Daniel Bartetzko/Karin Berkemann, Frank Schmitz (Hrsg.): Turm und Tunnel. Friedhelm Grundmann baut für Kirche und U-Bahn, Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2022, ISBN: 978-3-862-18159-9, 40 EURO (D)
Über fünf Jahrzehnte hinweg hat der Architekt Friedhelm Grundmann (1925 – 2015) Kirchen und U-Bahnhöfe gestaltet – das ist einmalig in der deutschen Nachkriegsmoderne. 1961 war es ein Verkehrsbau, der ihn in Hamburg bekannt machte, die U-Bahn-Station Lübecker Straße mit ihrer eleganten Betonkuppel. Im norddeutschen Raum folgten prominente Aufträge in wechselnden Büropartnerschaften: von markanten Neubauten wie der Simeonkirche in Hamburg-Hamm (1966) bis zur Neuordnung der mittelalterlichen Dome in Lübeck (1973) und Greifswald (1989). Regelmäßig zog es ihn zurück zu den Hamburger Verkehrsprojekten wie zuletzt zur Erneuerung des nachkriegsmodernen Bus- und U-Bahnhofs Wandsbek-Markt (2005). Das reich bebilderte Buch würdigt das Schaffen Grundmanns erstmals umfassend. Dies ist eine Kooperation der Universität Hamburg mit dem Online-Magazin moderne-REGIONAL.
Als roter Faden dient der Vergleich der beiden scheinbar widersprüchlichen Baugattungen Kirche und U-Bahn. Während die Kirchengemeinden mehr auf qualitätvolle handwerkliche Details achteten, ließ ihm die Hochbahn Spielraum für innovative technische Lösungen. In beiden Fällen sah sich Grundmann jedoch den Bedürfnissen der Menschen und einer maßvollen Moderne verpflichtet.
Nach einem Überblick über seine Vita und die Lebensläufe seiner Büropartner werden Grundmanns Tätigkeitsschwerpunkte im Querschnitt betrachtet. Die Theologin und Kunsthistorikerin Karin Berkemeier skizziert seine Kirchenneubauten als Spiel zwischen Beweglichkeit und Beständigkeit, der Journalist Daniel Barteszko stellt die Besonderheiten seiner U-Bahn-Bauten vor und der Architekturhistoriker Frank Schmitz zeichnet Grundmann als versierten Entwerfer im Umgang mit dem historischen Bestand.
Danach stehen Grundmanns Büropartnerschaften im Vordergrund. Dabei werden vier Werkphasen unterschieden: Die erste Werkphase von 1956 bis 1963, wo er zusammen mit Horst Sandmann zahlreiche U-Bahn-Stationen und Knotenpunkte entwarf, wird von Frank Schmitz behandelt. Für die zweite Werkphase lassen sich zwei Organisationsformen zusammenfassen: Grundmanns Zeit im eigenen Büro ab 1963 und die Partnerschaft mit Otto. E. Rehder und Friedhelm Zenner bis 1974, die von Matthias Ludwig dargestellt wird.
Die dritte Werkphase, die bis zum Tod Rehders im Jahr 1990 reicht, deutet Karin Berkemann als Zeichen der Neuorientierung, als die Neuordnung des historischen Bestands in den Vordergrund rückte.
In seiner vierten Werkphase schloss sich Grundmann 1992 mit Matthias Hein zusammen. Grundmann war mit der Renovierung von teils eigenen Architekturen der Nachkriegsmoderne befasst und bezog sich bei Neubauten auch auf sein Frühwerk.
In einem letzten Hauptteil, der durch eine Werkliste und Anhänge ergänzt wird, stellen Fachautoren das weitere Werk Grundmanns in einen größeren Kontext. Jörg Schilling beschäftigt sich mit den Wohn- und Gewerbebauten, Matthias Ludwig mit Grundmann als Schreibenden und Lehrenden, Rüdiger Joppien mit dessen Partnerschaft mit bildenden Künstler*innen Jan Lubitz wirft einen Blick auf den heutigen Umgang mit diesem architektonischen Werk.
Durchzogen wird der Band von vier Fotoessays mit aktuellen künstlerischen Detailaufnahmen der Architekturfotografen Gregor Zoyzoyla.
Dies ist die Würdigung eines der profiliertesten Architekten der Nachkriegszeit in Norddeutschland, zu dieser Zeit wachsenden Städte boten ihm ein reges Betätigungsfeld. Dies ist die erste groß angelegte Monografie über Grundmanns Werk. Seine Büropartnerschaften werden zwar analysiert, Vorbilder und Einflüsse Grundmanns leider nicht so sehr. Die Endprojekte werden in Fotostrecken gut illustriert, die Zeitleiste am Ende hilft, einen Überblick zu bewahren.