Die japanische Literatur ist den meisten Nicht-Japanern fremd. Ein Glück, dass die Schriftstellerin Yoko Tawada schon seit beinahe 40 Jahren in Deutschland lebt. Im japanischen Original lautet der Titel ihres letzten Buches „Kentoshi“, was „Botschafter“ bedeutet. Der Botschafter oder Sendbote soll die japanische Isolation durchbrechen. Yoko Tawada ist eine solche Sendbotin. Warum „Sendbo-o-te“ mit Doppel-o geschrieben wird, wird nicht verraten.
Sendbo-o-te: Roman
von Yoko Tawada
Verlag: konkursbuch (1. März 2019)
ISBN-13: 978-3887696887
200 Seiten 12,90 €
Der Roman ist nicht in Kapiteln unterteilt. Er ist so spannend, dass es beinahe unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu lassen. Die Spannung nimmt im Lauf der Geschichte derart zu, dass es ein Frevel wäre, das Ende der Erzählung zu verraten.
Nur soviel: Die Alten werden immer älter und müssen die alltäglichen, notwendigen Arbeiten übernehmen, da die behinderten Jüngeren früh sterben. Warum dem so ist, bleibt bis zum Schluss ein Rätsel. Doch dieses Rätsel belastet den Leser nicht, lässt ihn nicht am Weiterlesen verzagen. Des Rätsels Lösung ist zweitrangig. Es sind die fremden japanischen Charaktere, die uns in ihren Bann ziehen und die wir zum Ende des Buches etwas besser verstehen werden.
Das Buch bespricht die Mutation, die offiziell „Umweltanpassung“ heißt.
In der Schule gibt es Ärzte. Fiebersenkende Medikament sind verpönt. Die neueste Anweisung lautet: Lasst das Fiebermessen!
Die Jungen erkennt man am krummen Rücken.
Die Natur reguliert sich selbst: Dort, wo vermehrt weibliche Föten abgetrieben werden, wechseln die Menschen im Laufe ihres Lebens– zuweilen mehrmals – das Geschlecht.
Sorry-men sind Professionelle, die für gelungenes Entschuldigen bezahlt werden.
Unbrauchbar gewordene Wörter schmeißt man nicht weg wie altes Geschirr!
Ein wunderbarer Ausdruck: Ofen des Vergessens.