird, wurde notwendig, da die Umwandlung des bestehenden Systems in neoliberales vorgenommen werden sollte (2). Es wurde ein Konsens zwischen den etablierten Parteien hergestellt, was als außerordentlich merkwürdig zu bezeichnen ist. Politischer, parlamentarischer Widerstand, wurde nur über die Gründung einer linken Partei möglich.
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Ablösung der „sozialen Marktwirtschaft“ durch ein neoliberales System auf ungeahnte Widerstände stößt. Bekanntermaßen ist die Finanzkrise, ursächlich ausgelöst durch die Deregulierungen und den Marktradikalismus, ein Ausfluss von politischen und ökonomischen Fehleinschätzungen. Es herrschte unter den selbsternannten Ökonomen offensichtlich die unsinnige Lehrmeinung vor, dass eine missbräuchliche Ausübung wirtschaftlicher Macht nicht stattfindet, bzw. diese durch Maßnahmen eingeschränkt werden könne. Andere Motive werden vom Verfasser ganz bewusst nicht beschrieben. Erinnert wird jedoch in diesem Zusammenhang an Walter Eucken, der die Erkenntnis äußerte, dass es nicht darum gehen könne, wirtschaftliche Macht einzuschränken, sondern diese zu verhindern.
Wenn man sich die Aussagen von Politikern und selbsternannten Ökonomen sowie die Veröffentlichungen in den Print-Medien der letzten Jahre vergegenwärtigt, so müssen wir feststellen, dass mittels Manipulation der öffentlichen Meinung (3) versucht wurde und noch wird, für Bürger unbekannte Zielsetzungen oder Interessen durchzusetzen. Offenbar sind diese Politiker oder die entsprechenden Medien zur Meinung gelangt, dass nur eine gelenkte Demokratie, was es auch immer sei, als zweckmäßig anzusehen ist. Wir haben es wohl auch deshalb mit einem nicht für möglich gehaltenen Demokratieverlust zu tun, welches der Bürger spürt, aber es oftmals nicht verbal benennen kann. Selbst so genannte Wissenschaftler haben offensichtlich ihre Wissenschaft verraten, um sich dubiosen politischen Zielsetzungen unterzuordnen. Es wird in diesem Zusammenhang der sinnlose Herr Sinn genannt, welcher dem Bürger gegenüber die These vertreten hat, dass dieser endlich dadurch mündig zu werden habe, in dem dieser sein Bad renoviere. Eine besondere „Blüte“ stellt Herr Straubhaar dar, welcher die haarsträubende These vertrat, Griechenland in ein Protektorat verwandeln zu müssen. Auf die Merkwürdigkeiten der Aktivitäten des Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz, dem Vorsitzenden des „Expertenrates“ der Bundesregierung, wird bewusst nicht näher eingegangen.
Die ekelerregenden Artikel und Aussagen der Politiker und Journalisten in den einschlägigen Medien werden hier nicht beschrieben. Es wird davon ausgegangen, dass diese noch gegenwärtig sind.Es dürfte aber aufgefallen sein, in welcher Art und Weise die Bevölkerung u. a. zur Denunziation und Ausgrenzung von Menschen, offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen, manipuliert wurde und noch wird. Mir fällt hierzu in Anlehnung an Noelle-Neumann meine nachstehende Aussage ein:
Nicht nur in Diktaturen neigen Politiker dazu, über eine Diskriminierung von Minderheiten von eigenen Fehlern und Fehlentwicklungen abzulenken und den Begriff der Gleichheit und Gleichbehandlung in Vergessenheit geraten zu lassen.
Eine ganz besondere Variante stellt nunmehr der Versuch dar, feste Begriffe mit anderen Inhalten zu versehen. So erklärt ein ausgerasteter Journalist der Burda-Presse den Begriff Solidarität neu definieren zu müssen. Ähnliches erfolgte bereits mit dem Begriff Gleichheit, was man mit sozialer Gerechtigkeit gleichsetzt, und Brüderlichkeit mit Solidarität. Der Verfasser ist der Meinung, dass Brüderlichkeit weitergehend ist als Solidarität, und der Begriff Gleichheit weiter greift als soziale Gerechtigkeit. Dass der Begriff Freiheit bereits dahingehend interpretiert wird, dass es das Recht des Stärkeren ist, die Schwächeren zu beherrschen und wirtschaftlich auszubeuten, dürfte nicht unbekannt sein.
Ausgerechnet der viel gescholtene Oskar Lafontaine brachte in seiner Rede im August 2005 in Leipzig Kernprobleme auf den Punkt:
„Jede Reformpolitik braucht eine geistige Orientierung. Und diese geistige Orientierung wäre fällig. Das einzige, was wir hören, ist Kostensenkung. Auf Kostensenkung kann man aber keine moderne Gesellschaft aufbauen. Im Zentrum der Reformpolitik steht derzeit der Begriff der Eigenverantwortung. Und dieser Begriff ist verräterisch. Denn er bedeutet im Grunde genommen die Kündigung eines Begriffs, der bisher dem Sozialstaat in der Bundesrepublik zugrunde lag. Eigenverantwortung, das ist verdammt nahe an Egoismus und an Rücksichtslosigkeit. Verantwortung, die dem Sozialstaat zugrunde liegt, ist immer Verantwortung für die Mitmenschen, Verantwortung für die anderen. Das ist eine ganz andere geistige Orientierung als die der gegenwärtigen Politik.Verantwortung für die anderen, das heißt, die Arbeitenden fühlen sich verantwortlich für die Rentnergeneration, die auch früher die Arbeitenden ernährt hat, die Rentner ernährt hat, ihre Eltern ernährt hat. Verantwortung für die anderen heißt, dass die Gesunden sich verantwortlich fühlen für die Kranken und ihnen nicht vorrechnen, dass sie weniger aus der Kasse herausbekommen. Und Verantwortung heißt auch, dass die Arbeitenden sich verantwortlich fühlen für die Arbeitslosen, aber natürlich noch mehr, dass diejenigen, die großes Vermögen, große Einkommen haben, sich verantwortlich fühlen für diejenigen, denen es schlecht geht in unserem Lande. Die gegenwärtige »Reform«politik kann keinen Erfolg haben, weil sie schon in der Sprache auf Täuschung setzt, und die Menschen nicht aufklärt, sondern sie vielmehr in die Irre führt. »Agenda 2010«, das klingt so modern, das klingt so nach Zukunft, das klingt, als werde am Horizont die Morgenröte aufsteigen, die uns ein besseres Land verspricht. Aber »Agenda 2010« heißt Abbau des Kündigungsschutzes, heißt Kürzung des Arbeitslosengeldes, heißt Kürzung der Arbeitslosenhilfe, heißt Kündigung der paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme. Wenn man das will, dann soll man das sagen und sich nicht hinter Tarnbegriffen verstecken.“
Anliegen des Verfassers ist es, den Bürgern mit aller Deutlichkeit zu vergegenwärtigen, dass die Abkehr der Politik von den Prinzipien der Wahrheit, Klarheit und Kontinuität eine beabsichtige Manipulation zum Ziel hat. Derartiges hat nichts mit Demokratie zu tun, sondern mit Manipulation. Die Demokratie soll wohl dazu verkommen, dass man lediglich die Möglichkeit bestehen lässt, über eine Wahl eine Regierung unblutig zu beseitigen.
Eine gewählte Regierung, die gegen die genannten Prinzipien permanent verstößt, hat die Legitimität zum Handeln verloren. Der ständige Verstoß gegen eine bestehende Verfassung ist ein untrüglicher Beweis.
Dem potenziellen Wähler soll dieser Kommentar verdeutlichen, dass eine Wahlverweigerung nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Die Mitbürger sollten ihrem Willen dadurch Ausdruck verleihen, dass sie nicht eine Partei wählen, welche den Prinzipien wie Wahrheit, Klarheit und Kontinuität keine Beachtung schenken und die bewusst gegen eine Verfassung verstößt.
Dieses beinhaltet selbstverständlich die Notwendigkeit, die Aussagen und Handlungen der Regierungen nachzuvollziehen, und von der Meinung abzukommen, dass gewisse Sachzwänge vom Himmel gefallen sind. Derartiges bedarf jedoch korrekter Informationen und auch die Bereitschaft zur Diskussion. Es kann aber nicht sein, dass viele Mitbürger ihre ureigendsten Interessen nicht vertreten und offensichtlich das Denken Pferden überlassen, da diese einen größeren Kopf haben. Der Bürger muss endlich verstehen, dass im Prinzip jegliches politische Handeln mit der Vertretung von Interessen in Beziehung zu setzen ist. Dieses führt teilweise zu absurden Argumenten, um zu suggerieren, dass eine Partei die Interessen aller Mitbürger und aller Schichten vertritt. Abschließend erlaubt sich der Verfasser den Hinweis darauf, dass es sich um eine Binsenweisheit handelt, dass ein Volk in einer Demokratie die Regierung bekommt, die sie verdient. Dieses gilt erst recht dann, wenn Regierende die Demokratie als „gelenkte Demokratie“ verstanden wissen wollen.
Junge Welt dokumentiert die Rede, die Oskar Lafontaine am 30. August 2005 vor den Montagsdemonstranten in Leipzig gehalten hat.
(1)http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_4180/
(2)http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3021/
(3)http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3473/
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/penner-und-gammler
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