Stefan Groß trifft: Fünf Fragen an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Foto: © CDU Rheinland-Pfalz
  1. Was bedeutet Ehrlichkeit in der Politik? In Zeiten von Fake News scheint diese ein rares Gut zu sein? Die Politikverdrossenheit vieler ist ja ein Spiegel, dass sie den Wahrheitswert politischer Aussagen in Zweifel stellen.

 „Das zu sagen, was ist und was man meint, das bedeutet Ehrlichkeit – übrigens nicht nur in Politik. Die Bürger verlangen zu Recht von uns Politikern, dass wir glaubwürdig und wiedererkennbar sind, dass wir Position beziehen, klar und deutlich sprechen und unsere Haltung gut und nachvollziehbar erklären. Gleichzeitig sollten wir miteinander ordentlich umgehen – es sind nicht immer ‚fake news‘, wenn der Gegenüber die eigene Meinung nicht teilt. Der Vorwurf ist aber schnell gemacht. Ehrliche Kommunikation bedeutet aber nicht, den politischen Gegner zu verletzen, das eben führt zu einer Vergiftung der politischen Kultur und zu Politikverdrossenheit, das nervt die Bürgerinnen und Bürger. Und deshalb hoffe ich auch, dass diejenigen keinen langfristigen Erfolg haben, die ihre Politik auf kurzlebige Versprechungen, den schnellen Applaus und leere Phrasen gründen.“

   

  1. Markus Söder hat mit seinem Kruzifix-Urteil für Aufsehen gesorgt, ist damit Deutschlands Demokratie in Gefahr oder stärken wir damit tatsächlich unsere kulturelle Identität?

Ich bin der Meinung, dass man Heimat, kulturelle Identität oder auch Gläubigkeit nicht per Gesetz verordnen kann. Gleichwohl kann der Staat ein Zeichen setzen. Das Kreuz steht für Barmherzigkeit und Solidarität, ist zugleich Sinnbild für Hoffnung und Erlösung. Das christliche Verständnis vom Menschen – von seiner Freiheit in Verantwortung – ist Kompass und Richtschnur christdemokratischer Politik. Wer diese Werte beherzigt und lebt, der ist ganz sicher keine Gefahr für unsere Demokratie.“

 

  1. Brauchen wir in Zeiten von Parallelgesellschaft und dem immer stärker werdendem Einfluss des politischen Islam tatsächlich so etwas wie eine Leitkultur? Alt-Bundespräsident Gauck betonte: „Durch die Welle der Zuwanderung entsteht bei manchen Menschen das Gefühl: Wir sind gar nicht mehr bei uns zu Hause, sondern wir werden überfremdet.“

Wenn wir wollen, dass die Integration derjenigen gelingt, die zu uns kommen und Bleiberecht haben, dann ist es richtig und wichtig darüber zu sprechen und den genannten Menschen auch deutlich zu vermitteln, was uns als weltoffene und liberale Gesellschaft zusammenhält, welche Regeln es für ein konfliktfreies Miteinander hier gibt. Das müssen wir so konkret und alltagstauglich wie möglich machen – der alleinige Verweis auf unser Grundgesetz reicht hier nicht aus, ist zu abstrakt. Der Erfolg der Integration hängt ganz entscheidend von der Rolle der Frau ab. Gleichberechtigung gilt hier – egal woher man kommt. Darauf darf es weder einen kulturellen noch religiösen Rabatt geben. Bei uns hängt die Familienehre nicht vom Lebensstiel der Tochter oder Schwester ab, Frauen sind gleichberechtigt und müssen als Vorgesetzte und Autoritätspersonen akzeptiert werden. Unter anderem darum geht es. Kurzum: Was hinter dem Begriff der Leitkultur steht, ist sicher keine Zumutung, sondern das Einmaleins unseres Zusammenlebens in diesem liberalen Rechtsstaat. Der genau deshalb ja für so viele Ziel ihrer Träume und auch gefährlichen Reisen ist.“

 

  1. Sie kämpfen immer wieder für die Grundrechte der Frauen in der Demokratie und fordern ein Vollverschleierungsverbot für Frauen, weil Vollverschleierung nicht für religiöse Vielfalt, sondern für Diskriminierung steht. Wie können wir unsere Werte aus Aufklärung und Humanismus, die im Grundgesetz verankert sind, Menschen aus anderen Kulturen vermitteln, damit wir diese integrieren können?

„Frauen spielen die entscheidende Rolle bei der Integration. Weltoffenheit und Vielfalt sind kostbare Werte unserer Gesellschaft. Deshalb dürfen wir Frauen nicht aus falsch verstandener Toleranz und angeblicher Kultursensibilität in den Rücken fallen. In Deutschland entscheiden Frauen selbst, wie sie leben, wo sie arbeiten, wen sie heiraten. Frauen, die in patriarchalisch geprägten Familien aufwachsen und nicht selbstbestimmt und gleichwertig ihr Leben in Deutschland leben dürfen, die sich von Männern gemachten Kleiderordnungen bis hin zur Vollverschleierung und Unkenntlichmachung beugen müssen, solche Frauen brauchen unsere Solidarität – und nicht unsere Ignoranz, die gerne mit Toleranz verwechselt wird. Am Ende geht es dann auch immer auch um den Umgang mit den hier geborenen Frauen, die Gleichberechtigung gewohnt sind, sie sich auch erkämpft haben – es darf keinen so genannten „Rollback“ geben. Es ist unverständlich, mit welcher Vehemenz sich für eine gendergerechte Sprache eingesetzt wird, aber die Vollverschleierung, die Frauen zu unscheinbaren, identitätslosen Gestalten in der Öffentlichkeit degradiert, dann als Freiheit der Religion abgetan wird – des Mannes wohlgemerkt. Was die Vermittlung angeht, so spreche ich mich für individuelle Integrationsvereinbarungen aus. Mit jedem, der hier eine Bleibeperspektive hat, sollte ein verbindliches Gespräch geführt werden – wozu der Staat sich verpflichtet und wozu der Migranten sich verpflichtet. Es hat auch etwas mit gegenseitigem Ernstnehmen zu tun und auf Augenhöhe in die Pflicht nehmen. Unsere Spielregeln, Pflichten und unsere Erwartungen für ein gelingendes Zusammenleben müssen wir von Anfang an klar machen – und zwar in alltagstauglichen Beispielen. Und es muss Konsequenzen haben, wenn man sich daran nicht hält.“

 

  1. Die AfD ist auf dem Vormarsch. Gibt es ein institutionelles Politikversagen, das dafür verantwortlich ist, dass Deutschland derzeit so gespalten, so polarisiert wie nie zuvor ist? 

„Dass rechts von der CDU eine Partei entstanden ist, die als drittstärkste Kraft in den Bundestag eingezogen ist, darf uns nicht ruhen lassen. Gleichsam ist es Ausdruck unserer Demokratie. Trotz ihres ausgrenzenden und oft verachtenden Politikstils müssen wir uns mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen und sie auf diese Weise stellen – so wie wir es am anderen Rand des politischen Spektrums auch mit der „Die Linke“ machen. Ein institutionelles Politikversagen sehe ich aber nicht. Dieser Befund würde der AfD eine Bedeutung zusprechen, die sie nicht hat. Bürger haben diese Partei gewählt, weil sie sich abgehängt fühlen und glauben, mit ihren Anliegen, ihren Themen nirgends sonst Gehör zu finden. Für diese Wähler müssen wir wieder ein Angebot machen, uns selbstkritisch fragen, ob wir genug getan haben, um sie mit unserer Politik zu erreichen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich sage aber auch: Einfach nur Protestwähler zu sein – dieser Anspruch ist zu wenig und angesichts der Aussagen zahlreicher AfD-Spitzenfunktionäre vor allem gefährlich.“  

Fragen: Stefan Groß

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Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".