Südafrika: „Der Nährboden für soziale Unruhen ist groß“

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Gewalt, fehlende Rechtssicherheit und weit verbreitete Korruption gefährden die Demokratie in Südafrika. Im Interview mit der Evangelischen Akademie Tutzing blickt Dr. Renier Koegelenberg aus Stellenbosch auf ein knappes Jahr der Corona-Pandemie in seinem Heimatland und -kontinent. Der Geschäftsführende Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA) ist überzeugt, dass es ohne Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den Kirchen keine Lösung der bestehenden Probleme geben wird – weder im Bildungsbereich noch im Gesundheitswesen.

Die Corona-Pandemie hat nach Meinung des Sozial- und Gesundheitsexperten Dr. Renier Koegelenberg (Stellenbosch bei Kapstadt) gravierende Auswirkungen auf Südafrika und den afrikanischen Kontinent insgesamt. Er rechne damit, dass der Lebensstandard in weiten Teilen Afrikas „um mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen“ werde. „Daraus folgt wiederum, dass es vielen jungen Afrikanern schlechter gehen wird als ihren Eltern“, so der Geschäftsführende Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA) im Interview der Evangelischen Akademie Tutzing. Angesichts rückläufiger Lebensmittelsicherheit und gleichzeitigem Anstieg des Hungers sei die Situation in Subsahara-Afrika „wirklich alarmierend“. Hier lebten mittlerweile 250 Millionen unterernährte Menschen, 32 Millionen mehr als 2015.

Hunger und sich verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen lösten Migrationsbewegungen aus und führten zu wachsender Fremdenfeindlichkeit. Mit diesen Problemen sei Südafrika bereits in den letzten Jahren in steigendem Maße konfrontiert gewesen. „Mit Ungleichheit kann eine Gesellschaft nur zurechtkommen, wenn gleichzeitig alles unternommen wird, dass alle Teile der Bevölkerung von einem wirtschaftlichen Aufschwung profitieren“, ist Koegelenberg überzeugt. Unter Corona-Bedingungen sei dies kurzfristig äußerst schwierig. „Der Nährboden für soziale Unruhen ist groß.“ Gewalt, fehlende Rechtssicherheit und weit verbreitete Korruption gefährdeten die Demokratie.

Die Kirchenführer in Südafrika seien sich einig, so der Experte, dass Betrug und Korruption im öffentlichen und privaten Bereich – und innerhalb der Glaubensgemeinschaften selbst – ausgerottet werden müssten, „um das Vertrauen in die Führung des Landes, unser politisches System und unsere Kultur wiederherzustellen“. Dies erfordere ein langfristiges Engagement und finanzielle Ressourcen, die derzeit knapp seien. Covid-19 habe aktuell auch massive Folgen für die Kirchen. Das betreffe die gesamte Palette ihrer Aktivitäten, die durch die Pandemie stark eingeschränkt sind, wie auch ihre Einnahmen.

Renier Koegelenberg nennt die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südafrika und Deutschland „stark“. Auf Regierungsebene gebe es mehrere bilaterale Abkommen und gemeinsame Programme. Ihr Ziel sei es, auch die ökumenische und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zu unterstützen und zu stärken. Obwohl dies ein formeller Bestandteil der deutschen Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik im Blick auf Afrika ist, setze sich dies aber nicht immer durch. Außerdem gebe es eine Reihe von Beispielen, die zeigten, dass die Unterstützung leider nicht immer dort ankomme, wofür sie gedacht war. „Da stellt sich schnell die Frage, ob eine direkte finanzielle Unterstützung für gut konzipierte Programme von Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen nicht die bessere Investition wäre.“

Der Übergang von der Apartheid zur Demokratie in Südafrika vor mehr als 25 Jahren ist nach Koegelenbergs Überzeugung nur gelungen, weil viele führende Vertreter der Zivilgesellschaft – darunter auch Kirchenvertreter – Regierungsämter übernommen haben. Heute gehe es darum, die Rolle der Zivilgesellschaft insgesamt wie auch der Kirchen neu zu definieren. Südafrika stehe vor gewaltigen Herausforderungen. „Ohne eine funktionierende Zivilgesellschaft werden wir die Probleme unseres Landes nicht lösen können.“ Leider schwäche Covid-19 aktuell die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft.

„Wie wir für Bildungsgerechtigkeit sorgen können, bleibt eine, vielleicht die größte Herausforderung Südafrikas.“ Hier hätten die Kirchen durch ihre Präsenz vor Ort immer noch einen einzigartigen Vorteil, die Menschen bis ins kleinste Dorf zu erreichen. „Deshalb wird es ohne die Zusammenarbeit mit den Kirchen keine Lösung der bestehenden Probleme geben – weder im Bildungsbereich noch im Gesundheitswesen.“

Das Interview im vollen Wortlaut können Sie unter diesem Link abrufen.

Pressemitteilung Südafrika: „Der Nährboden für soziale Unruhen ist groß“

© EVANGELISCHE AKADEMIE TUTZING

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