Teufelszeug oder gesünderer Ersatz für die Tabakzigarette: Die Diskussion um die E-Zigarette

Seit ihrer Markteinführung im Jahre 2005 werden die Wirkung und die Gesundheitsgefährdung der E-Zigarette kontrovers diskutiert. In der Presse wird immer wieder davon berichtet, dass es so gut wie keine wissenschaftlichen Studien über die Wirkung und potentielle Gesundheitsgefährdung der E-Zigarette gibt. Dies ist allerdings eine falsche Behauptung, in der Wissenschaft finden sich jedes Jahr zahlreiche neue Forschungsergebnisse, die einander aber zum Teil widersprechen. Langzeitstudien zu dem Themenkomplex existieren bisher nicht, was die endgültige Entscheidung pro/contra E-Zigarette nicht einfacher machen dürfte.

Die elektrische Zigarette ist ein Produkt, mit dem Raucher auf ein wesentlich weniger schädliches Produkt ausweichen können und somit die Giftstoffe, die im Tabakrauch vorhanden sind, nicht mehr einatmen müssen. Da die Inhaltsstoffe nur erwärmt, aber nicht verbrannt werden, bleiben sie beim Gebrauch weitgehend chemisch unverändert und in Anbetracht der geringen Mengen auch mit hoher Wahrscheinlichkeit gesundheitlich irrelevant. Da die elektronische Zigarette primär als Alternative zur Tabakzigarette gedacht ist, gibt sie Nikotin ab. Somit bleiben, ähnlich wie beim Potential anderer legaler Drogen wie Koffein oder Alkohol, natürlich weiterhin Risiken, die mit einem eventuellen Missbrauch in Verbindung gebracht werden.

Der vom Deutschen Krebsforschungszentrum herausgegebene „Tabakatlas 2009“ macht das Nikotin nur noch als suchtbildende Substanz aus – weitere Gefahren und Risiken werden nicht mehr genannt.[1] Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt in ihrer Veröffentlichung „Die Sucht und ihre Stoffe“: „Während das Nikotin in erster Linie für die Suchterzeugung verantwortlich ist, werden die eigentlichen Gesundheitsschäden vornehmlich durch die zahlreichen anderen Schadstoffe verursacht, von denen etliche nachweislich krebserzeugend sind, zu besonderen Gefährdungen in der Schwangerschaft führen und auf die Gefäße wirken.“[2] Außer dem Nikotin sind in E-Zigaretten-Liquids noch zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen enthalten. Diese sind quasi allgegenwärtig, werden in Arzneimitteln und Nahrungsmitteln eingesetzt und tagtäglich konsumiert.[3] Dazu kommt, dass die Laquidinhaltsstoffe nicht verbrannt und damit chemisch unverändert vom Konsumenten aufgenommen werden. Da die heutige E-Zigarette erst 2003 erfunden und seit 2005 auf dem Weltmarkt zu erwerben ist, gibt es kaum Langzeitstudien zu dem Themenkomplex. Wie sich die E-Zigarette auf längere Zeit auf den Konsumenten auswirkt, bleibt aus diesem Grund noch offen.

Bei E-Zigaretten entsteht, anders bei der Tabakzigarette, kein schädlicher Nebenstromrauch. Da bei der E-Zigarette das Liquid verdampft, ist das Konsumieren von diesen kein Rauchen im Sinne des Nichtraucherschutzgesetzes. Hinzu kommt, dass bisherige Untersuchungen und Studien keine nennenswerten Schadstoffbelastungen für andere Nichtraucher aufzeigen. Das Nikotin wird von der Lunge des E-Zigarettenkonsumenten beim Einatmen bis zu 98% und Propylenglycol zu 98 bis 100% aufgenommen. Somit ist der eingeatmete Dampf eines E-Zigarettenkonsumenten nicht schädlich für Dritte, da er nahezu kein Nikotin und keinerlei Verbrennungsprodukte enthält.

Die Benutzung der E-Zigarette ist wesentlich „gesünder“ als der Genuss von Tabakzigaretten: Prof. Dr. Zachary Cahn von der University of California und Prof. Dr. Michael Siegel von der Boston University School of Public Health werteten im Jahre 2010 sechzehn Studien zur elektrischen Zigarette und den Inhaltstoffen aus. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich im Dampf der elektrischen Zigarette bis zu 1000mal weniger schädliche Stoffe befinden als im Tabakrauch.[4] Aktiv- und Passivdampfrauch bei der E-Zigarette führt lediglich zu einer erhöhten Anzahl von Leukozyten, Lympfhozyten und Granulozyten, was aber keine größeren gesundheitlichen Risiken für den Konsumenten und dritte Personen beinhaltet. Ähnlich wie bei anderen legalen Drogen wie Alkohol oder Koffein bestehen natürlich gewisse Risiken, die der Konsument aber selbst abschätzen muss.

Die Tabakindustrie ist natürlich daran interessiert, ihre Konsumenten bei der Stange zu halten und ihre immensen Verkaufserlöse durch die Konkurrenz von E-Zigaretten nicht zu gefährden. Deutschland gilt als lukrativer Markt für den Verkauf von E-Zigaretten. Nach unterschiedlichen Händlerangaben gibt es inzwischen in der Bundesrepublik 1,2 Millionen Konsumenten bei einer steigenden Tendenz. Die Zahl der Konsumenten weltweit kann nur geschätzt werden, es dürfte sich aber um eine dreistellige Millionenzahl handeln. Dies sollte bei der Diskussion um elektronische Zigaretten immer mit beachtet werden und genau hingeschaut werden, von wem oder welcher Interessengruppe positive oder negative Aussagen über die E-Zigarette kommen.[5] Wie auch bei der Diskussion beim Rauchverbot für öffentliche Gaststätten, Tanzveranstaltung oder ähnliches in den letzten Jahren ist es nur schwer einzusehen, warum der Staat oder die einzelnen Länderparlamenten das Rauchen von E-Zigaretten überhaupt reglementieren, d.h. erlauben oder verbieten sollte. Dies ist eine Entmündigung der freien Entscheidung eines jeden einzelnen, ob er/sie Konsument einer elektrischen Zigarette werden will oder nicht. Das aktuelle Verbot wie im Freistaat Bayern dient nur zur Kriminalisierung von ganz normalen Leuten, die sich aus freien Stücken und erwachsen genug, um die Risiken oder die Vorzüge der E-Zigarette zu kennen, dazu entschlossen haben, sie zu konsumieren.

Ein Verbot wird eher dazu führen, dass gerade der Reiz der E-Zigarette als etwas „Verbotenes“ bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen steigen wird und damit auch die Zahl potentieller Konsumenten. Schon jetzt gibt es trotz wenig Werbung in der Öffentlichkeit ca. 1-2 Millionen Konsumenten der E-Zigarette in Deutschland, ihr Anteil wird in den nächsten Jahren sicherlich noch höher liegen. Der gern vorgeschobene Aspekt der „Gesundheitsgefährdung“ ist ebenfalls fragwürdig und heuchlerisch, wenn Spirituosen mit hoher Prozentzahl oder Bier in allen verschiedenen Variationen frei im Handel erhältlich sind und sogar dafür Werbung zur besten Sendezeit im Fernsehen gezeigt werden darf.Dies zeigt auch das Versagen der behördlichen Gesundheitsprävention in Deutschland auf, wenn sich Menschen für den Konsum einer Tabakzigarette oder Alkohol entscheiden. Die Form einer Entgiftung des Tabakkonsumenten in Form einer E-Zigarette und die wahrscheinlich „gesündere“ Form des Rauchens wird dagegen verteufelt.

Die „Gefährdungen der Gesundheit“ der Bürger können nicht Aufgabe des Staates sein, sondern jeder sollte selbstverantwortlich handeln, ohne dabei Sanktionen in irgendeiner Weise fürchten zu müssen. Die Autorität des Staates, die E-Zigarette oder ähnliche private Dinge zu reglementieren, bedeutet somit die Minderung der autonome Selbstbestimmung eines jeden einzelnen, was nicht zu der Vorstellung einer liberalen Gesellschaft passt, in der der Staat oder seine Institutionen nicht die Privatsphäre eines Menschen bestimmen darf.

Allerdings gibt es eine ganz einfache Antwort auf die Frage nach möglichen Gesundheitsrisiken für Konsumenten der E-Zigarette oder der Vorteile gegenüber der Tabakzigarette: Abstinenz vom Rauchen, auch wenn es schwerfällt.


[1] Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit: Nichtraucherschutz in Bayern, München 2012, S. 8
[2] www.vgh.bayern.de/BayVGH/documents/10a/2468b.pdf
[3] Ebd.
[4]Dawkins, L. u.a.: Vaping profiles and preferences: an online survey of electronic cigarette users, Addition 108, S. 1115-1125, hier S. 1119
[5] Vgl. dazu Karl, B.: Die Profiteure der Sucht. Konzerne am Pranger, München 1999 oder Ernstmann, K./Dorda, J.: Das Geschäft der Gesundheit und Krankheit, Berlin 2003

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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