Was hat Angela Merkel falsch, was richtig gemacht?
Aktuell ganz richtig, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Das hat in der Partei einen lebendigen Prozess ausgelöst, der tut den Mitgliedern und der Demokratie gut. In Merkels Amtzeit fällt die stärkste, lang anhaltende Konjunkturphase Deutschlands. Dass es diesem Land gut geht, liegt auch an der Regierungspolitik von Angela Merkel.
Wer ist der richtige Kandidat für das Amt des Parteivorsitzenden?
Alle drei sind gut Kandidaten, sowohl Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer als auch Jens Spahn. Es wird ein spannendes Rennen werden, und es ist völlig offen, wie es ausgeht. Ich bin selbst neugierig auf dem Parteitag und freue mich auf Reden der Bewerber. Unser Beitrag zum Ergebnis ist ein kleiner, wir Thüringer stellen nur 24 von 1001 Delegierten.
Was verbindet Sie mit Sebastian Kurz?
Ich bewundere es sehr, dass er mutig an die Spitze der ÖVP gegangen ist und seine Partei umgekrempelt und als neue Volkspartei belebt hat. Er macht eine gute und souveräne Regierungspolitik und hat auch in der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs gezeigt, dass auch kleinere Länder in Europa eine große Rolle spielen können. Deshalb war er auch mein Gast in Thüringen zum großen Jahresempfang meiner Fraktion.
In den letzten Wochen wurde intensiv über den UN-Migrationspakt debattiert. Deutschland hat im Bundestag positiv darüber abgestimmt. War das richtig?
Die sich auskennen sagen, dass überall in der Welt Standards verbessert werden und Deutschland nicht als das Hauptzufluchtsland übrig bleibt, weil dort die besten Bedingungen herrschen. Und es entlastet uns, wenn vor Ort, wo Flucht beginnt, die Ursachen bekämpft werden, wenn die Standards in anderen Zufluchtsländern verbessert werden. Die scharfe Debatte ist ein leider nicht einmaliges Ergebnis Berliner Politik. Es wird zu spät und zu unwirksam informiert und reagiert und das Wort am Anfang anderen überlassen. Im Bundestag und jetzt auf dem Bundesparteitag wird über das Für und Wider diskutiert, so wie es Jens Spahn und ich angeregt haben. Wenn der Eindruck besteht, die Themen der Leute seien nicht die Themen der Volkspartei CDU, entsteht eben das, was man in den Sozialen Netzwerken jetzt erleben konnte, eine Riesenkampagne mit vielen Falschinformationen und einem unwohligen Gefühl. Argumente dringen kaum noch durch, und es entsteht eine mediale Parallelwelt aus vorgefassten Meinungen.
Leben wir in einer Maulkorb-Politik? Oft hat man ja den Eindruck, dass man seine Meinung nicht mehr sagen darf. Sie haben mal betont! „Wir können nicht jeden zum Nazi machen, der seine Meinung sagt“. Die Ostdeutschen, so scheint es jedenfalls, sind spätestens seit 2015 noch kritischer und lassen sich den Mund nicht verbieten.
Das ist die Wahrnehmung. Zumal, wir Ostdeutschen sind doch viel reflektierter und kritischer. Es gibt kein gewachsenes Zutrauen in Institutionen. Das alles muss immer wieder hart erarbeitet werden. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie mit ihrer erkämpften Meinungsfreiheit wieder an Grenzen stoßen und merken, wenn meine Meinung nicht opportun ist, werde ich in eine Ecke gestellt. Die Leute wollen in der Freiheit auch die Garantie haben, die Freiheitsrechte auch nutzen zu können. Viele spüren, dass das in einer vermeintlich politisch-korrekten Welt nicht so akzeptiert wird. Und dann gibt es auch große Zeitschriften, die Sachsen auf einem schwarzen Titelblatt mit Runenschrift endend beschreiben und damit ein Bild erzeugen, der Osten sei ein Landstrich des Rechtsextremismus. Wenn diese kollektive Beschreibung eines ganzen Landes oder Bevölkerungsgruppe hingenommen werden muss, dann reagieren einige Menschen so heftig, wie wir es gerade erleben.
Was hat Bodo Ramelow falsch gemacht?
Ramelows Regierung ist deutlich ideologisch gesteuert. Das fällt dem Land unter anderem im Bereich der Bildungspolitik und der inneren Sicherheit auf die Füße, aber auch in der Asylpolitik oder bei einer Verdreifachung von Windvorrangflächen. Wo geliefert werden müsste, wird nicht geliefert, zum Beispiel bei der Verwaltungsreform, der Personalentwicklung oder Digitalisierung. Am Ende sind es verlorene Jahre für Thüringen, weil die Substanz verbraucht wird. Die Steuereinnahmen sind hoch wie nie, aber die Investitionsquote sinkt. Diese Jahre aufzuholen, wird anstrengend werden, weil die Rahmenbedingungen komplizierter sind, weil die Zinsen steigen werden, weil die globale Wirtschaftsentwicklung schwieriger werden und die Handelsbeziehungen belastet sind.
Wenn man aus Bayern kommt, hat man das Gefühl, dass es den Osten gar nicht gibt. Nur Nazis, so die Vorurteile. Wird der Osten weiter abgehängt, versinkt der Osten wieder in der Bedeutungslosigkeit?
Wenn man nach Thüringen und Sachsen schaut, sieht man zwei starke Bundesländer. Das Problem ist, dass wir immer wieder darum kämpfen müssen, dass es so bleibt und wir wahrgenommen werden. Auch deshalb werden Michael Kretschmer und ich für das Präsidium der CDU kandidieren, damit der Osten auch eine Stimme in der obersten Parteispitze hat. Wenn wir selbst nicht für uns werben, werden es andere nicht für uns tun. Es geht um eine Gesprächsebene auf Augenhöhe. Viele Ostdeutsche haben das Gefühl, dass sie nicht mehr auf dieser Augenhöhe wahrgenommen werden, ihre Biografien nicht wertgeschätzt werden, ihre eigene Lebensleistung nicht anerkannt wird. Das spitzt sich gerade bei der älteren Generation in der Rentenfrage zu. Da muss man tatsächlich hinschauen, ob Lebensleistungen nicht angemessen gewürdigt werden.
Das ist ein Programm gegen die AfD?
Ja, absolut, aber das ist nur ein Punkt. Die AfD spielt ja mit diesen Ängsten und mit diesen Verlusten und dem Abgehängtsein. Die richtige Antwort ist: die Politik muss ihren Job machen, die Menschen respektieren und der Staat handlungsfähig sein. Die Dinge müssen zum Ergebnis geführt werden, und wir dürfen nicht in der Analyse verharren. Wenn wir das schaffen, gewinnen wir auch die Herzen und das Vertrauen und Zutrauen der Bürger zurück.
Heißt der neue Ministerpräsident Thüringens Mohring? Und was würde er anders machen?
Das allerwichtigste ist, Politik mit den Menschen und den Kommunen gestalten. Das klingt wie eine Binse, und scheint doch so schwer zu sein. Bei Rot-Rot-Grün erleben wir gerade das Gegenteil. Deshalb geht es auch um neue Gemeinsamkeit, darum, zuzuhören, dafür notfalls auch mal Tempo rauszunehmen und nie zu vergessen, dass auch der andere möglicherweise Recht hat. Wenn wir das zum Credo allen politischen Handelns macht, dann kann man erfolgreicher Politik gestalten als die linke Landesregierung, aber vielleicht auch besser als wir es bis 2014 getan haben. Nicht umsonst sind wir in die Opposition gekommen. Wenn die Leute wahrnehmen, dass wir in dieser neuen Rolle etwas gelernt haben, den Perspektivwechsel verstanden haben und neu durchstarten, dann haben wir wieder eine Chance, das Zutrauen zu gewinnen, was uns einst verloren gegangen ist.
Fragen: Stefan Groß