Es gibt anscheinend nur ein „gültiges“ Foto von Carry Brachvogel. Und das gelang dem Münchner Fotograf Theodor Hilsdorf: „Kniestück, sitzend, Gelatineentwicklungspapier, getont, Vintage Print, 214 x 163 mm, o. J.“ – so beschreibt es die Sammlung Graphik und Gemälde des Münchner Stadtmuseums. Auf die lässig, aber selbstbewusst auf einer Chaiselongue ruhende feine Dame im schwarzen Samtkleid geht der Besucher der Monacensia- Ausstellung „Evas Töchter“ direkt zu. Fotos von Marie Haushofer, Emma Merk und Max Haushofer fallen neben der dominanten Dame rechter Hand etwas mager aus. Die Herrschaften schauen auch gar nicht so couragiert wie diese in die Welt.
„Modern sein heißt für die Frau ein eigenes Gesetz in der Brust tragen“, verkündete die Brachvogel vor 106 Jahren. Dass sie, eine exponierte Schriftstellerin und Feministin im München der vorletzten Jahrhundertwende, sich kein X für ein U vormachen ließ, drückt Hilsdorfs Konterfei überzeugend aus. Bürgerlichkeit verleugnet es nicht, zeigt aber auch Gelassenheit und Optimismus: Wir Frauen werden es euch zeigen! Das Kämpferische kommt klar durch, das Heitere der Bohème fehlt. Es geht ihnen allen ab, die da unter dem Sammelnamen „Evas Töchter“ in der von Ingvild Richardsen adäquat selbstbestimmend und frauenrechtlerisch in Szene gesetzt wurden: Anita Augspurg mit ihrer Partnerin Sophia Goudstikker, Ika Freudenberg, Emma Merk, Marie Haushofer, Helene Böhlau, Emmy von Egidy und Eva Gräfin von Baudissin. Vergessen sind sie mehr oder weniger alle. Nun tauchen sie aus den Tiefen der bayerischen Frauenbewegungs- und Literaturgeschichte herauf und wenden sich mit allerhand Dokus, Fotos, artifiziellem Ambiente und Memorabilien an die Nachwachsenden.
Die 1864 geborene Münchnerin Karoline Hellmann, die mit 23 den Romancier Albert Emil Brachvogel ehelichte – in Neuaubing erinnern eine Straße und ein Platz an ihn – entstammte einem jüdisch-bayrischen Elternhaus. Sie wurde in ganze Deutschland in Sachen Frauenbewegung und Kultur zum Begriff. Ihre journalistischen Essays, ihr dichterisches Werk, ihr Auftreten als weitgereiste, kreative, emanzipierte Frau von Welt, ihr Münchner Literatur-Salon: alles Legende! „Im weiß-blauen Land“ nennen Richardsen und Michael Appel vom BR ihren Film. Er erzählt die Geschichte der Carry Brachvogel. Die traurig endet: Ihre jüdische Herkunft führte 1933 zu Berufsverbot, 1942, zusammen mit ihrem Bruder Siegmund Hellmann, zur Deportation nach Theresienstadt. Hier mussten beide ihr Leben lassen. Den halbstündigen Film zeigt man, bei freiem Eintritt, eingeführt von der Kuratorin Ingvild Richardsen, am 11. April um 19 Uhr in der Monacensia im Hildebrandhaus, Maria-Theresia-Straße 23. Anmeldung unter monacensia.programm@muenchen.de. Die Ausstellung „Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894 – 1933“ dauert bis 16. September. Sie ist von Mo bis Mi und Fr von 9.30 bis 17.30 Uhr, Sa und So von 11 bis 18 Uhr und Do von 12 bis 19 Uhr geöffnet. Über weitere Ausstellungs-Aktionen informieren das Internet und eine Broschüre (Tel. 089/419472-0).
Foto (Hans Gärtner)
Carry Brachvogel (1864 – 1942) – nach dem berühmten Hilsdorf-Foto (Detail) im Band „Die Fraueninsel“ von Ingvild Richardsen (Volk-Verlag, München 2017, S. 239)