Thomas Berger: Albert Camus – Absurdität und Glück

Als ich mich in der Mittel- und Oberstufe des Gymnasiums für Literatur zu interessieren begann, riet mir mein bester Freund: „Wenn du lesen willst, was man heute lesen sollte, lies Camus!” Dem kam ich nach – anfangs nach den vertrauten Formen von Roman, Erzählung und Drama greifend, dann auch nach dem, was mir fremder war: Tagebuch und Essay. Daran erinnere ich mich beim Blick auf das neue Buch von Thomas Berger. Es ist „die erweiterte Fassung” eines „Referates, das der Autor am 17. Oktober 2015 im Rahmen des Symposions des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA) Landesverband Hessen e.V. im Hotel Altkönig, Kronberg-Oberhöchstadt, gehalten hat.” (S. 10)
Thomas Berger liefert zunächst eine prägnante und konzise Biographie von Camus, ehe er auf dessen geistigen Weg an Hand der im Buchtitel herausgestellten Zentralbegriffe eingeht. Ausgangspunkt ist der Nihilismus Nietzsches: der Mensch kann sich und die Welt nicht (mehr) verstehen. Konstitutiv für die Absurdität (und das davon nicht zur trennende Glück!) sind Gleichzeitigkeit und Gegeneinander von Welt und Mensch. Sie stellen uns in die Alternative von Standhalten und Ausweichen. Unter letzterem Begriff subsumiert Camus den Suizid, das Klammern an eine Hoffnung, die Orientierung an Jenseitigem.
Nietzsches Amor fati ist für Camus nicht der Weg – schließt er doch die Akzeptanz des Leides und des Bösen ein. Demgegenüber ist und bleibt es für Camus zwingend, sich gegen jedwedes Unrecht zu wenden. In eigentümlicher Modifikation der katholischen Dogmatik spricht er davon, dass außerhalb der Welt (nicht der Kirche!) kein Heil sei.
Wie der Absurdität standzuhalten sei, dafür stehen bei Camus die Grundbegriffe der Auflehnung, der Freiheit (des Geistes wie des Handelns) und der Leidenschaft, die sich darin definieren lässt, das Leben ungeachtet seiner Grenze (der Absurdität eben!) auszuschöpfen.
Thomas Berger zeigt auf, wie Camus im „Mythos von Sisyphos” Absurdität und Glück im Blick auf das Individuum fasst, um später („Der Mensch in der Revolte”) die Begriffe für die Gemeinschaft durchzubuchstabieren. Die Haltung unbedingter Solidarität wappnet Camus gegen die Versuchungen von Terror und Totalitarismus. Mit Recht arbeitet Thomas Berger heraus, dass die unbedingte Humanität des Atheisten Camus sich in ihren Auswirkungen auf die Welt von der konsequenten Nächsten- und Feindesliebe im Gefolge der Bergpredigt Jesu letztlich nicht unterscheidet.
Ein – auch in seiner Gestaltung! – ansprechendes Buch, dessen heuristischer Wert durch das sorgfältig gearbeitete Quellenverzeichnis noch erhöht wird. Zu danken ist überdies für die ausführliche Bibliographie der Buch- und Einzelveröffentlichungen Thomas Bergers, die an mehr als einer Stelle großes Interesse weckt.

Thomas Berger: Albert Camus – Absurdität und Glück
edition federleicht, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-946112-01-3
88 Seiten, Preis: 9,50 Euro

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