Wir leben in unübersichtlichen Zeiten – geschenkt. Doch was immer unberechenbarer wird, ist die Wettervorhersage. Nichts scheint derzeit ungewisser, als sich auf den täglichen Wetterbericht zu verlassen. Doch wer darüber klagt, dass die Meteorologen nur manchmal richtig liegen, wird von den Medien unterdessen in die Ecke der Klimagegner geschoben. Schon titeln diese: „Wetter-Forscher als neue Feindbilder der Klimaskeptiker“.
Waren es 2015 Flüchtlingskrise und in den letzten drei Jahren die Corona-Pandemie, mit den sich medial Schlagzeilen generieren ließen, ist es heute die Wettervorhersage, die in düsteren Szenarien unheilvoll auf die schon ohnehin durch Krieg und Inflation gezeichnete deutsche Seele hineinprasseln. Der Kampagne-Journalismus kennt nur eine Richtung – Angstmache um jeden Preis „Land unter! Experte macht erschreckende Prognose – ‚Kaum noch was zu retten‘“, läuft es in voll aufgeschwollener Dramatik durch die Ticker. Eine Unwetter- als Horrormeldung reiht sich an die andere. Ob in Spanien, Frankreich oder Spanien – überall öffnen sich buchstäblich die Türen zur Hölle. Der mediale Hype um das Wetter hat System: Einerseits gilt es die Hysterie hochzuhalten, anderseits hat das Ganze eine propädeutische Funktion, denn je öfter die Negativschlagzeilen hochkochen, desto mehr prägt sich dies ins kulturelle Gedächtnis ein – und wie bei vielen anderen Themen auch, klappt das Umerziehungsprogramm. Eigentlich geht es gar nicht um das Wetter, natürlich lassen sich nebenbei mit den Horrorbotschaften Klicks generieren, sondern allseits nur darum, die Heuristik der Furcht buchstäblich nicht abkühlen zu lassen. Galt vor kurzen noch das Robert-Koch-Institut noch als der Hort von Schreckensbotschaften hat diese Aufgabe der Deutsche Wetterdienst und vor allem die Medien übernommen.
Besser als das iPhone ist das Barometer
In einer von Satelliten zugeschütteten Erdumlaufbahn tummeln sich über 2000 astronomische Objekte, die hochsensible Daten sowohl für die Erdbeobachtung als auch zur Untersuchung von Klima und Niederschlägen liefern, doch die Daten bringen statt einer konkreten Vorhersage nur eine neue Unübersichtlichkeit. Was konkrete Wettervorhersagen betrifft, widerstreiten sich die Experten. Während die einen den Megasommer – im Ton der Apokalypse als die Zeit von „extremer „Dürre und erste Hitze“ proklamieren, verkünden gleichzeitig andere „nächster Polar-Hammer im Freistaat“. Den sogenannten Wetterexperten ist es – im Unterschied zu den vergangenen Jahrzehnten – kaum mehr möglich, genaue Angaben zu machen. Ein Blick auf das Barometer, in der Moderne ein Relikt der traditionellen Wettervorschau, gibt einzig tröstliche Gewissheit.
Und wer sich auf das iPhone verlässt, der ist buchstäblich verlassen. Immerhin fast zwei Milliarden Menschen nutzen das Smartphone wie das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino bei seinen jährlichen Konferenzen bekanntgab. Wie ein Chamäleon wechselt dieses dann fast im Stundentakt seine Voraussagen. Der Alleskönner der digitalen Welt hat zumindest in einer Sache Kontinuität: Sicher ist nichts, alles verändert sich dauernd. Geplante Sonntagsflüge, vor einer Stunde noch möglich, versinken plötzlich buchstäblich im Wasser. So sehr der Tech-Gigant die Welt durch künstliche Intelligenz umbauen will – seine Wetter-App kann mit keinem Barometer mithalten. Also, wer beim Wetter sicher gehen will, sollte beim Barometer bleiben und sich vielleicht den Ratschlag des exzentrischen Modezar Karl Lagerfeld zu Herzen nehmen: „Wer auf meiner Party über (…) das Wetter redet, wird nicht mehr eingeladen!“