„Krieg in Europa“ so lauten die Headlines aller Medien dieser Tage. Traurig, wahr – aber überraschend?
Da ich noch im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz an einem Seminar mit zwei der wichtigsten Thinktank Präsidenten der USA, teilnehmen durfte, ist der letzte Punkt mit nein zu beantworten. Genauer gesagt wurde ein russischer Angriff auf die Ukraine schon zum Zeitpunkt der Sicherheitskonferenz erwartet. Die Strategie der Amerikaner war neu, Informationspolitik sollte Teil des Krisenmanagements sein. Daher die permanenten Updates über die russischen Truppenbewegungen in der Öffentlichkeit. Das Ziel, man wollte Putin zeigen, dass er die amerikanische und westliche Führung nicht überraschen kann. Und dann kam es doch so. Warum, weil er brutal vorgeht, weil er weiter geht als erwartet nicht nur die von Rußland anerkannten abtrünnigen Republiken im Donbass sind sein Ziel, er marschiert auf die Hauptstadt Kiew zu. Was sind seine Ziele? Das Argument, dass die NATO nicht so nah an die Grenzen Rußlands kommen dürfe, ist nicht neu und daher auch schon lange umstritten, wie etwa bei der deutschen Wiedervereinigung und dann auch bei den Osterweiterungen in Folge. Doch was ist die NATO, eine Sicherheitsbedrohung? Nein sie ist kein Angriffs- sondern ein Verteidigungsbündnis. Die US Führung gewahrte noch vor kurzem, es geht ihm darum wieder als Großmacht auf Augenhöhe zu kommen. Daher suchte man nach gesichtswahrenden Lösungen. Meine Frage daraufhin: hatte man nicht schon länger versäumt Rußland in europäische auch Sicherheitsformate einzubeziehen? Daraufhin kam der NATO Rußlandrat zur Sprache der seit 2003 ruhte. Resumé der Einschätzung oder nach dem Terminus Technicus bezeichnet „Perzeption“ war noch vor Kurzem „sehr bedenklich“ und doch…es kam schlimmer.
Was will Putin? Eine Rußland-freundliche Regierung in der Ukraine etablieren, die Ukraine ganz annektieren? Auch in den baltischen Staaten einmarschieren, ein Großrussisches Reich errichten? Offen gesagt, dass wissen wir nicht genau. Diese größere Zielsetzung hätte allerdings aufgrund des Artikel 5 des Natobeistandspaktes eine verheerende Wirkung. Krieg in Europa-ohne Grenzen.
Und so kommen wir zu den Optionen in diesen Szenarien. Welche sind noch friedlich, und doch effektiv? Die Amerikaner haben nach eigenen Angaben durch die Aufforderung an ihre Landsleute die Ukraine zu verlassen im Vorfeld signalisiert, dass sie nicht militärisch eingreifen. Der deutsche Bundeskanzler Scholz hat dies auch betont und keine Waffen in die Ukraine geliefert. Aus dem Generalstab werden Töne laut, dass das Militär ohnehin nicht im Kampf einsatzbereit sei-„blank“ dastehe. Putin droht im Fall eines militärischen Eingreifens der NATO Staaten mit „…Folgen, die sie noch nie erlebt haben“-also totaler Krieg in Europa, gar Atomkrieg? Die Bewertung der Mittel von westlicher Seite bisher: die einen sagen, es war der Versuch einer friedlichen gesichtswahrenden Lösung, die anderen sprechen von „appeasement“. Was bleibt nun? Wirtschaftssanktionen. Punktgenau wie es heißt-es gibt eine „Technikblockade“ (keine Techniklieferungen mehr, Chips, Flugzeugteile, etc.), die russischen Banken werden boykottiert, der Rausschmiss aus dem Swiftsystem droht. Auch der Energiesektor mit Nord Stream 2 ist das Thema und eben auch verbunden. Ist Swift außer Kraft gesetzt, können keine Energieimporte mehr bezahlt werden, werden die Energieimporte boykottiert, ist die Wirkung auf die europäische Wirtschaft ein Eigentor. Was für ein Dilemma!
Die Entscheidungen bisher, Wirtschaftssanktionen. Wie lange wird das gut gehen? Ja Rußland werden sie schon treffen, dumm nur das deutsche und das europäische Volk auch und wie lange wird das dann gut gehen? Wann geht dann die europäische auch die deutsche Bevölkerung auf die Straße? „Spaziergänge“ diesmal nicht wegen Corona-maßnahmen sonder Energie-engpässen und Kostenexplosion. Nun sind auch deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine, erstmals in ein Krisengebiet beschlossen.
Wie konnte das Dilemma oder Debakel nun aus deutscher Sicht entstehen. Im Nachhinein wirklich unbegreiflich. Die Sicherheitspolitik betreffend wurde die Bundeswehr so weit hinunter gefahren, dass sie nun „blank“ dasteht (laut eigenen Angaben), eine europäische Sicherheitspolitik, nicht in Sicht. Die Energiepolitik, hier fand keine ergebnisorientierte Diversifizierung statt, Deutschland und Europa sind abhängig von Rußland geblieben, aber Rußland ist im Umkehrschluß nicht mehr so abhängig von Europa. Die erneuerbaren Energien als einzige Quelle reichen noch nicht aus, die Atomkraftwerke werden bei den europäischen Nachbarn wieder in Gang gesetzt. Und was machen wir? Hier taucht die Frage der Energiesicherheit auf.
Überhaupt Europa, was spielt es für eine Rolle in der Pendeldiplomatie? Für die Amerikaner am Verhandlungstisch-keine. Nur bei der Ausführung der Maßnahmen braucht man es. Weder die Russen noch die Amerikaner legen Wert darauf, dass die EU mit am Tisch sitzt, wie ich hören musste. Das Normandie-Format? Das Moskauer Abkommen ist eine heikle Sache, ist schlecht ausformuliert, das führt zu Meinungsverschiedenheiten. Auf die Frage nach der Präferenz der Einbeziehung der EU als Ganzes oder nur der mächtigen Mitgliedstaaten, heißt es wo Kompetenz besteht, da kann die EU einbezogen werden, sonst geht der Kelch an die Mitgliedstaaten.
Und die USA? Biden macht „Außenpolitik für die Middle Class“. Er muss erklären warum die USA sich noch international einmischt. Was auf der Welt passiert ist auch zu Hause wichtig, wie durch die Corona Krise demonstriert, geht es auch um die Aufrechterhaltung der Lieferketten….. Die regelbasierte Weltordnung muss aufrecht erhalten werden, ein Einmarsch der Russen in der Ukraine ist ein Bruch des Völkerrechts. Da könnte dann ja jeder kommen und seine vormals alten „Kaiser-Reichsgrenzen“ wieder herstellen wollen. Hier geht es auch um den Präzedenzfall. Das gilt für verschiedene Gebiete u.a. auch China und Taiwan.
Und China? China und Rußland haben keine Angst voreinander, aber auch kein stetes Vertrauen, nur zeitweise gemeinsame Interessen. Die russischen Streitkräfte wurden im Osten an Chinas Grenzen versammelt, um in die Ukraine vorzustoßen. Doch China ist einflußreicher als Rußland. Seidenstraße oder global Gateway das wird am Ende des Tages dann noch einmal eine Rolle spielen.
Spielen wir das System des Entscheidungsprozesses durch, ist das Ergebnis verheerend, wir sitzen in der Falle. Wie kommen wir da raus? Schnellstmöglich die härtesten Wirtschaftsmaßnahmen ergreifen. Auswege aus den möglichen Engpässen finden, geographisch als auch von der Diversifizierung her gesehen. Neue Partnerschaften (nicht nur Rußland besitzt Gasquellen) und Ressourcen– Quellen finden. Aber auch Putin hat ein Eigentor geschossen, er hat der NATO ihre lange umstrittene und diskutierte Daseinsberechtigung wieder gegeben! Hier heißt es nun Stärkung der NATO und bei Wohlverhalten Wiederbelebung des NATO Rußland-rates.