Das gab`s wohl selbst im Festspielhaus von Erl noch nie: Der Maestro tritt ans Pult, um den Schlussakt der Kurzoper „L`amico Fritz“ zum Klingen zu bringen, lässt sich, völlig zu Recht, vom Publikum für sein zündendes, ausgeklügeltes Dirigat feiern, wendet sich zum Orchester und – tritt wieder ab. Verschwindet wortlos für kurze Zeit dorthin, wo er herkam. Verneigt sich, gestisch um Pardon bittend, vor den Zuschauern, um nun den Taktstock zu heben für eines der kürzesten, unbekanntesten, aber stärksten Intermezzi der Musiktheaterliteratur des italienischen Verismo. Ein Gag des Dirigenten Francesco Lanzillotta? So sieht der junge Italiener eher nicht aus. Hatte er die falschen Noten vor sich? Hatte er etwas vergessen? Egal – man war vom ersten Ton an bei Pietro Mascagni (1863 bis 1945) und seinem Erstling, der weltweit berühmt gewordenen „Cavalleria Rusticana“ (1890) und ihrem zu Herzen gehenden Zwischenspiel, bei dem selbst Abgebrühte in die Knie gehen.
Warum, so geht es dem Zuschauer durch den Kopf, erlangte „L`amico Fritz“, Mascagnis bisher weitgehend im Hintergrund verharrendes Zweitwerk von 1891, weniger Popularität? Vielleicht deshalb: keine Hochdramatik. Weder Bedrohungen noch Rivalitäten. Kein Mord. Die kleine, eher harmlose Geschichte um den in Sachen Liebe verstockten reichen Pinkel Fritz und seine kleine, fest an ihn glaubende Suzel, die ihn anbetet, aber erst nach einigen Widerständen seine Zuneigung erringt, ob dauernd oder nur vorübergehend, sei dahingestellt – diese eigentlich unter dem Label Komödie laufende Story hat es doch in sich: „echte Konflikte, charakterliche Tiefe und auch eine Traurigkeit“. So Henriette Hübschmann, die für die leise, traumhaft zarte Inszenierung Ute M. Engelhardts stilsichere Kostüme schneiderte.
„Trauriges Glück – in dir ist Leben. Das Leben ist die Liebe“ schwärmt dieser Freund Fritz, mit kernigem Tenor und sympathischem Spiel von Gerard Schneider verkörpert, zu Beginn des Schlussaktes.
Auf der Bühne standen Kirschbäume in voller Blüte, im Graben funkelte ein spannender, kraftvoll und farbig leuchtender Mascagni. Das Ensemble mit Mezzo Nina Tarandek als leider zur Frau mutierter Beppe, Edelbariton Domen Krizaj als mit Engelszungen predigender David an der Spitze führte die Amerikanerin Karen Vuong mit einer selten so überzeugend gelungenen mädchenhaften Frische in Stimme und Erscheinung an. Chor und Orchester der Tiroler Festspiele widmeten sich, getoppt von einer Gemälde des 19. Jahrhunderts veranschaulichenden Statisterie, mit Volleinsatz einem für bayerische Bühnen neu entdeckten Juwel der Opernliteratur, die, wie sich hier einmal wieder zeigte, im Hinblick auf Gehalt um vieles reicher ist als es die Kassenschlager von „La Boheme“ bis zur „Zauberflöte“ zu sein vorgeben. Man muss nur die Chuzpe und das Potential haben, um sie – wie im bravourösen Erler Festspielhaus vor freilich reduziertem, gerade deshalb aber aufgeschlossenem und mit Beifall nicht geizenden Publikum – zur Wirkung zu bringen. Hans Gärtner