„Und in Jene lebt sich’s bene“ – zur Geschichte eines Studentenlieds

Jena, Burgkeller um 1900, Wikipedia, Gemeinfrei

Es gehörte im wahrsten Sinne des Wortes jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang zumguten Ton der Studenten, die Stadt, in der sie lebten, und die Universität, an welcher sie studierten, in Lie­dern zu ver­ewigen. Das kann kaum ver­wundern, stellt doch die Uni­ver­sitätsstadt mit all ihren geographischen und architek­toni­schen Besonderheiten so­wie den charakterlichen Ei­gen­hei­ten der Bewoh­ner den Le­bensmittelpunkt des Stu­den­ten während der prägen­den Phase des Studiums dar.

So entstanden, häufig auch in feucht-fröhlicher Stimmung, immer wieder Spottverse auf Professoren und Pedelle, Lobes­hymnen auf die Bürgerstöchter und nostalgisch-verklärte Reime auf die Schön­heit und Vertraut­heit des liebgewonnenen Ortes. Für alle Studenten kann dabei gesagt werden, dass sie sich gerne in den Gaststätten versammelten, die platzmäßig zumeist sehr eng waren. Auf Kneipen – von der „Kniepe“, niederdeutsch für „Enge“ – wurden diese Krea­tionen dann gesungen – oder vielleicht auch: zelebriert. Studenten, die aus ein und derselben Gegend kamen, suchten dabei den Zusammenschluss, die Verbindung. Das ist die Grundlage für die heute noch bestehenden Verbindungen, die Corps, die Landsmannschaften, den CV, den Wingolf – und für die Burschenschaften, die aber nur eine Untergruppe der studentischen Gesellungsform namens „Verbindung“ oder „Korporation“ darstellen.

Schnell verbreiteten sich Texte und Me­lodien unter diesen Korporierten, wur­den abgewandelt, an neue Ge­gebenheiten ange­passt, manchmal regelrecht „zersungen“, bis sich schließlich eine Version durch­setzte und – möglicherweise – schriftlich festgehal­ten wurden. Mu­sikwissenschaftler und Stu­dentenhisto­riker wün­schen sich natürlich, möglichst viele Ver­sionen zu erfahren und zuordnen zu können. Vieles, was an den Kneip­abenden über die Jahr­hunderte hinweg entstand, hat sich indes nicht überliefert; ein besonderer Fund ist es, wenn sich hie und da hand­schriftliche Verse und Eintragungen mit andernorts nicht mehr be­kannten Versio­nen von Umdichtungen in alten Kommersbü­chern finden, das sind die Liederbücher für die spezielle studentische Form einer Feier, einen Kommers also, für die es spezielle Lieder gab – und gibt. Viele Kom­merslieder wurden auf Melodien getextet, die aus anderen Zu­sammen­hängen stamm­ten, oft aus dem kirchen­mu­si­ka­li­schen Kontext. Selbstver­ständlich sind gemeinsame Kneip­abende dabei nicht allein der Ursprung studenti­scher Lieder; so mancher Text ent­stand lan­ge Zeit nach Abschluss des Studiums, also fernab der „alten Bur­schenherr­lichkeit“.

Der Transfer studentischer Dichtung in das allgemeine Lied­gut ist dagegen selten zu beobachten. Von all den verbin­dungs­studentischen Texten hat es schließlich nur eine Handvoll in das bürgerliche, „zivile“ Repertoi­re der jeweiligen Universi­tätsstadt geschafft. Der Vers „Und in Jene lebt sich’s bene“ aber gehört definitiv dazu. Er ist in Jena allseits bekannt und beliebt, er wird in jeglicher Art und Weise abgewandelt und für persön­liche Zwecke verwendet: Sei es die Wandergruppe, die in ihrem Inter­netauftritt von einem gelungenen Tag zwischen den alten Mauern der altehrwürdigen Stadt berichtet,[1] oder der Männer­chor,[2] dessen Motto sich an diesem Vers orientiert – es ist ein Satz, der in Jena selbst stets präsent und bei Besuchern schnell in aller Munde ist. Fast könnte dieser Vers als das inoffizielle Motto der Stadt bezeichnen. Mit der Entstehungsgeschichte des Liedes, sei­ner Melodie und auch der Überlieferung mancher Strophen ist dabei vor allem ein Name verbunden: Ernst Heinrich Meier.

Entstehungsgeschichte eines populären Liedes

Ernst Heinrich Meier, 1813 in der Nähe von Bückeburg als Sohn eines Lehrers geboren, kam im Jahr 1834 nach Jena und begann dort zunächst das Studium der Theologie. 1836 ging er nach Göt­tingen, studierte nun orientalische Sprachen bei Heinrich Ewald. Als Ewald 1838 nach Tübingen wechselte, folgte ihm Meier, wurde dort 1840/41 promoviert und habilitierte sich schließlich ebenda. 1848 wurde Meier Professor für semitische Sprachen und Literatur an der Universität Tübingen.[3]

Im April des Jahres 1841 erschienen in der 78. und 79. Aus­ga­be der Zeitung für die elegante Welt dreizehn „Studenten- und Trink­lieder aus dem Herbst 1839“, verfasst von einem Ernst Minneburg.[4] Diesen Dichter als Person gab es nicht; es handelte sich viel­mehr um Meier, der dieses Pseudonym bereits 1839 für die Ver­öffentlichung von zwölf (Liebes-)Gedichten im Album der Boudoirs[5] verwendet hatte.[6] Im Jahr 1852 erschien dann ein Gedicht­band Meiers unter dem Pseudonym Ernst Minneburg in Tübin­gen, in dem mehrere der bereits vorher publizierten Texte ent­halten sind, weshalb die Autorschaft am „Loblied auf Jena“ recht eindeutig Meier zuzuschreiben ist.[7]

Allerdings bleibt offen, in welchem Kontext das Lied ent­standen ist. Hat Meier es tatsächlich selbst und allein verfasst, oder hat er sich womög­lich an einem im studentischen Umfeld bereits vorhandenen Lied – thematisch oder musikalisch – be­dient? War er im Herbst 1839 zu Besuch in Jena, oder hat er an seinem neuen Wohnort Göttingen die „Studenten- und Trink­lieder“ verfasst? Weitere Fragen wirft in diesem Zusammenhang die Ortsangabe „Heidelberg“ unter seinen Gedichten im Album der Boudoirs auf. Hat er sich 1839 dort aufgehalten und, was dann naheläge, an der dortigen Universi­tät studiert? Auf­grund fehlen­der Quellen sind diese Fragen bis dato ungelöst.[8]

Das mit „Loblied auf Jena“ betitelte Studentenlied umfasst in der Originalversion neun Strophen. Nach der Nummerierung der heutigen Fassung[9] sieht die Reihenfolge der Verse im Origi­nal wie folgt aus: 1, 7, 6, 2, 4, 3, 5, 8, 1. Die heute geläufige Version besteht aus acht Strophen, die erste wird am Ende nicht mehr wiederholt. Die Umstellung der Strophen findet sich be­reits spätestens in der dritten Auflage des Commers-Buchs für den deutschen Studenten,[10] nachdem in dessen erster Auflage von 1855 bereits eine Fassung des Liedes abgedruckt wurde. Aufnahme in das Allgemeine Deutsche Commersbuch fand das Loblied 1861/1862 in der sechsten, redigierten Auflage.[11]

Die Gründe für die veränderte Anordnung der Strophen sind nicht bekannt. Zusätzlich wurden auch am Text Änderun­gen vorgenom­men, die sich wohl durch das aktive Singen ein­geschli­chen und verfestigt hatten. Wahrschein­lich lag den Her­ausgebern der Kommersbücher die Originalver­sion des Textes nicht immer vor, und sie griffen auf hand­schriftlich festgehaltene Privat­abschriften zu­rück, in denen sich bereits Abwandlungen verankert hatten. An dieser Stelle sticht besonders die erste Stro­phe ins Auge, wo es im Original heißt:

Ja in Jena lebt sich’s bene, / Ja in Jena lebt sich’s gut! /

Bin ja selber drin gewesen, / Wie es ist gedruckt zu lesen, /

 Wohl zwei Jahre frohgemuth.

Hier wird ein deutlicher Bezug zu Meiers Biographie er­kennbar, der in Jena „ja selber drin gewesen“ ist und dort zwei Jahre seines Studiums verbracht hat. Der weitere Verlauf des Liedes bringt keine weiteren autobiografischen Motive, stattdes­sen stehen das Studentenleben und die durchaus pointierte Be­schreibung der Stadt im Zentrum des Textes.

Musikalische Hintergründe

Als melodische Grundlage des Textes nennt Meier selbst in der Zeitung für die elegante Welt die um 1800 entstandene Ballade „In des Waldes düster’n Gründen“. Dieses Lied entstammt als musi­ka­lische Einlage dem Räuberroman Rinaldo Rinaldini von Christi­an August Vulpius und wurde nach der volkstümlichen Melodie „Große Taten edler Seelen“ gesungen, die ebenfalls gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden ist.[12] Ein wesentliches Merkmal dieser Melodie – und damit wiederum eine gute Datierungs­grundlage für die Zeit zwischen 1780 und 1800 – stellt das bei­nahe wörtliche Zitat der „Marseillaise“ dar,[13] wie auf der folgen­den Seite vergleichend dargestellt wird.

Die Marsellaise: in der Melodie des Studentenliedes „Und in Jene, lebt sich’s bene“ wird sie fast wörtlich zitiert.

Das Eingangsthema der „Marseillaise“, hier der Vergleichbarkeit halber in A-Dur gesetzt, klingt durch die Punktierung des Toni­ka-Dreiklangs sowie die marschartige Melodieführung beson­ders eingängig. Die Verwendung dieses Themas zum Abschluss jeder Strophe verleitet einerseits dazu, die Melodie weiter im Ohr und im Kopf zu behalten, andererseits wird der unterlegte Text so besonders betont. Die „Marseillaise“ als Hymne der Französischen Revolution und Lied der Freiheit des Volkes war in den deutschen Ländern bekannt und verbreitet; die Verwen­dung des Eingangsthemas als fast wörtliches Zitat konnte somit auch als politische Aussage verstanden werden. Ein Beispiel wäre hier die Ballade „Der reichste Fürst“ von Justinus Kerner aus dem Jahr 1818, in der er die französische Melodie nutzt, um sich politisch zu positionieren.[14]

Obwohl Meier ursprünglich als Weise „In des Waldes dü­ster’n Gründen“ angegeben hatte, findet sich in den Kommers­buchveröffentlichungen ab 1860 fast aus­schließlich Kerners Bal­lade, bekannt als „Preisend mit viel schö­nen Reden“, als musika­lische Referenz. Dieses Lied besaß besonders im württember­gischen und badischen Raum einen hohen Verbreitungsgrad und wurde möglicherweise aus diesem Grund vom badischen Kom­mersbuchverlag Schauenburg in Lahr als Melodieverweis über­nommen, zumal sich die beiden Melodien bis auf minimale Ab­weichungen durch Bindungen oder Punktierungen kaum unter­scheiden.

Textliche Hintergründe

Die Salana – die Universität in Jena – war im 19. Jahrhundert kei­ne „erste Adresse“ für Studenten; im Laufe des 19. Jahrhunderts rutschte sie von einem Spitzenrang unter den deutschen Hoch­schulen auf den vorletzten Platz;[15] ein Grund dafür dürfte sein, dass die Finanzierung über das ganze Jahrhundert hinweg keine wesentliche Erhöhung erfuhr.[16] Der Historiker Gustav Droy­sen beklagte 1851 einen „Mangel an Büchern, an Hülfsmit­teln, an Geselligkeit“.[17] Stefan Gerber zitiert einen Generalbericht über die Salana aus dem Jahre 1854 belegt, nach dem sich „in der Mehrzahl Minderbemittelte zum Studium in Jena entschlössen“, wodurch „die ‚Vorzüge ei­ner feineren und sorgsameren Erziehung’ unter den Jenaer Stu­denten nicht in ausreichendem Maße anzutreffen“ seien.[18] Ab der zweiten Strophe des Liedes werden auf ironische Weise die Probleme und Misshelligkeiten besungen, die, glaubt man Ernst Heinrich Meiers Liedtext, in Jena zahlreich waren. So lau­tet die zweite Strophe des Liedes:

Und die Straßen sind so sauber, / Sind sie gleich ein wenig krumm; / Denn ein Wasser wird gelassen / Alle Wochen durch die Straßen, /   In der ganzen Stadt herum.

 Natürlich waren die „sauberen Straßen“, die im Urtext noch „Gassen“ hießen, in Jena wohl eher schmutzig – dafür spricht auch, dass sie im übertragenden Sinne „ein wenig krumm“ wa­ren. Dass durch sie „ein Wasser gelassen“ wurde, entspricht da­bei der für das Spät­mittel­alter belegten Technik, zweimal in der Woche Wasser aus dem Flüsschen Leutra durch die Straßen der Stadt zu leiten[19] – die sogenannte „Leutrafege“.[20] Diese sollten gereinigt werden, doch der Fluss konnte durchaus auch über seine Ufer treten und dürfte dann reichlich Schlamm mit sich ge­bracht haben[21] – kurzum, eine insgesamt wenig reinliche Angele­genheit, die Meier hier auf’s Korn nimmt. Jena stand hier in klarem Gegensatz zu „Städten von Welt“, wie es zum Beispiel das nahe Leipzig war. Die Leutra, die westlich der Stadt ent­springt, war zudem weitgehend kanalisiert, vor allem, um eine große Zahl von Mühlen zu betrei­ben[22] und ein Grabensystem zu versorgen, das alle Funkt­io­nen des heutigen Wassernetzes zu erfüllen hatte.[23]

Strophe drei des Liedes in der heutigen Fassung ist noch klarer als beißende Satire erkennbar. Die Aussage, der Wein sei „gar nicht schlecht“, ist als Euphemis­mus gedacht, der auf einen sehr schlechten Wein schließen lässt. Dass dieser Wein indes seine Qualitäten hatte, lässt sich daran ablesen, dass er bis ins Rheinland und in die Schweiz exportiert wurde.[24] Trotzdem dichteten die spitzen Zungen der Studenten dem Jenenser Wein Eigenschaften an, die vernichtender Kritik gleichka­men:

Und ein Wein wächst auf den Bergen, / Und der Wein ist gar nicht schlecht, / Tut er gleich die Strümpfe flicken / Und den Hals zusam­mendrücken, /  Ist er doch zur Bowle recht!  [25]

Die Strophe vier bleibt in der Diktion der Ironie. Natürlich wird klar, dass die Wirte knau­serig waren, dass selten oder nie angeschrieben wurde. Kleinbürgerlichkeit schimmert zwischen den Zeilen durch. Die Ironie wird auf die Spitze getrieben durch die Anmutung, den Studenten sei zusätzlich zum Kredit beim Wirt sogar „bares Geld“ geliehen – in der „Umgangs­spra­che „ge­pumpt“ – worden:

Die Philister und die Wirte / Sind die besten auf der Welt, / Wein und Bier  in  vollen  Humpen / Tun  sie  den  Studenten  pumpen /  Und dazu noch bares Geld.

Ähnlich geht es weiter in Strophe Nr. 5. Hier wird das Au­genmerk auf die Möglichkeit, die studentischen Riten ausleben zu können, gelegt – und zwar insbesondere auf die Möglichkeit, zu kneipen. Die Verbindungen besaßen, als dies Lied entstand, allesamt noch kein eigenes Haus. Sie waren auf eine gewisse Großzügigkeit der Wirte und der Anwohner angewiesen, und in Jena wurde ihnen diese offenbar nicht oder nur selten ge­währt.

Wenn dem Burschen es behaget, / Setzt er vor die Tür den Tisch, / Und dann kommt der Wirt gesprungen, / Und da wird gezecht, gesungen /  Auf der Straße frei und frisch.

Natürlich ging es auch um die Duelle in den Straßen, die im 18. Jahrhundert noch gang und gäbe waren – wobei mehr als fraglich ist, ob diese wirklich „nur Spaß“ waren, wie der Dichter uns Glauben machen möchte. Immerhin geht es um Duelle, die durchaus tödlich ausgehen konnten, denn sie wurden „auf Stoß“ ausgefochten, was im übrigen in Jena bis 1845 üblich war. Strophe sechs, in der auch der Zusammenhang zwischen Duellen und einem guten Geschäft für die Wirte thematisiert wird, lautet:

Und im Winter und im Sommer / Wird servieret auf der Straß‘; / Hei, wie da die Schläger blitzen, / Hei, wie da die Stöße sitzen, /  Aber alles ist nur Spaß!

Durchaus deutlich wird in Strophe sieben sodann die Part­nersuche der Studenten beschrieben, die nach Ansicht von Andreas Rebmann, einem Zeit­zeugen der Jahre 1787 bis 1789,[26] „ganz verdorben und eingeweiht in den niedrigen My­sterien der Vernus und des Bacchus“ waren[27] – zumindest, wenn sie korporiert waren. Im Liedtext fällt diesbezüglich die eindeu­tige Zweideutigkeit der letzten Zeile auf:

Auf dem Markte, auf den Straßen / Steh’n Studenten allzuhauf; / Mädchen an den Fenstern stehen / Und nach den Studenten sehen, /  Und wer will, der schaut hinauf  

In der achten und letzten Strophe wird dann schließlich mit einer gewissen Selbstironie über die Eigenheiten der Studenten herge­zogen: im Schlafrock, der als ironischen Zitat auf „altdeut­schen Rock“ gesehen werden kann, und außerdem unrasiert „auf dem Damm“ zu promenieren – das war mitnichten weltstäd­tisch.[28] Der „Damm“ ist dabei, wie Raimund Lang be­merkt,[29] ei­ne einigermaßen genaue Ortsangabe – es handelte sich um zwei begeh­ba­re Abschnitte des Walles, mit dem Jena vor den bis ins frühe 20. Jahrhundert  nahezu jährlich eintref­fenden Hochwas­sern der Saale[30] geschützt wurde, und zwar jenseits der Saale ab der „Grünen Tanne“ und etwas flussabwärts auf der Seite der Kern­stadt, in etwa im Bereich des heutigen Benhofs „Paradies“. Wenn diese freie Handhabung von Kleidungsvorschriften dabei als die „allerschönste“ aller Freiheiten apostrophiert wurde, ist dies abermals als ironisch zu verstehen, denn Jena konnte sich – unabhängig von allen Mängeln und Rückständigkeiten – eigent­lich eher einer besonders großen akademischen Freiheit erfreuen, weil sie bis 1918 „stets eine von mehreren Territorien bzw. Staa­ten unterhalte­ne Hochschule“ war.[31] Und so schließt das Lied mit seiner achten, auf eine ironisch interpretierte akademi­sche Freiheit bezogenen Strophe:

Und die allerschönste Freiheit / Ist in Jena auf dem Damm. / In Schlafröcken darf man gehen / Und den Bart sich lassen stehen, /   Wie ein jeder will und kann! [32]

Ein Seitenblick auf die Erinnerungskultur im akademischen Jena mag zum Abschluss dieser Textbetrachtung den ironischen Charakter des Liedes unterstreichen. Die tatsächlichen Erinne­rungsorte der Salana sind die Stadt- und Universitätskirche,[33] die Bibliothek „Electoralis“[34] sowie die dort befindliche Galerie der Professorenbil­der.[35] Diese Orte fehlen samt und sonders.

Fazit

Das ganze Lied „Und in Jene lebt sich’s bene“ kann – und muss – mit einer gehö­rigen Portion Augenzwin­kern gelesen und gesun­gen werden. Diese Art von Humor kam offensichtlich gut an. Mit der stetig wachsenden Anzahl der Auflagen des Allgemeinen Deutschen Commersbuches stieg auch die Bekanntheit des Lie­des – inzwi­schen allgemein als „Loblied auf Jena“ bekannt – an den deut­schen Universitäten. Wo es noch kein eigenes, also auf die eigene Alma Mater bezogenes verbindungsstudentisches Lied­gut gab, wurde kurzerhand die Melodie aus Jena mit neuem Text über­nommen.[36] Neben „Alt-Heidelberg“ ist „Und in Jene“ eines der wenigen Lieder, die sich aus dem örtlichen studen­tischen Kon­text in die überregionale Kommersbuch-Literatur ver­breitet ha­ben. Parallel dazu konnten diese beiden Lieder sich dann im volkstümlichen Liedgut ihrer Zeit etablieren. Auch heute sind sie durchaus bekannt – und immer noch beliebt.


[1]        Vgl. Jena Wohnen, https://www.jenawohnen.de/aktuelles/archiv/detail/arti­cle/in-jene-lebt-sichs-bene.html. Letzter Zugriff: 10. April 2020.

[2]        Vgl. Ernst Abbé Chor, http://www.ernst-abbe-chor.de/Verein/. Letzter Zu­griff: 10. April 2020.

[3]        Vgl. Siegfried, C.: „Meier, Ernst Heinrich“. In: Allgemeine Deutsche Biographie 21, Leipzig 1885, S. 189 – 192.

[4]        Spazier, Karl (Hrsg.) Zeitung für die elegante Welt. Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater,), Berlin 1841, als Digitalisat über die Bayerische Staatsbibliothek ab­rufbar unter: https://reader.digitale-sammlungen.de//re­solve/dis­play/bsb105 32437.html, letzter Zugriff: 10. April 2020.

[5]        Lewald, August, Album der Boudoirs, , Stuttgart 1839, S. 135 – 142.

[6]        Die Nutzung dieses Namens speziell für Lyrik und Liebestexte lässt die Vermutung zu, dass Meier wahrscheinlich schon früh eine wissenschaftliche Karriere anstrebte und sich durch die Verwendung eines Pseudonyms die Distanz zwischen seiner künstlerischen Tätigkeit und den Schriften als Ge­lehrter sowie seine seriöse Reputation erhalten wollte.

[7]        Da von diesem Gedichtband nur noch fünf Exemplare in Deutschland vor­handen sind, war es leider nicht möglich, den Inhalt einzusehen und so – falls das „Loblied“ darin abgedruckt wäre – die Autorschaft Meiers zwei­felsfrei zu belegen. Auch in Gesprächen mit Thorsten Stepath und Raimund Lang konnten keine endgültigen Beweise gefunden werden, wenngleich seine Urheberschaft als höchst wahrscheinlich anzusehen ist.

[8]        Sein Name ist 1839 nicht in den Matrikeln der Universität Heidelberg zu fin­den. Eventuell war er als Lehrender oder privat vor Ort, was leider aktu­ell nicht belegt werden kann.

[9]        Als Referenz dient hier: Foshag, M. (Hrsg.), Allgemeines Deutsches Kommers­buch, 166. Auflage, Kehl am Rhein 2013, S. 224.

[10]       Commers-Buch für den deutschen Studenten, 3. Auflage, Magdeburg 1858. S. 288.

[11]       Schauenburg, H. und E. (Hrsg.), Allgemeines Deutsches Commersbuch, 6. redi­gierte Auflage, Lahr 1861.

[12]       Vgl.: Linder-Beroud, Waltraud, „Wie badisch ist das Badnerlied? Zur Geschichte der Landeshymnen in Baden-Württemberg“, in: John, Eckhard (Hrsg.), Volkslied – Hymne politisches Lied. Populäre Lieder in Baden-Württemberg, Münster 2003, S. 54 – 95, hier: S. 64ff.

[13]       Die genaue Entstehungszeit sowie die Frage nach dem Komponisten der „Marseillaise“ sind umstritten. Als mögliche Daten werden 1781 (Giovanni Battista Viotti), 1787 (Jean-Baptiste Lucien Grisons) sowie 1792 (Claude Jo­seph Rouget de Lisle) diskutiert, wobei die heute geläufige Fassung der französischen Nationalhymne von Rouget de Lisle stammt.

[14]       Vgl.: Linder-Beroud, „Wie badisch ist das Badnerlied?, S. 64.

[15]       Steinmetz, Max (Hrsg.), Geschichte der Universität Jena 1548/58 – 1958, Festga­be zum 400jährigen Universitätsjubiläum, Jena 1958, S. 453, S. 466, S. 498 ff.

[16]       Gerber, Stefan, Die Universität Jena 1850 – 1918, in: Traditionen, Brüche, Wand­lungen. Die Universität Jena 1850 1995, Köln / Weimer / Wien 2009, S. 23 – 269, hier: S. 67.

[17]       Gerber, Stefan, Die Universität Jena 1850 – 1918, S. 23.

[18]       Gerber, Die Universität Jena 1850 – 1918, S. 206.

[19]       Lang, Raimund, Und in Jene lebt sich’s bene … Vertiefende Details zu einem be­liebten Studentengesang, in: Festschrift des Corps Franconia-Jena zu Regens­burg zu seinem 200. Stiftungsfest, Manuskript unpaginiert, in Druck.

[20]       Siehe dazu: https://geschichte.jena.de/de/chronik, Abschnitt „19. Jahrhun­dert“, Eintrag „1872“; illustriert wird dies durch das Stadtmuseum Jena: https://www.stadtmuse­um-jena.de/fm/2316/Leu­tra­fege-Irrgarten.jpg, Abruf beider Seiten am 17. Oktober 2020.

[21]       Ebd.

[22]       Die Zahl der Mühlen im Jenenser Innenstadtbereich, die verschiedenen Zwecken dienten, betrug noch im 19. Jahrhun­dert immerhin neun.

[23]       Lang, Raimund, Und in Jene lebt sich’s bene …, Manuskript.

[24]       Ebd.

[25]       In der Originalversion ist der Wein gerade „zum Punsche recht“, er musste nach dieser Lesart also gesüßt werden, um überhaupt genießbar zu sein.

[26]       Rebmann, Andreas Georg Friedrich, Jena fängt an, mir zu gefallen – Stadt und Universität in Schriften und Briefen, Jena / Leipzig 1994, S. 13.

[27]       Rebmann, Jena fängt an, mir zu gefallen, S. 77.

[28]       Rebmann, Jena fängt an, mir zu gefallen, S. 72 f.

[29]       Fiedler, Fritz, „In Schlafröcken darf man gehen…“ Ein kleiner Streifzug durch Lied, Jahrhunderte und Stadt, in: Paulinenbriefe, Nr. 12, Dezember 1993, S. 17.

[30]       Vgl.: Koch, Herbert, Geschichte der Stadt Jena, Stuttgart 1966, S. 340.

[31]       Gerber, Die Universität Jena 1850 – 1918, S. 48: Im 19. Jahrhundert waren dies Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg-Saal­feld, Sachsen-Mei­ningen so­wie Sachsen-Weimar-Eisenach; vgl. ebd., S. 48: Sachsen-Weimar hatte dabei die Positi­on des „Erhalterstaates“ und spielte mithin die wichtigtes Rolle.

[32]       Vgl. ebd. der Originaltext der achten Strophe: Und die allerschönste Freiheit / Kommt in Jena an den Tag. / In Schlafröcken darf man gehen / Und den Bart sich lassen stehen, / Wie ein jeder will und mag.

[33]       Bauer, Joachim, Universitätsgeschichte und Mythos – Erinnerung, Selbstverge­wisserung und Selbstverständnis Jenaer Akademiker 1548 – 1858, Pallas Athene – Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Bd. 41, Stuttgart 2012, S. 191 – 196.

[34]       Bauer, Universitätsgeschichte und Mythos, S. 197 – 210, insbes. 197 f.

[35]       Bauer, Universitätsgeschichte und Mythos, S. 211 – 219.

[36]       Beispielsweise schrieb Leopold von Münchow nach 1905 den Text zu „Du mein Kiel“ auf diese Melodie.

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