Inzwischen hat es sich rumgesprochen: An Münchens Nationaltheater steht ab sofort ein Super-Pult-Star: GMD Kirill Petrenko. Als Einstands-Werk blieb ihm keine andere Wahl als Richard Strauss / Hugo von Hofmannthals komplizierteste Gemeinschaftsarbeit aus dem Jahr 1915: „Die Frau ohne Schatten“. Die 4stündige Oper wurde vor 50 Jahren zur Wiedereröffnung des Nationaltheaters am 21. November gespielt, und dieser Anlass führte zu einer Neueinstudierung, mit der Petrenko gleich einen beispiellosen Erfolg für sich und das Bayerische Staatsorchester verbuchen konnte. Seit der Premiere reißt die Begeisterung für rar gewordene „FroSch“-Karten am Nationaltheater nicht ab. „FroSch“ – so nennen seit Urzeiten die Opernmusiker dieses Werk – vielleicht auch deshalb, weil es schon so zungenbrecherisch betitelt ist, wie es inhaltlich halsbrecherisch daherkommt.
Denn kaum einer, der Petrenko und seinem fulminant-präzisen, lyrisch zarten wie dramatisch aufgeladenen, schwelgerischem und bis an die Grenzen des Expressionistischen dieser hochmodern rübergebrachten „neuen“ Musik gehenden Dirigat enthusiastisch anhängt, dürfte in der Lage sein, die Story und deren Sinngehalt bis ins Detail getreu wiederzugeben. Leider schlüsselt der Regiestar aus Polen Krzysztof Warlikowski weder Plot noch Pointe für ein doch wohl nicht in aller Neo-Romantik sich zu Hause fühlendes Publikum auf. Im Gegenteil, er setzt mit seiner Ausstatterin Magorzata Szczesniak filmische Rätselfigurationen ein, die bei Resnais` 1960er Streifen „Letztes Jahr in Marienbad“ anfängt und mit Batman, Marylin, KingKong, Gandhi und einem Kitsch-Jesus im ironischen Schlussbild endet. Das alles gibt traumhafte Momente ab, immer wieder wird Sigmund Freud-Atmosphäre, gespickt mit Waschsalon-Niederungen (statt Färberwerkstatt), im Grünen grasenden Rehen und an Tischchen agierenden Falkenkopf-Kindern es unmöglich gemacht, der Szene, so frappierend sie sein mag, auch Gehalt abzugewinnen.
Bleiben die Sänger, auf die Petrenko so sehr wie keiner seiner Kollegen Rücksicht nimmt, die der Neuproduktion einen Münchner Operngeschichts-Stempel aufdrücken: Johan Bothas zauberhaft schmelzender Kaiser (der, seiner Gattin, alias Adrienne Pieczonka, sei Dank, nicht versteinern muss), Wolfgang Kochs in sich ruhender, drei Brüder versorgender, es jedoch seiner Gattin (glänzend: Elena Pankratova) nicht mehr „besorgender“ Barak, die stimmlich schon in die Jahre gekommene, aber hexenhaft mephistophelisch wirkende Deborah Polaski und Sebastian Holeceks souveräner Geisterbote. Der Besetzungszettel strotzt nur so vor singendem, tanzendem und schauspielerndem jungem „Gemüse“ – ganz entzückend die winzigen Mädchen, deren Rollen so wirr sind wie die ganze Geschichte um das sich endlos hinziehende Abluchsen eines Schattens für die Kaiserin aus der Upperclass, der, wie ihr Pendant aus der Welt der Underdogs, die Stricher-ergebene Färberin, die Mutterschaft versagt ist.
Psychoanalytisch Geschulte werden Baraks Rolle als Therapeut sehen, aber was soll`s: Selbst der Dichter konnte nicht klar wiedergeben, wie und was er da fabrizierte. Ein Wunder eh, dass Richard Strauss dieses Libretto so grandios tonal ausdeutete, dass man nur in die Knie gehen kann angesichts solch rauschhafter Klangfülle und Expressivität.
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