2. November 2024

Schau im Albertinum: Übermalte Fotografien im Gerhard Richter Archiv jetzt zu sehen

Kunst, Kunstbedarf, Hd-hintergrundbild, Quelle: freephotocc
Kunst, Kunstbedarf, Hd-hintergrundbild, Quelle: freephotocc, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Gerard Richter ist einer der teuersten Maler dieser Welt. Auf Auktionen fährt er mit seinen Kunstwerken Rekordsummen ein. Jetzt ist im Gerhard-Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden eine besondere Werkgruppe aus dem Oeuvre des aus der Elbestadt gebürtigen Künstlers zu sehen. Die 72 übermalten Fotografien sind je zur Hälfte aus dem Bestand der 2019 vom Maler gegründeten Gerhard Richter Kunststiftung sowie aus Privatsammlungen. Die Schau im Albertinum beginnt am 26. August und endet am 19. November. Von Stefan Groß-Lobkowicz.

1932 in Dresden geboren, ist Gerhard Richter buchstäblich ein Marathonläufer. Der fast 90-jährige Superstar hat alles erreicht, in den größten Museen der Welt hängen seine Werke, Sammler wurden durch ihn reich. Vielschichtig ist er sein ganzes Leben – bis ins hohe Altern hinein – geblieben, dem Geist des Entdeckens, dem Zauber der Verwandlung auf der Spur. Kaum einer kann auf ein derartig vielschichtiges Lebenswerk zurückblicken. Und Richter war es, der der nach der Nachkriegszeit gebeutelten Malerei ein neues Gesicht schenkte. Anders als sein Lehrer Joseph Beuys ging es Richter nicht vordergründig allein um Happenings, um eine Kunst in Aktion, sondern um die Suche nach neuen Kunstmaximen, um eine provokante Bildsprache, die die Gesellschaft in ihrer Vielschichtigkeit einzufangen vermag.

Grenzgänger zwischen den Welten

So wurde Richter zum Grenzgänger zwischen den Welten. Der einstige Stipendiat der Dresdner Hochschule floh zuerst aus den Kerkerwänden des ostdeutschen Realismus, um von dort sich die ganze Welt buchstäblich zu erobern. Richter, der „Picasso des 21. Jahrhunderts“, galt als Freiheitsenthusiast, als einer, der sich weder die kritische Stimme gegen die Funktionäre verbieten ließ noch als einer, der sich mit der Enge der DDR-Kunstdogmatik zufriedengeben wollte. Nach der Flucht in den Westen 1961 wurde er in Düsseldorf als Professor zum gefeierten Star. Richter hatte im ruhigen Fluss seiner Arbeit immer wieder mit Nachdruck vorgeführt, was Malerei noch zu leisten vermag und dass sie sich gegen das Diktum der nachgesagten Unmöglichkeit, nach Auschwitz noch ein Bild zu malen, kraftvoll entgegengestellte. Richter malte gegen das Vergessen, flirtete mit Fluxus, Fotorealismus und Pop Art und Readymade – doch einordnen in eine Richtung ließ er sich nie. Seit Beginn der 60er-Jahre hatte er seine eigene Form gefunden, die Idee, Fotografien abzumalen, die Ränder der Figuren zu verwischen und damit Unschärfe zu erzeugen. Richter ist ein Unangepasster in der Kunst geblieben, einem, dem das Experimentieren alles ist, der sich weder in das Korsett des sozialistischen noch des kapitalistischen Realismus pressen ließ.

Wenn es um Ehre, Weltruhm und Ewigkeit geht, ist Gerhard Richter schon längst im Götterhimmel der Kunst angelangt. Dort hat der Ewig-Schaffende bereits jetzt einen festen Platz, was gar nicht so einfach für einen Atheisten „mit Hang zum Katholizismus“ ist. Doch „ohne den Glauben an eine höhere Macht oder etwas Unbegreifliches“ könne er nicht leben. Es ist das Bekenntnis eines religiös nicht ganz unmusikalischen Malers, der faustisch mit den Energien des Kreativen ringt, mit dem produktiven Dämon, der ins Unendliche treibt und Werke schafft, die ihresgleichen suchen.

Starallüren kennt Richter nicht

Starallüren hat sich Richter stets verweigert, er ist kein Markus Lüpertz. Richter ist ein unabhängiger Künstlertyp geblieben. Das Malergenie liebt es eher unprätentiös, er ist denkbar bescheiden, der Hype um seine Person ihm unangenehm. Lange schon hatte er sich von der Oberfläche der Eitelkeiten verabschiedet und in das Villenviertel Hahnwald in seiner Wahlheimat Köln zurückgezogen. Den größten Teil der heutigen Auktionskunst hält er allerdings für überteuert. Was fehle, sei der Maßstab für die Beurteilung des Wertes von Kunstwerken. „Wenn Sie die Auktionskataloge sehen, da wird ja 70 Prozent Müll für teures Geld verkauft.“ „Die Kriterienlosigkeit, die ist schon das Härteste dabei.“ Zwar finde er es angenehm, er, der sich nie als Marketingstratege verkauft hat, dass für seine Werke Millionensummen bezahlt werden, es zeigt immerhin, dass er geschätzt werde. Aber zugleich ist es für ihn auch „unerträglich und pervers, dass es solche Unsummen sind“. Und auf die Frage, ob er das Gefühl habe, dass seine Kunst verstanden wird, antwortet er: „Manchmal ja. Sonst hätte ich ja nicht so viel Erfolg. Also irgendwas wird ja schon ab und zu verstanden.“ Allein sein „Abstraktes Bild 509“ erbrachte 2015 rund 39 Millionen Euro.

Auf Platz 5 der teuersten lebenden Künstler

Mit 88 Jahren legte der Mann, dessen Maxime es war, dass die „Kunst die höchste Form der Hoffnung“ sei, der laut „Manager Magazin“ zu den 500 reichsten Deutschen zählt und als der wichtigste Künstler der Gegenwart gehandelt wird, den Pinsel aus der Hand. Drei Kirchenfenster im Kloster Tholey gelten als sein letztes malerisches Vermächtnis. „Irgendwann ist eben Ende.“ „Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt,“ erklärte er im September 2020 und sein Abschied von der Malerei glich einem Paukenschlag.

Die teuersten lebenden Künstler 

Platz 1: Jeff Koons: „Rabbit“, 91,1 Millionen Dollar

Platz 2: David Hockney: „Portrait Of An Artist (Pool With Two Figures)“, 90,3 Millionen Dollar

Platz 3: Beeple: „Everydays: The First 5000 Days“, 69 Millionen US-Dollar

Platz 4: Sacha Jafri „The Journey of Humanity“, 62 Millionen Dollar

Platz 5:  Gerhard Richter: „Abstraktes Bild“, 46.3 Millionen Dollar

Platz 6: Cui Ruzhuo: „Ink Landscapes“, 36,5 Millionen Dollar

Platz 7: Jasper Johns: „Flag“, 36 Millionen Dollar

Platz 8: Ed Ruscha: „Smash“, 30,4 Millionen Dollar

Platz 9: Peter Doig: „Rosedale“, 28, 8 Millionen Dollar

Platz 10: Zheng Fanzhi: „The Last Supper“, 23,3 Dollar

Finanzen

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2154 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".