Tiefenpolitologie für Österreich – Ein Sittenbild des Skandals

Der neue Innenminister Eckart Ratz bei der Angelobung bei Bundespräsident Alexander van der Bellen am 22. Mai 2019. (Pressefoto: Bundeskanzleramt)

Affirmativer Skandal mit doppeltem Boden. Innenminister abgelöst. Richter übernimmt das Polizeiministerium.  Ermittlungen gegen ehemaligen Vizekanzler Strache angekündigt. Gleichzeitig werden Amtsmissbrauch und Vertuschungen in Österreich fortgesetzt.

Das Land des Sigmund Freud war zur Jahrhundertwende berüchtigt für die Etablierung einer Doppelmoral, deren verstörende Auswirkungen nur noch in den komplementären Symbolen der Traumdeutung  zu erkennen waren.  Streng vorgetragene sittliche Prinzipien sollten moralisch verwahrloste Handlungen verschleiern.

Jetzt lebt man in Österreich in Zeiten, da der Bundespräsident Alexander van der Bellen jeden Tag eine Rede an die Nation hält. Die Ausführungen einer Doppelmoral begannen am 18. Mai mit dem Spruch: „So ist Österreich einfach nicht“. 

Der dramatische Höhepunkt  wurde am 21. Mai erreicht mit der Erklärung:
„Wir alle haben ein Sittenbild gesehen, das Grenzen zutiefst verletzt. Ein Bild der Respektlosigkeit, des Vertrauensbruchs, der politischen Verwahrlosung. Der Schaden, den diese Bilder anrichten, ist noch nicht abzuschätzen.“
(Bundespräsident van der Bellen, Rede am 21. 5. 2019)

Österreich ist nicht so einfach

Die Bilder, von denen ganz Österreich gemeinsam mit Alexander van der Bellen angeblich erschüttert ist, zeigen den damaligen Vizekanzler Strache bei einem lustigen Abend in Partystimmung. Strache erzählte, wie er gleich in Österreich durchgreifen wird. Er möchte öffentliche Aufträge, die man bisher bekanntlich durch Provisionszahlungen erhielt, neu verteilen.

Die mächtigste Zeitung des Landes, die ihn und seinen Parteikollegen Hofer vor den letzten Wahlen unfreundlich mit manipulierenden Stilmitteln porträtierte, wird Strache auch gleich übernehmen – und “zack, zack, zack” die Redaktion neu besetzen.

Wie Strache diese Gefühle von Grandiosität in der Praxis umsetzen wird, das wollte er bei diesem angenehmen Plaudergespräch nicht mehr näher erklären.

Schadenersatz erforderlich

Tatsächlich ist Österreich nicht so einfach.  Es wurde durch diese Reden von Strache auch noch kein Schaden angerichtet.  An diesem Partyabend ist keiner Person etwas geschehen.

Doch gibt es Vorfälle in Österreich, die schwere Schäden bewirken: Materielle Schäden, persönliche Schäden, gesundheitliche Schäden, bis hin zu Todesfolgen.

Über diese Schäden wird in den österreichischen Medien nicht berichtet. Das sind jene Medien, die jetzt, wie vom Bundespräsidenten behauptet wird, Strache vorbildlich abservierten. Das Lob für die österreichischen Medien muss wohl im augenzwinkernden Einverständnis erfolgt sein: „Die vierte Macht hat in diesem Fall ihre Verantwortung voll wahrgenommen“, sagte Alexander van der Bellen.

„In diesem Fall“, befindet van der Bellen. Doch die tatsächlich vorhandenen, sehr ernstzunehmenden Skandale sollen weiterhin vertuscht werden. 

Bundespräsident duldet Enteignungen

Bundespräsident Alexander van der Bellen sagte:
„Die Bilder, die uns seit gestern erreichen, zeigen ein verstörendes Sittenbild, das unserem Land, unserem Österreich nicht gerecht wird“.
(Bundespräsident Alexander van der Bellen: So ist Österreich einfach nicht. Rede am 18. 5. 2019)

Denn im wahren Österreich lässt Alexander van der Bellen ungerührt Forschungsbibliotheken räumen, damit publizistische Tätigkeit nicht mehr fortgesetzt werden kann.  Vemögen in Millionenhöhe werden übernommen, ermöglicht durch Amtsmissbrauch in der Justiz. Wohnungen werden schamlos geplündert. Tausende Fälle sind belegbar. Wer wird damit finanziert?


Parteienfinanzierung durch Enteignung

Wird mit diesen Methoden Parteienfinanzierung betrieben? Ansonsten wäre es schwer verständlich, weshalb solche Plünderungen im Einverständnis mit staatlichen Institutionen seit Jahren durchgeführt werden können. Es ist auch bekannt, dass der berüchtigtste Plünderer über beste Beziehungen zu Justiz und Politikern verfügt.

Bundespräsident Alexander van der Bellen ist nicht bereit, eine Stellungnahme zu solchen Verletzungen des Eigentumsrechts abzugeben. Er wäre ihm demnach untersagt, einen solchen politischen Einfluss zu nehmen, wenn es um eine deutliche Verteidigung des Rechts auf Eigentum geht.

Bundespräsident Alexander van der Bellen fürchtet seit dem Fall Strache in seinen Reden die negativen Auswirkungen auf Ansiedelung und Investment in Österreich, auf die Exportwirtschaft und den Tourismus.  Erklärte er in seinen Reden.

Das sind volkswirtschaftliche Schäden, die bisher negiert wurden, wenn es um ein anderes Sittenbild von Österreich ging, nämlich um die systematische Zerstörung des Rechtsstaats durch die Verletzung von Grundrechten und insbesondere des Eigentumsrechts. 

Enteignungen als System

Ein Schutz der Grundrechte ist in Österreich, abseits von Feiertagsreden, nur schwer zu erhalten. Dies ist teilweise noch nachvollziehbar, da es Kräfte geben kann, die die Freiheit der Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und die Versammlungsfreiheit einschränken wollen, um ihre politischen Ziele ungestört zu erreichen.

Doch sogar das Bekenntnis zum Eigentumsrecht fällt den österreichischen Politikern und Behörden schwer. Sie wollen nicht eindeutig sich dafür einsetzen . Dafür ist nur eine Erklärung möglich, trotz aller Bemühungen um Aufklärung, auch durch Anfragen und Recherchen, es müssen tatsächlich Bestrebungen erkannt werden, Vermögenswerte durch Verletzungen des Eigentumsrechts organisiert zu übernehmen.

Dabei schien die Verfassung der 30er Jahre in Österreich längst überwunden, als der Schutzbund verdächtig war, Vermögen enteignen zu wollen, und die gegnerische Heimwehr dann tatsächlich solche Enteignungen bei oppositionellen Kräften im großen Stil durchführte.

Im aktuellen Österreich entsteht der Eindruck, dass nochmals Konzepte verfolgt werden, durch systematische Verletzungen des Eigentumsrechts, über einen längeren Zeitraum, ein oligarchisches System einzurichten.

Solche Verletzungen des Eigentumsrechts in Österreich sind belegt und beweisbar. Dennoch leugnet Ludwig Adamovich, der Berater des österreichischen Bundespräsidenten, solche Vorfälle und lehnt es ab, dass Maßnahmen gesetzt werden.

Der Vater von Ludwig Adamovich wurde 1938 im Schuschnigg-Regime des Austrofaschismus, das solche Enteignungen durchführte, zum Justizminister ernannt. Der Berater des österreichischen Bundespräsidenten ist mit solchen Konzepten von Vermögensübernahmen und der Ausschaltung anderer politischer Kräfte deshalb aus seiner Familiengeschichte gut vertraut. Dazu auf Tabula Rasa der Beitrag:
Österreichische Präsidentschaftskanzlei deckt Enteignungen
(Tabula Rasa Magazin, 19. 3. 2019)

Richter wird neuer Innenminister

Entscheidungen der Justiz dürfen in Österreich “nicht einmal kommentiert werden”. Politischen Einfluss nimmt Alexander van der Bellen dennoch bei der Auswahl von Ministern und Besetzungen hoher Posten in öffentlichen Ämtern. Jetzt befand van der Bellen, dass Minister der FPÖ dem Ansehen der Republik Österreich schaden und entfernte Innenminister Kickl aus dem Amt.

Offenbar soll Justizministerium und Innenministerium wieder unter die Kontrolle einer einzigen politischen Kraft kommen.  Vor der letzten Regierungsbildung war eine solche Machtkonzentration in Österreich mit Innenminister Sobotka und Justizminister Brandstetter verwirklicht gewesen.

In einer Situation, da in Österreich nachweislich in den Justizbehörden ein System eingerichtet wurde, das durch Amtsmissbrauch die willkürliche Enteignung von Vermögenswerten forciert, soll Eckart Ratz der neue Innenminister sein, ein früherer Präsident des Obersten Gerichtshofes. 

Am 22. März wurde Eckart Ratz von Bundespräsident van der Bellen als Innenminister angelobt. Damit wird der weitere Machtausbau der Justizbehörden in Österreich unverhohlen fortgesetzt. Schon bei der Bildung der neuen Regierung im Dezember 2017 wurde als erste Maßnahme, der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts in das Justizministerium eingegliedert. Jetzt übernimmt ein Präsident des Obersten Gerichtshofes gleich noch das Innenministerium.

Wie Ludwig Adamovich ist auch Eckart Ratz durch seine Familiengeschichte mit den Gegebenheiten in Österreich gut vertraut. Sein Vater Gerold Ratz, der an der Universität Innsbruck in Rechtswissenschaft promovierte, war in Vorarlberg der Stellvertreter des Landeshauptmannes, wie in den österreichischen Ländern die Funktion des Ministerpräsidenten genannt wird.  Als Landesrat war Gerold Ratz in Vorarlberg für die Ressorts Gesetzgebung, Inneres und Polizei zuständig.

Ermittlungen gegen Strache

Bundespräsiden Alexander van der Bellen kündigte inzwischen schon an, dass die Justiz den sogenannten Skandal von Heinz Christian Strache genau untersuchen soll:
Es bedarf einer vollständigen und schonungslosen Aufklärung!
Durch unsere Exekutive und unsere Justiz”.
(Bundespräsident Alexander van der Bellen: So ist Österreich einfach nicht. Rede am 18. 5. 2019)

Ansonsten spricht Alexander van der Bellen nicht für „schonungslose Aufklärung“ sich aus. Nämlich wenn es um Vermögensübernahmen durch Amtsmissbrauch und richterliche Willkür geht. Da behauptet van der Bellen und sein Berater Adamovich, dass keine Einmischung des Bundespräsidenten in die Angelegenheiten der Justiz vorkommen darf.

Die Ankündigung von Alexander van der Bellen, dass die Justiz gegen Strache ermitteln soll, ist jedenfalls ernst. Der frühere Innenminister Ernst Strasser ist in eine ähnliche Falle mit einem Agent Provocateur gelaufen. Er wurde in der Folge in erster Instanz zu 4 Jahren Haft verurteilt, der Oberste Gerichtshof reduzierte die Strafe auf  3 Jahre..

Während der frühere Innenminister Strasser wegen angeblicher Bestechlichkeit in Haft war, wurden in Österreich weiterhin Wohnungen und Vermögen ungestört geplündert´, dies von österreichischen Justizbeamten und Regierungspolitikern geduldet oder sogar beauftragt. Das ist das wahre Sittenbild im zeitgenössischen Österreich.

Links:

Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legt Jahresbericht für 2018 vor (Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)

https://www.tabularasamagazin.de/karfreitagsbericht-aus-oesterreich-recherche-ueber-verletzungen-der-grundrechte-in-der-stadt-wien/ (Tabula Rasa Magazin, 19. 4. 2019)

https://www.theeuropean.de/johannes-schuetz/13365-reisewarnung-oesterreich (The European, 18. 1. 2018)

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Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel