Mit dem „Walkürenritt“ als Zugabe feierten Publikum und David Timm mit dem Mendelssohn-Orchester um Mitternacht im Westwerk in Richard Wagners 197. Geburtstag hinein. Es sind bereits die 5. Festtage, die die Richard Wagner Gesellschaft 2013 in Leipzig mit großem Idealismus und unkonventionellen Veranstaltungen verwirklichte, am 22. Mai mit der konzertanten Aufführung des 1. Aktes der „ Walküre“ als Höhepunkt.
Dort, wo im letzten Jahrhundert Waffen und Munition für die beiden Weltkriege geschmiedet wurden, in der großen Halle der modernsten Gießerei der ehemaligen DDR, erklang jetzt eine der schönsten und sinnlichsten Musiken, die Richard Wagner je geschrieben hat. Das Liebesdrama der Geschwister Siegmund und Sieglinde in der rohen Halle des „Westwerks“ – es konnte auch ohne Bühnenpräsentation nachvollzogen werden, zum einen weil bei Wagner Form und Inhalt in der Komposition zusammenfließen, zum anderen das von David Timm 1999 gegründete und von ihm geleitete Orchester zusammen mit hervorragenden Solisten die „musikalische Prosa“ des berühmten Sohnes der Stadt emotional erfahrbar machten. Sowohl in der Behandlung der Tempi und ihrer Modifikation als auch der kammermusikalischen Hervorhebung der solistisch ausgeführten, durchsichtigen Sätze wandelte Universitätsmusikdirektor Timm ganz auf Wagners Spuren und führte seine Musiker aus berühmten Orchestern wie dem des Gewandhauses und des MDR zu einer Homogenität des Klanges , die sich ein Wagner-Kenner nur wünschen kann. Einer jugendlichen Sieglinde mit strahlendem Sopran ( Marie-Luise Dreßen vom Theater Gera/Altenburg ) stand der erfahrene Osloer Sänger Ivar Gilhuus zur Seite, dessen kraftvoller, metallischer Tenor nicht nur im „Wälse“-Ruf unter die Haut ging, und Hidekazu Tsumayas Hunding-Bass fuhr wie ein Tsunami durch die Halle.
Mit Feuereifer und virtuos wurde auch im Festivalklassiker, der „Wagner-Lounge“ musiziert, Crossover in die elektronische Musik und die Schönheit des Klanges von Wagner-Motiven vor allem auf dem Saxophon demonstriert, Dem musikalischen „Stern am Leipziger Musikhimmel“ und auch 1.Vorsitzenden eines auf das Jubiläumsjahr ausgerichteten Vereins David Timm gelingt es zum wiederholten Mal, nicht nur gute Musiker für wenig Honorar sondern auch Prominenz einzubeziehen. Auf dem roten Sofa saßen und plauderten mit Axel Thielmann vom MDR Dr. Eva Märtson ( 1.Vorsitzende des Internationalen Richard-Wagner-Verbandes), Peter Konwitschny (Opern-Chefregisseur in Leipzig) und Professor Dr. Joachim Thiery ( Dekan der Medizinischen Fakultät und Freund des verstorbenen Wolfgang Wagner). Ein Fazit: „Wir brauchen keine satten Bürger, sondern brennende Herzen“ (Professorin für Gesang in Hannover Eva Märtson) und „Hauptsache Liebe, das ist Wagners Botschaft“ (Peter Konwitschny).
Um Liebe aber geht es gar nicht, wenn Thomas Krakow vom traditionellen Wagner-Verband in Leipzig in diesem Jahr ein Wagner-Fest mit eigenen Veranstaltungen konkurrieren lässt. „Wem gehört Wagner?“ titelte bereits die Bild-Zeitung im Mai 2009 und Krakow gab zähneknirschend zu: „Die Idee hatten die anderen. Da können wir nichts mehr machen.“ Jetzt hat er doch etwas gemacht , unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Burkhard Jung und der 90-jährigen auch persönlich anwesenden Wagner-Enkelin Verena Lafferentz-Wagner zwei Ausstellungen und eine Festveranstaltung, außerdem publikumswirksam eine Kaffeetafel vor der Thomaskirche nach dem Motettengottesdienst, der auch zum Programm der von klassisch bis subversiv schillernden Festtage der Wagner Gesellschaft 2013gehörte.
„Wilde Wagner-Verehrung“ sagt man ihr nach, wenn über „Schwarze Romantik“ des „Bürgerschrecks Wagner“ referiert, vom LeipJazzig-Orkester „Opern ohne Worte“ musiziert und improvisiert wird,, auch die Teilnehmer des internationalen „Wave-Gotik“-Treffens einbezogen sind. (Die „Walküre“ wurde am Folgetag in Zusammenarbeit mit dem WGT wiederholt). Zur Eröffnung des Festivals gab es beinahe traditionell die Wagner-Brühe und Blasmusik auf dem Fockeberg, dem „Grünen Hügel“ Leipzigs, wo im letzen Jahr der Grundstein für ein „festes Spielhaus“ gelegt wurde. An ein echtes Opernhaus auf der alten Mülldeponie glaubt allerdings niemand , schon gar nicht eine Alternative zu Bayreuth, eher an einen „Gag mit ernsthaftem Potential“ wie David Timm es sieht, der für das Jahr 2013 über eine Ring-Aufführung in der neuen Aula/Universitätskirche nachdenkt.
„Wagner-eine Baustelle in Leipzig“- das Motto der diesjährigen Eröffnung, und der „Grüne Hügel“ als Symbol sagen auch: es gibt noch viel zu tun für die Stadt und die Vereine, am besten in Absprache und gemeinsam, denn Wagners Musik gehört allen.
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