Die Verteidigungsministerin tritt zurück. Nun soll in der kommenden Woche bekannt gegeben werden, ob sie tatsächlich aus dem Amt scheidet und wer ihr nachfolgen soll.
Der Umgang mit dieser Personalfrage zeigt das ganze Dilemma der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik wie in einem Brennglas: Zögern, abwarten, das Versteckspiel hinter den Partnern in der EU und der NATO sind der Wesenskern der Politik der Bundesregierung. Kurz nach dem Jahreswechsel wurde die Bundesregierung überrascht vom Vorstoß des französischen Präsidenten, nun doch Transport- und Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Ganz eilig wurde erklärt, das werde die Bundesregierung jetzt auch tun, und dies sei alles gut abgestimmt mit Frankreich. Tatsächlich haben längst die Amerikaner und die Franzosen die Initiative an sich gezogen, darüber zu befinden, wie in NATO und EU denn mit dem seit fast einem Jahr andauernden Krieg in der Ukraine umgegangen werden soll und welche Auswirkungen dieser Krieg denn auf die Verteidigungspolitik insgesamt haben muss.
Ein ähnliches Muster zeigt sich in der angekündigten und für das Jahresende 2022 vorgesehenen Veröffentlichung einer nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Zwischen Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium gibt es offenbar erhebliche Meinungsunterschiede über den Inhalt und vor allem die Zuständigkeit. So kann die Bundesaußenministerin viele Besuche in der Welt und zuletzt einen durchaus mutigen Besuch in der Ostukraine machen: Die Bilder bleiben folgenlos, wenn dahinter nicht eine Sicherheitsstrategie steht, die Deutschland darauf vorbereitet, womit wir in den nächsten Jahren rechnen müssen, nämlich eine anhaltende Gefährdung unserer Freiheit und unserer Sicherheit auf vielen Ebenen, durch Naturkatastrophen ebenso wie durch Ausspähung unserer staatlichen Institutionen, durch militärische Gewalt in unserer Nachbarschaft wie durch zunehmende Cyberangriffe auf Unternehmen und kritische Infrastruktur. Wir sind auf die vielfältigen Gefährdungen unserer Sicherheit nicht ausreichend gut vorbereitet.
Vor diesem Hintergrund bekommt die Personalfrage um das Amt der Bundesverteidigungsministerin noch einmal eine ganz andere Dimension: Hat die SPD, die dieses Amt nach dem Koalitionsvertrag ja wieder besetzen soll, überhaupt eine ausreichende Personalreserve, um den Anforderungen der führenden Regierungspartei an unsere Sicherheit gerecht zu werden? Oder wird der parteiinterne Personalproporz wieder einmal die wichtigere Rolle spielen? Am Donnerstag kommt der amerikanische Verteidigungsminister nach Deutschland, um die nächste Unterstützungskonferenz für die Ukraine zu leiten. Er wüsste vermutlich schon ganz gern, ob aus Deutschland ein Verteidigungsminister daran teilnimmt, der etwas von Verteidigungspolitik versteht.
Quelle: MerzMail