„Und Nietzsche weinte“ – Eine Erfolgsgeschichte des Psychoanalytikers Irvin Yalom

Meereswogen, Foto: Stefan Groß

„Und Nietzsche weinte – ein internationaler Erfolg seit 25 Jahren.

Im Jahr 1993 veröffentlichte der bekannte Psychoanalytiker und Schriftsteller Irvin Yalom sein Werk „When Nietzsche wept“. Kurze Zeit später ist dieses Buch in deutscher Übersetzung erschienen= „Und Nietzsche weinte“ (1994). Das Werk wurde ein internationaler Bestseller, wurde in Theaterversionen auf Bühnen inszeniert und ist erfolgreich verfilmt worden. Rückblickend ist es für den Erfolgsautor Irvin Yalom bis heute eine seiner größten Erfolgsgeschichten. Der Verlag Randomhouse, der die deutsche Ausgabe verlegt, bezifferte die weltweiten Verkaufszahlen dieses Buches auf mehr als fünf Millionen Exemplare.

Aufbau und Inhalt

Irvin Yalom ist als Psychoanalytiker besonders von der Beziehung zwischen Lou Andreas-Salomé und Friedrich Nietzsche fasziniert. In seinem Roman tauchen fiktiv folgende fünf Hauptpersonen auf: Josef Breuer, Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud, Lou Andreas-Salomé und Berta Pappenheim. Als Nebenfiguren erscheinen Paul Rée und Elisabeth Förster-Nietzsche. Hauptteil des Romans ist eine psychotherapeutische Behandlung zwischen Josef Breuer und Friedrich Nietzsche, die von Lou Andreas-Salomé initiiert wurde. In der Behandlung kommt es zu einer Rollenumkehr: Nietzsche wird zum Therapeuten und Erlöser für Josef Breuer. Die erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung führt zu einer Freundschaft zwischen Breuer und Nietzsche. Beide umarmen sich und Nietzsche weinte. In der Schlussszene erkennt Nietzsche seine Einsamkeit. So sehr wie Breuer die Freiheit fürchtet, so ängstigt Nietzsche die Verbundenheit und die Familie. Nietzsche gesteht Breuer in der Schlussszene:

„Seltsam, aber im nämlichen Augenblick, da ich meine Einsamkeit in ihrer ganzen Bodenlosigkeit zu erkennen gebe, in diesem selben Augenblick schmilzt die Einsamkeit weg!“ Und Breuer antwortet: „Einsamkeit existiert nur in der Einsamkeit; sobald sie geteilt wird, löst sie sich auf.“ (Yalom 1994, S. 435).

Der große Erfolg des Romans und des Filmes „Und Nietzsche weinte“ verdeutlicht, welch großes emotionales und geistiges Potential in dieser tragischen Beziehung lag.

Internationaler Bestseller in 27 Sprachen

Der Roman „Und Nietzsche weinte“ wurde international ein Bestseller. Er wurde in 27 Sprachen übersetzt. In Deutschland hatte er die höchsten Verkaufszahlen. Dies mag daran liegen, dass die Hauptperson des Romans Sigmund Freud, Friedrich Nietzsche und Lou Andreas-Salomé sind. Diese drei Personen haben im deutschsprachigen Raum eine sehr hohe Resonanz. Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud zählen zu den größten deutschsprachigen Denkern des 19. und 20. Jahrhunderts. Lou Andreas-Salomé wiederum ist mittlerweile durch 20 Biographien und umfangreiche Sekundärliteratur sehr bekannt. Insofern hat der Roman „Und Nietzsche weinte“ besonders die deutsche Leserschaft angesprochen.

Verfilmung im Jahr 2007

Die Regie für den Film führte der Amerikaner Pinchas Perry. Der Film kam in einer englischen und einer deutschen Version in die Kinos. Gedreht wurde er in der Donaustadt Russe in Bulgarien. Dieser Ort ist hinsichtlich erhaltener Architektur aus dem 19. Jahrhundert ähnlich wie Wien, in dem ja die Handlung des Romans spielt. Die Resonanz auf den Film in der Filmkritik war durchwegs positiv.

„Buch des Jahres“ 2009 in Wien

In Wien wird jährlich vom Oberbürgermeister ein ausgewähltes Werk zum „Buch des Jahres“ gekürt. Von diesem Buch werden dann 100 000 Exemplare gedruckt und kostenlos an die Bürger von Wien verteilt. Bücherstapel dieses Werkes sind dann in Wiener Apotheken, Bäckereien, Schulen und bei Buchmessen für die Wiener Bürger frei verfügbar. Im Jahr 2009 wurde der Roman „Und Nietzsche weinte“ als Buch des Jahres ausgewählt. Irvin Yalom reiste nach Wien, nahm an der legendären Festgala im Rathaus teil und begab sich nochmals in Museen auf die Spuren von Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche.

Rückblick von Irvin Yalom in seiner Autobiographie

Im Jahr 2017 erschien die Autobiographie von Irvin Yalom mit dem Titel „Wie man wird, was man ist. Memoiren eines Psychotherapeuten.“ Yalom hat also einen Satz von Friedrich Nietzsche für seine Autobiographie gewählt. Es ist der Untertitel des Buches „Ecce homo“, das Friedrich Nietzsche 1888 in zwanzig Tagen geschrieben hat und das schließlich erst 1908 gedruckt wurde. In dieser Autobiographie nannte Yalom auch jene Aussagen oder Einsichten von Nietzsche, die ihm persönlich als besonders bedeutsam für die Psychotherapie erscheinen:

  • „Arzt hilft dir selber so hilfst du auch deinem Kranken noch. Das sei deine beste Hilfe, dass er den mit Augen sehe, der sich selbst heil macht.“
  • „Werde, der du bist!“
  • „Hat man sein Warum des Lebens, so verträgt man sich mit fast jedem Wie.“
  • „Man liebt zuletzt seine Begierde und nicht das Begehrte.“
  • „Mancher kann seine eigenen Ketten nicht lösen, und jedoch ist er dem Freunde ein Erlöser.“ (Irvin Yalom 2017, S. 306).

Irvin Yalom hat in zahlreichen Interviews die Auffassung vertreten, dass er Friedrich Nietzsche für einen genuinen Wegbereite Sigmund Freuds halte. Er habe lange vor Freud die Bedeutung des Unbewussten für seelische Prozesse erkannt und auch die Ambivalenz psychischer Triebkräfte luzide erkannt. Insofern ist nicht verwunderlich, dass sich Yalom auch in der Folgezeit mit diesem Themenkreis beschäftigte. Dabei stieß er auf zwei Philosophen, die Nietzsche selbst als große Vorbilder bezeichnet hat: Artur Schopenhauer und Baruch de Spinoza. So erschien im Jahr 2005 „Die Schopenhauer-Kur und im Jahr 2012 „Das Spinoza-Problem“. In beiden Romanen begegnet dem Leser eine ähnliche Verquickung von Fakten und Fiktionen, von realen Begebenheiten um Artur Schopenhauer und Spinoza, die mit dichterischen Imaginationen angereichert sind. Auch die beiden Folgewerke wurden Bestseller, wenn auch nicht mit gleich hohen Verkaufszahlen wie „Und Nietzsche weinte“. Mit der exzellenten Roman-Trilogie über Friedrich Nietzsche, Artur Schopenhauer und Baruch de Spinoza hat Irvin Yalom Millionen von Lesern einen Brückenschlag zwischen Philosophie und Psychoanalyse ermöglicht.

Literatur:

Csef, Herbert (2019) Lou Andreas-Salomé und ihre Beziehung zu Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und Sigmund Freud. Tabularasa Magazin vom 18. Mai 2019

Yalom, Irvin (1994) 2Und Nietzsche weinte. Kabel Verlag Hamburg

Yalom, Irvin (2005) Die Schopenhauer-Kur. Goldmann München

Yalom, Irvin (2012) Das Spinoza-Problem. Btb München

 Yalom, Irvin (2017) Wie man wird, was man ist: Memoiren eines Psychotherapeuten. Btb München

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. H. Csef 

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Zentrum für Innere Medizin

Medizinische Klinik und Poliklinik II

Oberdürrbacher Straße 6

97080 Würzburg

E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Über Herbert Csef 150 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.