Regisseur Burkhard C. Kosminski und Autorin Theresia Walser. Fotos: SF/Anne Zeuner
(SF, 15. August 2019) Der Begriff der Empörung lag in der Luft, während sie ihr Stück schrieb, sagt Autorin Theresia Walser. Die rechtspopulistische Bewegung lebe von der Empörung. In ihrem Stück Die Empörten, das am 18. August bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wird, seien alle Figuren nervös, überreizt und empört. Vor zwei Jahren hat die Leiterin des Schauspiels, Bettina Hering ihr den Auftrag zu dieser Uraufführung gegeben. Als Beitrag zum „Echo der Mythen“, dem Thema der diesjährigen Festspiele, war diese ursprünglich angelegt. Der erste Arbeitstitel hieß „Kreons Schwester“, sagt Theresia Walser. „Ich habe mich am Anfang viel mit dem Konflikt zwischen Kreon und Antigone beschäftigt. Für mich hat die Kreon-Figur eine große Ambivalenz.“ Oft habe sie diese Figur in Aufführungen als kalten Vertreter der Staatsräson gezeichnet gesehen. Sie aber habe sich immer die Frage gestellt, wie diese Figur wohl in einem anderen Umfeld agieren würde. Aus diesen Überlegungen sei ihre Figur der Bürgermeisterin entstanden. Das Stück habe sich zwar von der Kreon-Figur entfernt, dennoch schillerten aber im Text immer wieder Anklänge davon durch. Auch Spuren der weiteren Bearbeitung mit dem Arbeitstitel „Abendlandindianer“ seien noch im Stück vorhanden, sagt Walser.
Autorin Theresia Walser.
Stop and Go, Leidenschaft und Stress und das immer im Wechsel, so fühle es sich an, eine Uraufführung zum Leben zu erwecken, sagt Regisseur Burkhard C. Kosminski. Und gerade sei man noch mittendrin in diesem Wechselspiel der Gefühle. „Gerade bei einer Uraufführung hat man den Wunsch, das Stück zu beseelen und den Text in Relevanz zu bringen. Es gibt Phasen der Euphorie, der Depression und dann fängt man wieder an zu hinterfragen“, sagt der Regisseur. Er sei überzeugt davon, dass die Arbeit mit lebenden Autoren ein zentraler Bestandteil eines Theaters sein sollte. In zwölf Jahren am Theater in Mannheim habe er über 100 Uraufführungen unterstützt. Und er habe sehr positive Rückmeldungen des Publikums erfahren, wenn der Stoff gut vermittelt wurde. Es ist die achte Uraufführung, die Kosminski und Walser als Team gemeinsam auf die Bühne bringen.
Regisseur Burkhard C. Kosminski.
Im Stück geht es um eine Bürgermeisterin, die kurz vor den Wahlen stehe. Doch es passiert eine Katastrophe in ihrer Stadt. Jemand fährt in eine Gruppe Menschen und es sei unklar, ob es Amok oder ein Attentat war. Es stellt sich heraus, dass der Täter der Halbbruder war, der dabei auch umgekommen sei. Die Bürgermeisterin entführt die Leiche gemeinsam mit ihrem Bruder und versteckt sie in der Rathaus-Truhe. Die Trauerfeier für die Opfer soll noch an diesem Tag stattfinden an der auch ihre Widersacherin, eine Rechtspopulistin, teilnehmen will, die bereits die Bevölkerung aufgestachelt hat zur Demonstration, damit der Namen des Täters genannt werde und ins Rathaus kommt. Jeder instrumentalisiere diesen Anschlag oder Unfall, je nach Lesart, und die Opfer, um daraus politischen Profit zu ziehen. – Dass eine Leiche in ihren Stücken vorkomme, sei im Übrigen nichts Ungewöhnliches. Die nutze sie oft, „weil es ein besonders schmerzhafter Punkt ist, an dem sich die Groteske gut entfachen lässt“, sagt sie. „Damit spiele ich gerne.“
Den Schluss des Stückes habe Theresia Walser noch einmal umgeschrieben. „Wir wollen kein Statement zur Gegenwart abgeben, auch wenn das Stück natürlich die Gegenwart spiegelt“, sagt Burkhard C. Kosminski. „Wir werden jeden Tag, wenn wir die Zeitung aufschlagen mit der Welt konfrontiert, das wollen wir nicht kommentieren, keinen tagespolitischen Kommentar abgeben, sondern darüber hinaus gehen.“
Eine finstere Komödie ist der Untertitel des Stückes. Es werde komisch und bitter zugleich, sagt der Regisseur. „Ich selbst sehe es auch gerne als Groteske“, sagt Theresia Walser. Es sei widerborstiger, das Lachen koste einen mehr Überwindung und man könne viele Arten des Lachens bedienen. „Lachen hat so viele Nuancen, man kann in sich hineinlachen, etwas weglachen … Aber Lachen bedeutet auch immer Involviertheit“, sagt sie. „Ich betrachte Texte auch immer als musikalische Partitur. Es geht viel um Rhythmus und das Herausfinden einer Sprachmusik.“ Eine Komödie sei demnach ein sehr genaues Musizieren. Die Rhythmik, die ein Schauspieler oder eine Schauspielerin mitbringen, fließe im Übrigen auch in ihr Schreiben hinein. „Das ist schwierig zu erklären, aber der Gestus eines Schauspielers erweitert mein eigenes Figurenspektrum“, sagt sie. Es schränke sie also nicht ein, für ein bestimmtes Ensemble zu schreiben, es sei viel mehr Stimulanz.
Als gelernte Schauspielerin habe sich Theresia Walser förmlich von der Bühne geschrieben, sagt Bettina Hering, die den TerrassenTalk moderiert. „Das stimmt“, sagt die Autorin. „Als junge Schauspielerin habe ich immer nach komischen Frauenrollen gesucht, die es aber leider nur sehr selten gab“, sagt sie. Also fing sie an Rollen für sich selbst zu schreiben, die dann aber wiederum von anderen gespielt wurden. „Ich hatte sehr mit Lampenfieber zu kämpfen und habe mich dadurch oft selbst blockiert“, sagt Theresia Walser. Pläne über die Dramatik hinweg zu veröffentlichen, habe sie im Moment nicht, schließe sie aber auch nicht aus. „Alles, was ich bisher in Prosa geschrieben habe, habe ich am Ende doch für Stücke ausgebeutet“, sagt sie.