Mit leichten Frivolitäten in unmittelbarer Nähe zu Bayerns Wallfahrts-Heiligtum Numero 1, der Heiligen Kapelle von Altötting? O ja. Mit Recht. Max Raabe, der „betont charmante Lausbub im Frack“, der seit Jahren ohne Mikro vor dem singenden Mund nicht selig wird, hat durchaus katholische Beglaubigungs-Momente in seiner Vita, die 1962 im nordrhein-westfälischen Lünen begann und, vorerst, in Berlin endete. Dazu zählt der Besuch des Clemens-Maria-Hofbauer-Kollegs des Erzbistums Paderborn. Der ausgebildete Opern-Bariton mit bewusst prätentiös altmodischen Manieren und streng gescheiteltem Haar gastierte mit dem von ihm gegründeten Palast-Orchester an Bayerns Vorzeige-Pilgerstätte mit seinem Programm „Eine Nacht in Berlin“ – und 2200 wollten ihn als den letzten singenden gutbürgerlichen Nostalgiker erleben.
Die Sache mit dem Draht zu Petrus als Schönwettergarant für 2 Stunden beinahe ausverkaufter Livemusik von nobelster Sorte hatten bereits im Vorfeld Altöttings Erster Bürgermeister Herbert Hofauer und VR-Raiffeisen-Kulturveranstalter Reinhard Rauscher geklärt. Kein Tropfen edlen Nasses vom sich schon auf Regen-Wolken einrichtenden Himmel über Altötting! Dafür ein satt klingendes, bestens gelauntes, zwölffach besetztes Palast-Orchester Berlin – würdige, fesche Herren in Schwarz mit Ausnahme einer schönen Violinistin: Flügel, viermal Saxophon, Tuba, Bass, kleines Schlagzeug, drei Gitarren, Trompete, Posaune. Die berlinerische Chuzpe, dazu ein überhebliches Lächeln auf jedem Musiker-Gesicht: Das musste ja gut gehen. Dabei scheint es Raabe, diesem Ausbund an Oldies-Archäologen, wurscht zu sein, ob das, was er brav und mit modulationsfähiger Stimme, stets textverständlich, vorträgt, große Satz- und Setzkunst ist oder ein wenig abgeschmackt daherkommt à la „Ich steh mit Ruth gut – Ich weiß, was ihr gut tut“ oder „Mein Gorilla hat `ne Villa – wo? Im Zoo“.
Raabe steht reglos, wenn er in Aktion ist, zart und schmal, biegsam und mit unverwechselbarem Einschmeichel-Lächeln des Wissend-Arroganten, vor dem Mikrophon und zieht, auswendig und freilich auch routiniert, zweimal zehn Programm-Nummern ab, für deren bravouröse Wiedergabe er jedes Mal Applaus kriegt und diesen wie ein braver Einserschüler mit einer gut einstudierten artigen Verbeugung entgegennimmt. Er trifft mit all seinen ausgesuchten Stücken den so oft verbogenen menschlichen Beziehungs-Nagel auf den Kopf, lässt schmunzeln über, ach, so viele schöne, hier dichterisch verbrämte, dort banale Wahrheiten in Liebes- und Ehe-Dingen, in losen Liaisons wie in – scheinbar – festen Bindungen von frisch gebackenen Pärchen und abgebrühten Paaren. Männlein und Weiblein – wobei letztere fast stets die Oberhand gewinnen und ihren tumben Anbetern allzu gern eins auswischen. Von Kopf bis Fuß war Raabe, nach dem unverwüstlichen Friedrich Holländer-Song – wie immer schon – „auf Liebe eingestellt …“ Ja das ist seine Welt, und sonst gar nix.
Von sich „und seiner Welt“ gibt der ewig Jungenhafte kein Sterbenswörtchen preis, wo er doch so nette Stories erzählt, witzig, cool und mit gespieltem Ernst. Gern wüsste, wer dem schillernden Max Raabe zweimal 60 Minuten lang zuhört – und in der Pause wohl auch noch einen seiner ungeniert zum Erwerb „zwecks gezielter persönlicher Bereicherung“ angebotenen Tonträger erwirbt – ob er und wie er verbandelt ist, ob er und wie er auch anders könnte, als den vor allem deutschen Schlager der 1920/30-er Jahre wiederzubeleben. Gerade dies macht diesen großen Künstler mit Einmaligkeits-Marke, Max Raabe, so anziehend. Er ist einer, der es listig versteht, seine Geheimnisse zu wahren.
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