Der Lichtung Verlag, beheimatet im niederbayerischen Viechtach, schreibt sich klein: lichtung verlag. Aus Bescheidenheit? Oder aus Modernität? Egal – er ist unter der „Regie“ seines Initiators Hubert Ettl zu einem der „Großen“ im Lande geworden. Groß nicht gemessen am Umfang seiner Produktion, aber in Anspruch und Ansehen. Er besteht seit 1990. Drei Jahre zuvor hatten sich ein paar Kulturbeflissene zusammengetan, um ein „ostbayerisches Magazin“ zu gründen, die „lichtung“. Diese Zeitschrift erscheint seither viermal im Jahr. Sie bringt, nach eigenem Verständnis, „Hintergrundberichte, Kommentare, Glossen zu regionalen Themen, stellt Schriftsteller, bildende Künstler und Musiker aus Niederbayern und der Oberpfalz vor.“ Die Region Ostbayern kann ohne das „ostbayerische magazin“, das heute (wie – nach dem Ausscheiden von Hubert Ettl – auch der Verlag) von Eva Bauernfeind und Kristina Pöschl redaktionell betreut wird, eigentlich gar nicht auskommen; gibt die Zeitschrift doch eine „umfassende Übersicht von Ausstellungen und Kulturveranstaltungen“. Sie lässt auch Rezensenten zu Wort kommen, die kritisch – vor allem bayerische – Neuerscheinungen (Bücher und CDs) besprechen. Das Jahres-Abo (18 Euro, im Ausland 26 Euro) ist auch als Geschenk beliebt geworden (lichtung-verlag@t-online.de).
So manche Autorin, so mancher Autor hat bei Hubert Ettls Kleinverlag – der Freistaat Bayern zeichnete ihn in dieser Eigenschaft 2010 mit einem Preis aus – eine Heimat gefunden. Beispiele: der in Waldmünchen lebende Romancier und Essayist Bernhard Setzwein, der mit Amberg und Landshut besonders verbundene Erzähler Friedrich Brandl oder – seit kurzem – die soeben 50 Jahre alt gewordene gebürtige Regensburger Journalistin und Projektleiterin Ulrike Anna Bleier. Ihr Roman, der bei lichtung auch als ebook erhältlich ist, kam auf die Hotlist 2017 der zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen.
Ein Autor, der seinen angestammten Passauer Karl Stutz Verlag unglücklicher Weise verlor, wo er als damals bereits Fünfzigjähriger 2006 mit dem Lyrik-Band „Herbstmusik“ zu veröffentlichen begann, legte im vergangenen Herbst sein neuestes Gedicht-Buch „Stilles Theater“ bei lichtung vor. Hirschl, der zunehmend Lesungs-Termine, gerne auch an verschiedenen Orten, wahrnimmt, verdient sein Brot als studierter Theologe im Passauer Kirchendienst. Als Lyriker arbeitet er freiberuflich. Im September 2009, als der Verleger Karl Stutz Hirschls Neuerscheinung „Nachthaus“ mit der Bitte um Besprechung an den Schreiber dieser Zeilen sandte, empfahl er diesen Gedicht-Band, der wie sein Vorgänger von der Natur und den Jahreszeiten handele und viele verarbeitete kleine Beobachtungen enthielte, schon deshalb, weil er „immer mit einem Schuss unaufdringlichen Humors“ arbeite.
Dieser Schuss – nie der Überschuss – leichten, einfühlenden, nie verletzenden Humors ist Hirschl eigen und eigen geblieben. So schreibt er in seinem schönen Gedicht „Vom Glück“: Stets auf Tournee / Seine Gastspiele / meist nur kurz / Gestern machte es / bei dir Station / Dein Lachen überschlug / sich viele Male / das kleine Wegstück / das ich mit dir ging. (Der Punkt nach „ging“ ist nur gesetzt, weil der Satz aufhört; Hirschl verzichtet als Dichter auf nahezu alle Satzzeichen.)
Von großem Glück spricht Friedrich Hirschl im Hinblick auf seine neue „Heimat“, den lichtung Verlag, Viechtach: „Es gibt nicht viele Verlage, die einem Lyriker wie mir eine Heimstatt bieten können“. Er kann sich nicht beklagen, was die keineswegs vorprogrammierte Akzeptanz seiner Sprach-Miniaturen anbelangt. Er fände Bilder, die er für eilige Menschen festzuhalten verstünde; er streife durch den Alltag und entdecke dessen Schönheit im Gewöhnlichen; er brächte in wenigen Zeilen Augenblicke zum Leuchten; er schreibe kurz und knapp, aber auch herzhaft zupackend. So lauten Urteile von Feuilletonisten aus Landshut, Nürnberg, Regensburg und Salzburg. Sieben Bücher hat Friedrich Hirschl bisher herausgebracht – und alle sind sie unaufdringlich schimmernde Juwelen in der oft so flachen und ebenso falschen Glitzerwelt des Lyrischen.
Friedrich Hirschl kommt ohne laute Töne aus. Er verneigt sich vor Allgegenwart und Gleichmaß des Naturgeschehens, etwa in dem Gedicht „Winterliebe“: Der Winter liebt / seine Kinder / Schließt die Schneemänner / in seine kalten Arme / Macht sie stark. Wieviel Zartheit liegt in den gewählten Worten, die sofort das „warme“ Bild eines „eiskalten“ Gesellen entstehen lassen. Wieviel Zärtlichkeit in dem kindlich kleinen „Theater“, das ganz aus Weiß und Eis besteht! Nicht die große Inszenierung darf man bei Hirschl erwarten. Er ist vielmehr der Mann der kleinen Dramen, der Dramolette. Seine Kulisse ist der sich durch natürliche Veränderungen wandelnde Garten, der Acker, der Hügel vor dem Riesen Gebirge: Die Schneemassen zu Bergen aufgetürmt / Die Kinder nehmen die Herausforderung an / stürmen mit Geschrei die Gipfel / Kein Berg ist ihnen zu schwer. Wie hat Hirschl diese fünf Zeilen überschrieben? „Früh übt sich“.
In zehn Kapitel teilte Hirschl die aus den letzten Jahren gewonnene reiche Ernte, die er seiner Frau und den beiden Töchtern widmete, ein. Er gab ihnen nicht weniger treffliche Überschriften als es die Themen der Einzelstücke selbst sind: zartschmelzend, duftend, berührend vieles, aber auch, das darf, nein: muss wohl sein, auch manchmal rotwangig, rundlich und ein klein wenig derb: Auf der Wiese / ein Liebespärchen / Sie verfolgt sein Treiben / mit strahlend gelben/ Stielaugen. Das ist es, was dieser Friedrich Hirschl „Auf der Wiese“ bedenkt und zu bedenken gibt.
Friedrich Hirschl: „Stilles Theater“. Gedichte. 144 Seiten, 15,90 Euro, Lichtung Verlag, Viechtach 2017
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