Auf den Spuren von Andy Warhol in Köln – Take a walk on Warhol’s side – mit dem „Zeitgeist-Catcher“ durch New York City
Im Mai 1979 trafen sich in der Düsseldorfer Galerie Denise René/Hans Mayer Andy Warhol und Joseph Beuys, der Mann mit dem Filzhut. Vieles trennte sie, doch die einfache Feststellung, dass in jedem Menschen ein Künstler stecke oder eben jeder Mensch das Recht habe, für fünfzehn Minuten ein Star zu sein, hatte eine Stahlkraft, die bis ins Facebook-Zeitalter nachwirkt.
Sie werden unweigerlich zu Paten von rund einer Milliarden Menschen, die allerdings davon zumeist keinen Schimmer haben. Das hätte Warhol und Beuys sicher amüsiert. Ein Grund mehr, sie wiederzuentdecken. Das Erbe war hier im Rheinland nie ganz tot. Beide waren Säulenheilige, wenn auch mit Patina. Beuys ist längst wieder im Kommen. Jetzt wird das Warhol-Feuer neu entfacht.
New York City am Rheinufer
Galerist Thomas Zander zeigt einen anderen Warhol als den Ikonographen der Pop-Art. Siebdrucke sucht man hier vergeblich. Dafür findet man den Alltagsfotografen. Und knüpft so an Warhols Treffen mit Beuys an. Damals fragte Warhol Beuys spontan, ob er ihn fotografieren dürfe. Und der war einverstanden. Den Spontan-Fotografen Warhol gilt es nun neu zu entdecken. Fünfzig gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien (Silbergelatine) an einer großen weißen Wand. Alle im 8×10-Inch Format.
Nur wenige Schritte vom Ufer des deutschen Schicksalsflusses Rhein entfernt, der selbst schon so viele Geschichten erzählen kann, ist man auf einmal mittendrin im Big Apple der 70er und 80er-Jahre. Die Aufnahmen: ein buntes Sammelsurium von Alltagseindrücken. Tische ohne Essen. Tische mit Essen. Schlafende Menschen. Müllsäcke. Badezimmer. Flohmärkte. Und immer wieder Zeitungsständer, Schuhe und Schaufenster, in denen „Sale“-Schilder hängen. Lomografie? Nein, nur fast. Keine Ansammlung unreflektierter Zufälle könnte so eine Sogwirkung erzeugen.
Warhol, der Alltagsabbilder – mehr als 30 Jahre vor Facebook
50 Bilder, die nur eine Auswahl sind. Warhol hat tausende ähnlicher Aufnahmen gemacht. Ob Warhol heute wohl facebooken würde? Millionen von Facebookern machen ja genau das: haben, wie Warhol, immer die Kamera dabei, oder moderner: ihr Smartphone, und fotografieren Alltägliches. Um es dann in virtueller Geschwindigkeit auf ihrer Facebook-Pinnwand sichtbar zu machen. Zu „posten“. Und Warhol? Der exzentrische Amerikaner liebte die Medien wie alle Amerikaner. Und benutzte alle, die ihm damals zur Verfügung standen.
Warhol zückte die Kamera nicht nur für den elegant gedeckten Tisch mit dem frisch servierten Essen, sondern richtete seine Linse auch auf die vollkommen abgegraste Tafel. Auf die verschmierten Überreste von Speisen, die dann später in die ebenfalls fotografierten Müllsäcke wanderten. Warhol hatte, so Dagmar Kürschner, Registrarin und Assistentin von Thomas Zander, „einen genauen Blick auf die Dinge des Alltags, aber er hinterfragte sie nicht.
Für ihn war alles gleichwertig.“ So weisen auch die in Köln ausgestellten Fotos keine vom Künstler angelegte Hierarchie auf. Warhol hielt einfach das fest, was ihm relevant erschien. Ein „Zeitgeist-Catcher“ sozusagen. Mit dem man jetzt nach 30-40 Jahren durch ein anderes, ein gewesenes New York spazieren geht. Der Blick streift vorbei an Männern im Park, die Drachen steigen lassen. Vorbei an Mülltonnen, Müllsäcken, Obstständen. Vorbei an Hinweisschildern mit den Aufschriften „Hospital“ oder „Emergency“. Kein Wunder, Warhol war oft kränklich.
Und der Streifzug geht weiter. Hin zu Schaufenstern, die zum „Sale“ einladen. Darunter finden sich durchaus kuriose Dinge wie scheußliche Topflappen im Tierdesign. Oder auch als Schnäppchen dekorierte edle Loafer. Aus Warhols Werbegraphikerzeit stammt seine Faszination für Schuhe, er zeichnete unzählige davon. Das Titelbild der Ausstellung in Köln ist ein Foto mit ausgetretenen Cowboystiefeln. Insignien des US-amerikanischen Alltags-Lifestyles. Und auch ein schon leicht abgewetzter Teppich im typischen 70er-Jahre-Muster hatte es Warhol angetan.
„Photographs and Screen Tests“
Thomas Zander kommt der Verdienst zu, dass man nun diese Alltagsfotographien in so großer Anzahl anschauen kann. Vereinzelt waren sie zwar bereits andernorts zu sehen. Zuletzt etwa im Frühjahr 2012 in der Ausstellung „Warhol: Headlines“ im Frankfurter Museum für Moderne Kunst. Ergänzt wird die Kölner Ausstellung um eine Auswahl der legendären Screen Tests.
Dreiminütige Filmaufnahmen, die Warhol in der Factory von mehr oder minder berühmten oder noch berühmt werden sollenden Freunden anfertigte. Drei Minuten, in denen die Gefilmten auf sich allein gestellt waren, Monologe hielten, bisweilen Unsicherheiten zeigten. Und damit Warhols Neugier für den Moment befriedigten. Zu Facebook kommt also auch noch ein bisschen Youtube hinzu. Gibt es aktuellere Argumente, nach Köln zu fahren? Warhol anzuschauen? Und anschließend zu facebooken, wie es gefallen hat?
www.freundederkuenste.de
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