Vorstandsmitglied Jakob Stürmann: Stimmen der AfD dürfen niemals ausschlaggebend für eine Ministerpräsident*innen-Wahl sein
„Aktion
Sühnezeichen Friedensdienste warnt seit langem vor der AfD und
kalkulierten Tabubrüchen von Politiker*innen wie
Björn Höcke. Der Geschichtsrevisionismus und die Einstellungen zum
gesellschaftlichen Zusammenleben der AfD widersprechen den
Grundprinzipien unserer liberalen Demokratie. Sie dürfen daher niemals
die ausschlaggebenden Stimmen für eine Ministerpräsident*innen-Wahl
sein. Diesen Konsens haben die Thüringer Landtagsfraktionen von CDU und
FDP am Mittwoch aufgekündigt“, sagt Jakob Stürmann, Vorstandsmitglied
von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. „Die Wahl des FDP-Politikers
Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten
stellt einen Bruch mit der bisherigen Übereinkunft demokratischer
Parteien dar, der rechtspopulistischen, geschichtsrevisionistischen und
in Teilen antisemitischen Partei AfD in politischen Debatten zu
begegnen, mit ihr aber nicht zu paktieren. Seit gestern
ist das anders: Der Ministerpräsident Thüringens konnte nur mit den
Stimmen der AfD-Fraktion gewählt werden.“
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ist fassungslos und erschüttert
darüber, dass die Thüringer Landtagsfraktionen von FDP und CDU mit den
Stimmen der AfD eine Ministerpräsident*innenwahl gewonnen haben. Die
Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich fand im
dritten Wahlgang statt, obwohl CDU und FDP davon ausgehen mussten, dass
die Thüringer AfD diesem Vorschlag zur Mehrheit verhelfen wird. Zum
ersten Mal kam damit ein*e deutsche*r Landeschef*in nach dem
Zusammenbruch der NS-Diktatur nur wegen der Stimmen einer
radikal rechten Partei ins Amt. Das ist inakzeptabel.
Besonders alarmiert Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, dass dieser
Tabubruch in Thüringen stattfand. Der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende
Björn Höcke ist das bekannteste Gesicht des „Flügels“ innerhalb der
AfD. Er vertritt offen rechtsextreme und völkische
Standpunkte. Unter anderem forderte er, die Kultur des Erinnerns an die
nationalsozialistischen Verbrechen in Deutschland zu beenden. Er sagte
ferner, in Schulen werde die deutsche Geschichte „mies und lächerlich“
gemacht und bezeichnete die Rede des damaligen
Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 1985, anlässlich des
40. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs, als eine „Rede gegen
das eigene Volk“. In Höckes historischem und aktuellem Nationsbegriff
haben weder jüdische Deutsche, deutsche Sint*ezze
und Rom*nja noch Deutsche türkischer oder griechischer Abstammung
Platz. Es sind diese rassistischen und geschichtsrevisionistischen
Einstellungen, gegen die sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste
engagiert und gegen die Freiwillige des Vereins seit über
60 Jahren ein praktisches Zeichen setzen.
Seit 1958 setzt sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste für eine kritische und sensible Auseinandersetzung mit den Folgen der nationalsozialistischen Verbrechen ein. In Freiwilligendiensten und Sommerlagern engagieren sich jedes Jahr mehrere hundert, überwiegend junge Menschen in vielen Ländern Europas, den USA und Israel in Gedenkstätten, in der Begleitung von Überlebenden der Schoa und in der politischen Arbeit für eine inklusive, vielfältige Gesellschaft.
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste