Friedrich Merz will der nächste Bundeskanzler werden – vorausgesetzt die CDU/CSU schickt den 68-Jährigen als Kandidat um die Nachfolge von Olaf Scholz ins Rennen. Für den gebürtigen Sauerländer steht indes fest: „Von der Ampel wird dieses Land unter Wert regiert. Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor und sind uns einig darin, dass diese Regierung so schnell wie möglich abgelöst werden sollte.“ Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit Friedrich Merz über die Gefahren für unsere Demokratie, den Umgang der CDU mit potentiellen AfD-Wählern und die Frage, warum Deutschland einen Bundeskanzler Friedrich Merz braucht. Das Interview finden Sie hier.
Herr Merz, vielen Dank, dass Sie sich trotz Parteitag die Zeit für ein Interview nehmen. Starten wir mit der ersten Frage: Was bedeuten Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?
Ich verbinde unsere Demokratie zuallererst mit unser aller Freiheit, mit Redefreiheit, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, mit Pressefreiheit, Informationsfreiheit, mit der Wahlfreiheit und letztendlich mit dem Recht, mich frei zu bewegen. Wir sehen, dass diese Freiheiten auf der Welt bedroht sind wie schon lange nicht mehr. Für die Verteidigung dieser Freiheiten, die den Kern unserer demokratischen Ordnung ausmachen, müssen wir etwas tun, und zwar so nachhaltig, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder weiter in Freiheit leben können.
Populistische, in Teilen demokratiedestabilisierende, Parteien wie die AfD, Fake News oder die Zunahme autoritärer Regime: Worin sehen Sie derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie in Deutschland?
Ihre Aufzählung zeigt ja, in welcher Zeit wir leben. Die Lage ist ernst und sie wird möglicherweise sogar noch schwieriger werden. Die Europäische Union steht erneut vor einer großen Bewährungsprobe. An gleich zwei Orten in unserer Nachbarschaft toben entsetzliche Kriege. Täglich sterben dort Menschen, ältere und jüngere, Frauen, Kinder und Soldatinnen und Soldaten. So unterschiedlich diese Kriege sind – eins haben sie gemeinsam: Der russische Staatsterror gegen die Ukraine und der islamistische Terror von Hamas und Iran gegen Israel gefährden beide auch unsere Freiheit und das friedliche Zusammenleben auch der Menschen in unserem Land. In Israel wie in der Ukraine muss der Beweis erbracht werden, dass sich Demokratien und freiheitliche Rechtsstaaten auch im 21. Jahrhundert noch erfolgreich gegen Krieg und Terror zur Wehr setzen. Und dass sie ihre freiheitliche Ordnung erfolgreich verteidigen können.
Apropos AfD: Teile der Alternative denken völkisch – sprechen von „Remigration“. Was, wenn sich die Prognosen für die Landtagswahlen bestätigen? Welches Angebot macht die CDU potentiellen AfD-Wählern?
Wir kämpfen um Mehrheiten ohne AfD und Linkspartei, und wir kämpfen allein für die CDU. Wir wollen das Land vor allem wirtschaftlich wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Dazu brauchen wir eine Agenda 2030, und deshalb haben wir im Bundesvorstand bereits einen Beschluss gefasst zur Neuordnung des sogenannten Bürgergeldes: Mit der „Neuen Grundsicherung“ wird das System grundlegend geändert und vor allem dieser Begriff abgeschafft, weil er suggeriert: Alle bekommen etwas aus dem Staatshaushalt. Das ist vor allem ungerecht gegenüber denjenigen, die für diesen Sozialstaat hart arbeiten und mit ihrer Arbeit Steuern und Sozialbeiträge zahlen.
Annalena Baerbock engagiert sich für eine wertegeleitete Außenpolitik. Demgegenüber steht das – teils widerlegte – Narrativ „Wandel durch Handel“. Dürfen wir mit Diktaturen Geschäfte machen?
Wir sind für eine werte- und zugleich interessengeleitete Außenpolitik. Wir brauchen keine belehrende und moralisierende Außenpolitik des erhobenen Zeigefingers. Die Handelsbeziehungen müssen breiter aufgestellt werden. Wir sollten uns wieder stärker auf Freihandelsabkommen mit westlichen Partnern konzentrieren: CETA – ein modernes Freihandelsabkommen mit Kanada – ist ausverhandelt und wenigstens zum Teil in Kraft gesetzt worden. Mit den USA hätten wir längst ein Freihandelsabkommen haben sollen. Mit den südamerikanischen Staaten ist ein weiteres Abkommen ausverhandelt. Dagegen bleiben die Beziehungen zu China schwierig, vor allem, weil China massiv Überproduktionen subventioniert, obwohl das Land seit 2001 der WTO angehört.
Israel ist die einzige Demokratie in Nahost. Wie kann die Region befriedet werden? Sehen Sie eine – schon zuvor unwahrscheinliche – Zwei-Staaten-Lösung seit den Geschehnissen vom 7. Oktober noch als Option?
Die Zwei-Staaten-Lösung bleibt langfristig das richtige Ziel für eine friedliche Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern. Die Anerkennung des Existenzrechts Israels durch die Palästinenser ist auf dem Weg dorthin eine Grundvoraussetzung.
Sie wollen 2025 Kanzler werden – vorausgesetzt die CDU/CSU schickt Sie als Kandidat um die Nachfolge von Olaf Scholz ins Rennen. Warum braucht Deutschland einen Bundeskanzler Friedrich Merz?
Über die Kanzlerfrage entscheiden CDU und CSU gemeinsam im Spätsommer 2024. Klar ist: Von der Ampel wird dieses Land unter Wert regiert. Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor und sind uns einig darin, dass diese Regierung so schnell wie möglich abgelöst werden sollte. Die Union wird mit der Botschaft in den Bundestagswahlkampf gehen: Wenn es bleiben soll, wie es ist und vielleicht auch eines Tages sogar besser werden soll, dann wird das nicht mit weniger Arbeit und weniger Anstrengungen, sondern nur mit mehr Arbeit und mehr Anstrengung gehen.
Herr Merz, Ihre Leidenschaft ist das Fliegen – wohlgemerkt das „selber Fliegen“, also als Pilot. Hört sich ein wenig abgehoben an. Wo würden Sie sich zwischen „elitär“ und „bodenständig“ einordnen?
Ich habe eine gute Ausbildung, habe immer viel und gern gearbeitet, ich hatte dabei auch viel Glück im Leben und konnte viel erreichen. Dafür bin ich diesem Land unendlich dankbar. Aber den Wohlstand hat uns niemand geschenkt, meine Frau und ich haben alles selbst erarbeitet. Und wir leben seit über dreißig Jahren ganz bodenständig im Sauerland.
Vielen Dank für das Interview Herr Merz!
Quelle: Gesichter der Demokratie