„An Richard Wagner, den berühmten Sohn Leipzigs, soll mit einem unserer Stadt als Geburtsstadt angemessenen Denkmal erinnert werden“, beschloss der Stadtrat mehrheitlich in seiner Sitzung vom 16.09.2009. Einer Lichtgestalt der Musikgeschichte, die insbesondere durch ihren Antisemitismus und die Vereinnahmung im Dritten Reich auch dunkle Schatten warf, soll im Jubiläumsjahr 2013, dem 200. Geburtstag, späte Ehre erwiesen werden.
Franz Liszt verglich seinen Schwiegersohn Richard Wagner schon zu Lebzeiten mit einem hohen Berg, dessen Gipfel im Sonnenlicht erstrahlte und, wenn man von den Nebeln in Talrichtung absieht, strahlt er noch heute in singulärer Größe. An großen und kleinen Bühnen landauf und landab wird Wagner gespielt, .monumentale Denkmale in Berlin und München ehren „den letzten der Titanen“ (Joachim Köhler), nur Leipzig hält ihn bislang hinter der Oper im Gebüsch „versteckt“ und sich mit wenigen Inszenierungen zurück. In der Opern-Spielzeit 2009/2010 ist Wagner nur an sechs Abenden zu hören, das „Rheingold“ als einzige Premiere gibt es nur konzertant. Ein eigener Ring für 2013 ist nicht in Aussicht.
Der Stiefsohn der Musikstadt verbrachte in Leipzig immerhin wesentliche Jugend- und Lehrjahre mit familiären Bindungen und Prägungen, heftigen Entwicklungsschüben zwischen Kneipe und Konzert, mit ersten Kompositionen und Aufführungen wie der Symphonie in C-Dur.
Nach vielen Bemühungen der verschiedenen Wagner-Vereine hat die Stadt reagiert und will im 21.Jahrhundert nachholen, was auch durch die Weltkriege und ihre Folgen buchstäblich liegen blieb. Zum Jubiläumsjahr 2013 soll Wagner nach Leipzig zurückgeholt werden und neben Bach, Mendelssohn und Schumann den Ruhm der Stadt als Musikstadt mehren. Aber Lipsia vult expectari- Leipzig läßt auf sich warten, sitzt hoffentlich die Sache nicht so lange aus bis es zeitlich nicht mehr zu schaffen ist.
Für Wagner und mit Wagner strahlt aber bereits seit2005 ein neuer Stern am Leipziger Musikhimmel, der Universitätsmusikdirektor David Timm, der nicht nur den Vorsitzder Wagner-Gesellschaft 2013 innehat sondern mit den jährlichen Wagner-Festtagen im Mai der Stadt ein neues Glanzlicht aufgesetzt hat. Nach denkonzertanten Aufführungen des „Fliegenden Holländer“ (2005) und der „Meistersinger von Nürnberg“ (2007) –folgt in diesem Jahr die des 1. Aktes der „Walküre“- eine organisatorische und musikalische Meisterleistung, die auch durch den Gagenverzicht der Solistinnen, Solisten und Orchestermusiker zustande kommt.. Mit dem aktuellen Programm zum kommenden 197. Geburtstagdes unkonventionell verehrten Komponisten spricht Timm, Organist, Pianist, Dirigent, Chorleite, Jazzer und selber Komponist,auch wiederein junges Publikum an, das mit Wagner-Klängen der ganz speziellen und improvisierten Art keine Probleme hat.
Richard ist Leipziger“ so kündete ein riesiges Plakat an der Stelle des ehemaligen Geburtshauses,das mittlerweile der Baustelle der Brühl-Arkaden weichen musste , und für eine Kampagne stand,die vom Richard-Wagner-Verbandinitiiert, letztlich aber von allen drei Wagner-Vereinen in Leipzig getragen wird. Bevor 2005 der Wagner-Denkmal-Verein gegründet wurde, der dritte im Bunde, träumte Thomas Krakow vom Wagner-Verbandbereits einen großen Traum, an dem er bis heute festhält. Im leeren Richard-Wagner- Hain am Elsterflutbecken sieht er einen gewaltigen Denkmalblockmitriesigen Marmorfigurenund eine Ummauerung des Areals mitSzenen aus Wagners Musikdramen.Es handelt sichum das im Dritten Reich geschaffene Denkmal des Stuttgarter Bildhauers Emil Hipp, ein Kolossalarrangement, das nie zustande kam. Damalsals „Deutschlands schönstes Denkmal“ für 3,6 Millionen Reichsmark, das heute, in Teile zerlegt, in privatemund öffentlichem Besitzüber ganz Deutschland verteilt, denBruch in der Geschichte markiert. Wo heute nur noch verfallende Mauern, Terrassen und Säulenan das einstige ehrgeizige Projekt erinnern, hatte es Hitler am 6. März 1934 im Beisein von Winifred und Wieland Wagner bei der Grundsteinlegung zum Richard-Wagner-Nationaldenkmal deklariert.
Stilistisch an die Antike angelehnt, mit dem Pathos des 19. Jahrhunderts versehen, schuf Emil Hipp seine überlebensgroßen mythologischen Figuren für den zentralen Block. Mit„Mythos“,Schicksal“, „Erlösung“ und „Bacchanal“, dramatisch bewegten, nackten oderleicht umhülltenmenschlichen Darstellungen im Dreiviertel-Reliefwollte der Künstler den Wagnerschen Ideengehalt und seine musikalische Ausdeutung in plastische, zeitlose Form bringen. Schon damals war Hipps Konzept nicht unumstritten. Einigen Wagnerianern war dieser Entwurf nicht heldisch genug, dem damaligen Oberbürgermeister von Leipzig Carl Goerdeler wohl nicht nur der Fries„Bacchanal“ zu sinnlich und anderen die Ähnlichkeit mit Grabmalen zu groß.Thomas Krakow ist quer durch Deutschland gereist, hat diefast vollständig erhaltenen Reliefsin Privatbesitz am Chiemseeund einige der 19 Reliefplatten in Bayreuth und anderswo gesehen. Sein Traum nahm Form an. Wie ein Puzzle soll Hipps Arbeit nach Ansicht von Thomas Krakow Stück für Stück zurückgekauft werden. Aber der 250 Tonnen schwere Wagner-Marmor „ist aus der Zeit gefallen, er passte weder nach Deutschland Ost oder West ,teilte mit der Diktatur, mit der er verknüpft war, das Ende undmarkiert in der Gegenwartnur noch einen unwiederbringlichen Verlust.“(Grit Hartmann)
Ein zweites Denkmal-Projekt, das nie vollständig verwirklicht wurde, beschäftigt nicht nur die Wagnerianerund Kunstkenner in der Stadt sondern zunehmend die Politiker, da esin zeitgemäßer Formbis zum Jubiläumsjahr wieder auferstehenund bezahlt werden soll. Eng verwoben mit der Biografie ihres Schöpfers, dem Leipziger Maler und Bildhauer Max Klinger hat es eine bewegte bis heute nicht beendete Geschichte. Ursprünglich für das Wagner-Jubiläumsjahr 1913 geplant, kam dasEnsemble aus Treppenanlage, Sockel und Wagnerfigur nur schleppend voran. Zu feiern gab es zu Wagners hunderstem Geburtstag nur die Grundsteinlegung für die Treppe,die in einer Gartenanlage am Matthäikirchhofin ihrer Mitte zur Standfigur des Künstlergottesführen sollte. Schmal und in eine Toga gehüllt, sollte er in klassischer Form erscheinen undder Höhe des David von Michelangelo in nichts nachstehen. Als 1914der von Klinger und seinen Schülern bearbeitete Sockel, ein würfelförmiges drei Meter hohes Postament aus Laaser Marmor von Südtirol im Vinschgau nach Leipzig transportiert werden sollte, war Krieg, 1920 starb Max Klinger, dessen bedeutendes Beethoven-Denkmaleinen würdigen Platz im Museum der bildenden Künste gefunden hat, wo auch Modelle für das geplante Wagner-Denkmal zu sehen sind. Klinger liebte Beethoven, vor allem aber Brahms und begeistertesichim Falle Wagner im Wesentlichen für die Idee des Gesamtkunstwerkes, wohl auch deshalb hatte er mit der Bearbeitung des Figurenblockes nie begonnen.
1924 konnte der weitgehend fertiggestellte Sockel von Laas nach Leipzig überführt werden und nach einer Überarbeitung durch den Leipziger Bildhauer Johannes Hartmann im Klingerhain des Palmengartens in der Nähe des Elsterwehr aufgestellt werden, wo er bis 2010 verblieb, bemoost und besprayt, im Volksmund als „Pornowürfel“ bekannt. Das Relief an der Vorderseite zeigt drei nackte, eng umschlungene Frauenfiguren, eine Versinnbildlichung des Wagnerschen Gesamtkunstwerkes aus Musik, Dicht- und Schauspielkunst, fälschlicherweise auch als Rheintöchter angesehen.
Zwei der drei Reliefs zeigen den drachentötenden Siegfried und Parsifal mit der Gralsbotin Kundry.
Die vom Krieg beschädigte Treppe wurde 1970 für den Bau der Stasi-Bezirkszentrale entferntund erst nach der Wende in Einzelteile zerlegt auf einer Mülldeponie wiederentdeckt. Die Grundsteinlegung zur Neuerrichtung der monumentalen Anlage am ehemaligen Matthäikirchhoffand am 7.April diesen Jahresstatt, wo der Sockel, mit Finanzmitteln aus Spendenaktionen des Vereines der Freunde von Max Klinger restauriert, Ende 2010 neu erstrahlen soll. Doch wie ergänzt man den wuchtigen Torso des Superstars des deutschen Fin der Siecle, der trotz aller Bravourstücke nicht unumstritten blieb?
Thomas Krakow will die Tradition hochhalten undeine Replik der Wagner-Figur in Auftrag geben. Der Wagner –Denkmal –Vereinmit dem FreundeskreisMax Klinger, zahlreichenVertretern der Stadt undKunstexperten dagegenstrebt einen Wettbewerb namhafter, international bekannter Künstler an, wobei das Geld wohl nurfür drei von zehn reichen wird. Eine offizielle Listegibt es nicht, aber seit Februar diesen Jahres wird unter der Hand ein Name genannt und bereits im Vorfeld einer Entscheidung kontrovers diskutiert: Jonathan Meese auf den Klinger-Sockel? Subversion contra Tradition? Ein Sachverständigenforum der Stadt zusammen mit den Vorsitzenden der vier Vereine tritt im Mai zusammen undwird weiter und heftig über ein Denkmal diskutieren , dasaus heutiger Sicht den Meister ehren, den jungen Wagner ins Blickfeld rücken und ein eigenes Image für die Wagner-Ehrungin Leipzig schaffen soll.
„Die Leipziger Wagner-Ehrung braucht ein markantes Alleinstellungsmerkmal, um sich von anderenWagner-Orten abzuheben“, betont der Wagner-Denkmal-Verein in seinem Newsletter vom 07. Mai und stellt in Aussicht, dass eine Juryfür die Auswahl der besten Entwürfe bis zum Sommer ernannt werden soll.Am Todestag Richard Wagners im Februar 2011 wird man den Sieger-Entwurf für das Denkmalvorstellen- eine Vollendung des Klinger-Sockels durch eine neue und zeitgemäße Wagner-Darstellung, die nicht nur den Meister sondern auch Leipzig als Kunst- und Kulturmetropole ehrt.
Literatur:
Grit Hartmann: „Richard Wagner gepfändet/ Ein Leipziger Denkmal in Dokumenten 1931-1955“ Forum-Verlag Leipzig, 2003
Solveig Weber: „Das Bild Richard Wagners/ Ikonographische Bestandsaufnahme eines Künstlerkults“ B. Schott`s Söhne Mainz, 1993, Band I/ II
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