Artet die Entlassung des Architekten für den Neubau der Zentralmoschee in Köln zum Kulturkampf aus?
„Unüberbrückbare Differenzen“ bei der Bauausführung, Terminplanung sowie bei den Kosten werden dem Architekten vorgeworfen, der „in der technischen Abwicklung den eigenen gestalterischen und qualitativen Anforderungen nicht mehr gerecht“ wird. So lautet im Kern die Begründung, warum die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) als Bauherrin der geplanten Kölner Großmoschee ihrem Architekten Paul Böhm mit sofortiger Wirkung gekündigt hat. Böhm, der sich in den teilweise hitzigen Debatten um den Neubau stets weit mehr denn nur als kompetenter Architekt und Bauleiter für die Moschee positioniert hat, wehrt sich gegen die Anschuldigungen und kündigte seinerseits. „Es gibt ein massiv erschüttertes Vertrauensverhältnis“, so der bekannte Baumeister, der in Branchenkreisen als akribischer und penibler Arbeiter gilt. Böhm, der einer berühmten Architektenfamilie entstammt, die sich seit drei Generationen vor allem als Erbauer von Kirchenbauten einen Ruf erworben hat, weist die gegen ihn zwei Jahre nach der Grundsteinlegung sowie sieben Monate vor der geplanten Fertigstellung erhobenen Vorwürfe entschieden zurück.
„Da werden persönliche Strukturen oftmals mit diffusen Vorbehalten wie Überfremdung oder Islamisierung (…) als Stellvertreter-Ängste für die Ablehnung des Moscheebaus instrumentalisiert.“ Dies entgegnete Paul Böhm vor genau vier Jahren in einem Magazininterview auf das Verhalten der Kritiker am Neubau einer Zentralmoschee im Herzen von Köln. Sollten die Kritiker Recht behalten?
Eine eilends einberufene Pressekonferenz der Ditib brachte keine Klarheit, im Gegenteil, der Streit eskaliert weiter. Zwar nahm die Bauherrin erstmals konkret zu ihren Gründen für die Entlassung des Architekten Stellung und verwies auf angeblich rund 2000 Baumängel, die ein externer Gutachter identifiziert haben will, unter anderem „erhebliche Farbabweichungen der Kuppelschalen, falsch montierte Stahlunterkonstruktionen und die Abweichung der Außenschalen um 23 Zentimeter in der Symmetrie“. Die ursprünglich veranschlagten Kosten von 17 Millionen Euro für den Gesamtkomplex würden nun auf 34 Millionen Euro veranschlagt. Die Bauherrin will deshalb beim Baumeister Schadenersatzansprüche „möglicherweise in Millionenhöhe“ einfordern. Das abschließende Urteil in der verteilten Presseerklärung, die sich auf ihren über drei Seiten zeitweise wie eine Anklageschrift liest, lautet: „Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt.“
Unterstützt wird er unter anderen vom Bund Deutscher Architekten (BDA). Die Skepsis am Vorgehen der türkischen Religionsbehörde nimmt zu. Nicht nur aufgrund der vielfach nur unzureichend, nicht beantworteten oder gar nicht erst zugelassenen Fragen sowie den teilweise turbulenten Wortgefechten zwischen Medienvertretern und Ditib-Verantwortlichen bei der sogenannten Pressekonferenz. Fragen seien ausschließlich zu den angeblich vom Architekten zu verantwortenden Baumängeln zugelassen, hieß es eingangs. Dass die Zusammenkunft von der Ditib-Presseverantwortlichen nach rund einer Dreiviertelstunde abrupt beendet wurde, sorgte für lautstarken Unmut. Zwei Tage später folgte eine Presseerklärung, in der die Ditib den Verlauf der Veranstaltung bedauert.
Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der sich stets als großer Befürworter und Freund des Vorhabens gezeigt hat, meinte nach der Veranstaltung sichtlich betroffen: „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Er forderte die Ditib auf, mehr Offenheit zu zeigen und nannte deren Vorgehen „ungeschickt und unglücklich“. Darüber dürfte auch er selbst höchst unglücklich sein: Als Stadtoberhaupt hatte er sich vehement für den Moscheebau eingesetzt und sah sich teilweise sehr persönlichen Anfeindungen aus den eigenen Reihen ausgesetzt.
Immer deutlicher in der Debatte wird nun auch auf den Personalwechsel im Ditib-Vorstand und dem eventuell damit verbundenen politischen und ideologischen Kurswechsel hingewiesen. Das Gebäude sei der neuen Spitze möglicherweise zu fortschrittlich, so die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Die Frage, ob die Bauherrin möglicherweise die Absicht verfolgt, den Böhmschen Entwurf – insbesondere die Betonfassade – zu verändern, blieb bei der Pressekonferenz trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet.
Auch Böhm hatte auf die immer schwierigere Zusammenarbeit mit dem neuen Vorstand verwiesen. Er selbst hatte am Rohbau des rund 35 Meter hohen Kuppelbaus, der von zwei 55 Meter hohen Minaretten flankiert wird, lediglich 80 Mängel beanstandet, die bei Bauten dieser Größenordnung normal seien. Die Fronten scheinen ebenso verhärtet wie der Beton des bereits weit fortgeschrittenen Baus im Stadtteil Ehrenfeld. Beide Seiten überziehen sich mit Vorwürfen, es droht ein langfristiger Rechtsstreit. Böhm nennt die ihm vorgeworfenen Baumängel eine „polemische Aufzählung und in höchstem Maße rufschädigend“. Dass die Kosten erheblich höher ausfielen, begründet er mit dem Hinweis auf nachträgliche Änderungen und Sonderwünsche des Auftraggebers während der Bauphase. Bemerkenswert vor diesem Hintergrund die Einschätzung des kommunalen Bauaufsichtsamts. Aufgrund der aktuellen Ereignisse seien Informationen über die angeblichen Mängel erbeten worden, so der zuständige Amtsleiter. Er verweist aber auch darauf, dass seine Mitarbeiter, die regelmäßig alle sechs bis acht Wochen die Baustelle besuchen, „keine Probleme über dem normalen Maß“ festgestellt haben.
Ob der Moscheebeirat, der mit namhaften Vertretern des öffentlichen Lebens besetzt und für Transparenz sowie offene Kommunikation während der Baurealisierung eingesetzt worden ist, in seiner Sitzung am 10. November dazu beitragen wird, Einvernehmen herzustellen, erscheint ebenso unwahrscheinlich wie die geplante Moschee-Fertigstellung im Mai 2012. Viele Beiratsmitglieder sind nämlich verärgert, weil die Ditib sie nicht über die Kündigung des Architektenvertrags informiert hatte. Kritiker des Projekts mögen sich bestätigt sehen, weil allenthalben nun jene Transparenz eingefordert wird, die sie von Anfang an ohnehin nicht gewährleistet sahen. „Vertrauen gewinnt man nur durch Transparenz“, so etwa der Kölner CDU-Vorsitzende Jürgen Hollstein, dessen Stadtratsfraktion im Jahr 2006 zusammen mit SPD, FDP, Linke und Grüne für die Realisierung des Böhm-Entwurfs gestimmt hatte. Der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD), ursprünglich eigentlich einer der großen Befürworter, stellt ernüchtert fest: „Ich war immer ein Freund der Ditib, aber es kann keine Rede von der immer wieder versprochenen Transparenz sein.“ Und Christian Schaller, Vorstandschef im Kölner „Haus der Architektur“ und ebenfalls Befürworter des Moscheebaus, bezweifelt inzwischen die Seriosität des Bauherrn.
Ob Paul Böhm vor diesem Hintergrund noch zu seiner These steht, die er im eingangs erwähnten Interview im Jahr 2007 zur Kölner Zentralmoschee getätigt hat? „Die Moschee steht für Integration, Religionsfreiheit und Toleranz.“
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