Nein, sie nennen sich heute natürlich nicht Herrenmenschen, sondern Menschen mit Haltung – das ist aber eine Äußerlichkeit. Der Kern ist eine Denke, die meint, diesmal solle an der deutschen höheren Moral die Welt genesen. Die woken Deutschen wollen Weltmeister sein, im Klimaschutz, in der Migrationsfrage, im Kampf gegen „rechts“, in der Umerziehung der Menschen, um ihn für die „neue Weltordnung“ abzurichten, für die, das hat uns Außenministerin Baerbock verraten, der Ukrainekrieg geführt wird.
Die woke, oder, wie es bis vor Kurzem hieß, politisch-korrekte Propaganda hat inzwischen alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdrungen, von den Kinderbüchern bis zum allabendlichen Krimi. Die täglichen Nachrichten werden von willigen Kulturschaffenden, von Kinderbuchautoren, Schriftstellern, Liedermachern, Satirikern, Drehbuchautoren und Stückeschreibern bis hin zu Unterhaltungskünstlern, woke garniert und vertieft. Ganz vorn dabei sind die Öffentlich-Rechtlichen, die jeder von uns gezwungen ist, mitzufinanzieren.
Wenn mir in den heute so golden scheinenden 90er Jahren jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages auf Tagesschau, Zeitungen und Tatort verzichten würde, um meine Gesundheit nicht zu gefährden, hätte ich ihn ausgelacht. Nun sind es schon mehr als anderthalb Jahrzehnte, dass ich diese Dinge nicht mehr zur Kenntnis nehme. Dabei habe ich wohl übersehen, wie weit die permanente Gehirnwäsche fortgeschritten ist.
Wenn sich Facebook-Freunde oder Twitter-Follower über einen Polizeiruf oder eine Talkshow aufregten, was inzwischen fast täglich geschieht, sagte ich mir: Warum tut ihr euch das denn an? Wir leben in Zeiten, wo wir nicht wie in der Sowjetunion, oder im orwellschen EngSoz, zwangsbeschallt werden. Die sind glücklicherweise vorbei und kommen hoffentlich nicht wieder. Wobei man, was Letzteres betrifft, nicht mehr sicher sein kann. Schließlich haben wir auch geglaubt, dass mit der DDR das staatlich geforderte und geförderte Denunziantentum endgültig Geschichte wäre. Dabei feiert es in den massenhaft eingerichteten Denunziantenportalen fröhliche Urständ.
Gestern Abend kam ich von einer anstrengenden Reise zurück und schaute ausnahmsweise ins Fernsehprogramm, ob nicht ein sehenswerter Film gesendet würde, was immer seltener, aber ab und zu noch vorkommt. Fehlanzeige. Mein Blick war auf dem ARD-Angebot „Die Diplomatin“ hängen geblieben, weil die Hauptdarstellerin die Ex-Geliebte eines schon vergessenen Außenministers war. In der Ankündigung stand, dass die Story in Rom spielt und die dunkeln Machenschaften von Polizei, Vatikanbank und Baulöwen enthüllt. Der Schreiber dieser Zeilen, die ich nur sinngemäß wiedergegeben habe, räumte ein, dass die Macher des Films zu oft Klischees bemüht hätten, aber immerhin wäre das Ende überraschend und tragisch. Ich winkte innerlich ab, schaltete nach einer Viertelstunde aber doch den Apparat ein, weil ich sehen wollte, wie sehr diese Klischees den Film beherrschten. Die Ankündigung hatte untertrieben. Der ganze Film war ein einziges Klischee, das des moralisch überlegenen deutschen Herrn- Verzeihung, Haltungsmenschen über den Rest der korrupten, moralisch verkommenen Welt, hier verkörpert von Italien, der dringend vorgeführt werden muss, wie die deutschen Haltungs-Eliten die woke Welt beherrschen wollen.
Die Story war einfach gestrickt. Die Tochter eines deutschen Bauunternehmers wird in Rom entführt. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft ist Augenzeuge, versucht die Entführung zu verhindern und wird stattdessen von den maskierten Entführern auch gekidnappt.
Die Botschafterin hat es deshalb mit der italienischen Polizei, dem Innenminister persönlich, dem Bauunternehmer und den Vertretern der Vatikanbank zu tun, denen man schon ansieht, dass sie alle Dreck am Stecken haben. Das hat die Botschafterin natürlich sofort bemerkt und lässt in ihren Gesprächen mit den betreffenden Personen durchblicken, dass sie ihnen haushoch überlegen ist und sie dafür sorgen wird, dass z.B. der Bauunternehmer als Bösewicht enttarnt wird.
Dem Innenminister gibt sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz eins mit, indem sie, als er von der Notwendigkeit, Terrorismus zu bekämpfen redet, widerspricht, dies sei nicht die Haltung der deutschen Regierung.
Die Entführer fordern zehn Millionen Lösegeld und ein Baugutachten, das verschwunden ist, weil es den Einsturz eines von eben jenem Unternehmer neu gebauten Hauses, in dem auch ein Kindergarten untergebracht war, vorausgesagt hat.
Italienische Polizei, Vatikanbank und Bauunternehmer stecken natürlich unter einer Decke, die alles vertuschen soll.
Der aus Prag herbeigeeilte Lebensgefährte der Botschafterin findet in einer Stunde heraus, dass es wirklich ein Gutachten gegeben hat, was der italienischen Polizei nicht gelungen war. Die Frau des Unternehmers, erschüttert über die Falschheit ihres Mannes, verrät der Botschafterin den Namen und die Adresse des Gutachters. Dies wird von einem Mitarbeiter der Vatikanbank beobachtet, der sofort an seine Hintermänner weitergibt, dass ein Problem aufgetaucht ist.
Der Lebensgefährte fährt zum Büro des Gutachters, steht aber vor verschlossener Tür. Kein Problem für einen deutschen Haltungsmenschen, für den im Kampf um das überlegene moralisch Gute kein Gesetz im Wege stehen darf. Er bricht in das Büro ein, findet natürlich das Gutachten, gibt seinen Erfolg an die Botschafterin weiter und will das Dokument schnellstens zur Botschaft chauffieren. Aber ach, kaum sitzt er hinter dem Steuer, kommen zwei von der Vatikanbank gesteuerte Mafiosi auf dem Motorrad daher, schießen den Haltungshelden nieder und nehmen das Gutachten mit.
Inzwischen hat der entführte Botschaftsmitarbeiter herausgefunden, dass die Entführer herzensgute Kämpfer für die Gerechtigkeit sind und sich auf ihre Seite geschlagen. Die Bauunternehmerstochter war gar nicht wirklich entführt worden, sondern machte bei deren Inszenierung mit, weil sie sich in den Chef der grundguten Entführerbande verliebt hatte. Warum neben dem Gutachten auch noch zehn Millionen Lösegeld gefordert wurden, lässt der Film übrigens offen.
Bei der Lösegeldübergabe, die sich die Botschafterin nicht nehmen lässt, selbst zu vollziehen, greift die hinterhältige italienische Polizei ein und nimmt den Empfänger fest. Die Botschafterin ist maßlos empört und beschließt, den Italienern nun endgültig zu zeigen, wie man solche Dinge richtig regelt. Sie macht den Entführern ein Angebot, in die deutsche Botschaft zu kommen, um auf einer von ihr einberufenen Pressekonferenz ihr Anliegen zu verkünden. Anschließend sollen sie sich der Polizei stellen. So geschieht es. Nachdem sie ihre Anklage erhoben, aber verschwiegen haben, was sie mit den zehn Millionen vorhatten, lassen sich die Entführer von der Polizei abführen.
Aber gemach, bevor ein woker Zuschauer noch empört sein kann, erfährt er, dass den Kämpfern für das Gute nichts passieren wird. Nachdem die Bauunternehmerstochter schon auf der Pressekonferenz gesagt hat, dass sie nicht wirklich entführt worden sei, wird der Botschaftsmitarbeiter jede Aussage zu seiner Entführung verweigern. Danach bleibt den perfiden Italienern nichts anders übrig, als die Kidnapper zu entlassen.
Der Botschaftsmitarbeiter ist inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass das System nur mit den Mitteln seiner Entführer bekämpft werden kann. Er will nicht mehr im diplomatischen Dienst beschäftigt sein, sondern sich ihnen anschließen.
Natürlich widersteht das deutsche moralisch Gute auch den Vatikankugeln, jedenfalls so halb. Der Lebensgefährte ist nicht tot, sondern nur verwundet. Die Chancen stehen gut, dass er im nächsten Film, anders als der ausgestiegene Botschaftsmitarbeiter, wieder an der Seite der Diplomatin zu sehen sein wird.
Richtig gruselig wird es am Ende. Die Botschafterin steht auf der Terrasse ihres Amtssitzes, während im Off eine ungeheuer schnulzige Variante des italienischen Partisanenliedes Bella ciao gedudelt wird.
Diese kulturelle Aneignung haben die italienischen Partisanen, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus und später gegen den Nationalsozialismus riskiert und oftmals verloren haben, nicht verdient.
Quelle: Vera Lengsfeld